Keplers Gesetze

Keplers Gesetze

Keplers Gesetze. Durch sorgfältige, mit bewunderungswürdiger Ausdauer fortgesetzte Vergleichung der Beobachtungen von Tycho de Brahe am Planeten Mars fand Kepler für die Bewegung der Mittelpunkte der Planeten um den Mittelpunkt der Sonne folgende drei Gesetze (Fig. 1): 1. Die Bahnen der Mittelpunkte (M) der Planeten sind ebene Kurven, deren Ebenen den Mittelpunkt (F) der Sonne enthalten, und der Radiusvektor (FM) vom Sonnenmittelpunkt nach dem Mittelpunkt eines Planeten gezogen, durchstreicht eine der Zeit proportionale Fläche; 2. diese Bahnen sind Ellipsen und der Mittelpunkt der Sonne ist ein Brennpunkt derselben; 3. die Quadrate der Umlaufszeiten der Planeten um die Sonne sind den Kuben der großen Halbachsen ihrer Bahnen proportional. Newton hat den Zusammenhang dieser Sätze mit dem Gesetze der allgemeinen Massenanziehung gefunden, welches die Grundlage der heutigen Astronomie, Physik und Mechanik bildet. Wir wollen diesen Zusammenhang möglichst elementar entwickeln.

Das erste Keplersche Gesetz ergibt d S = c d t, wo (Fig. 1) d S = F M M' der in der Zeit d t vom Radiusvektor F M = r durchstrichene Sektor ist. Wird das von F auf die Tangente in M gefällte Lot mit p bezeichnet, so ist: d S = 1/2 p v d t = 1/2 r2 d ϑ, wo v die Geschwindigkeit von M und d ϑ den Drehwinkel von F M in der Zeit d t bedeuten. Ist die Winkelgeschwindigkeit der Drehung d ϑ/d t = w (Fig. 2), so ergibt sich w = 2 c/r2 und p v = 2 c. Nach dem Prinzip der Flächen (s.d.) ist der Differentialquotient des Momentes der Bewegungsgröße [d (p v) : d t] nach der Zeit gleich dem Moment der bewegenden Kraft, beide bezogen auf F. Da jener Differentialquotient nach dem ersten Keplerschen Gesetz gleich Null ist, so verschwindet auch das Moment der bewegenden Kraft, und diese geht dauernd durch den Bezugspunkt F, in dem die Sonne steht. Da bei der Ellipse das Produkt der Abstände p p' der Brennpunkte von der Tangente gleich dem Quadrat der kleinen Achse b ist (p p' = b2), so wird die Geschwindigkeit v = 2 c/p = 2 c/b2 · p' = c/b2· F' H, wo H der Gegenpunkt zu F' in bezug auf die Tangente in M ist. In gleicher Weise ist die Geschwindigkeit v' im Punkte M' : v' = c/b2 F' H', daher v : v' = F' H : F' H'. Ziehen wir von irgend einem Punkt O aus Parallele zu den Tangenten in M und M' und tragen wir auf ihnen die Geschwindigkeiten O V = v und O V' = v' auf,[432] so stellt die unendlich kleine Strecke V V' = d u die Elementarbeschleunigung in der Zeit d t dar, und die Beschleunigung selbst wird: φ = d u : d t. Das Dreieck O V V' ist aber dem Dreieck F' H H' ähnlich und daher wird d u = c/b2 · H H'. Nun ist aber F H = F M + F' M = 2 a gleich der großen Achse der Ellipse; daher wird H H' = 2 a d ϑ und demnach

φ = d u/d t = 2 a c/b2 · d ϑ/d t = 2 a c/b2 · w = 4 a c2/b2 · 1/r2,

da wir oben sahen, daß w = 2c/r2 wird; d.h. die Beschleunigung des Planeten ist umgekehrt proportional dem Quadrate seines Abstandes vom Sonnenmittelpunkt. Stellt T die Umlaufszeit des Planeten dar, so ist, da die Konstante c der vom Radiusvektor in der Zeiteinheit durchstrichene Raum ist, c T die ganze Fläche π a b der Ellipse, d.h. man hat c T = π a b, und indem man hiermit aus der Gleichung für φ die Größe c eliminiert, erhält man φ = 4 π2 · a3/T2 · 1/r2. Hieraus ergibt sich als Wert, welchen die Beschleunigung φ in der Einheit der Entfernung vom Sonnenmittelpunkte besitzt: 4 π2 · a3/T2. Nach dem dritten Keplerschen Satze ist aber a3/T2 eine Konstante für alle Planeten. Diese Konstante bedeutet daher, daß die Beschleunigung im Planetensystem in der Einheit der Entfernung vom Mittelpunkt der Sonne für alle Planeten dieselbe ist. Man übersieht aus dem Vorstehenden leicht den Zusammenhang der Keplerschen Gesetze der Planetenbewegung. Aus dem ersten von ihnen folgt, daß die Planetenbewegung eine Zentralbewegung um den Sonnenmittelpunkt ist mit einer Winkelgeschwindigkeit, welche umgekehrt proportional dem Quadrate des Radiusvektors ist; aus dem zweiten ergibt sich, daß die Beschleunigung des Planeten gleichfalls dem umgekehrten Quadrate des Abstandes vom Sonnenmittelpunkte proportional ist; endlich das dritte sagt aus, daß für alle Planetenbewegungen die Beschleunigung im Abstande gleich der Einheit vom Sonnenmittelpunkte denselben Wert hat. Newton gelangte, von den Keplerschen Sätzen ausgehend, zur Theorie der allgemeinen Gravitation, welche die Grundlage der gesamten Mechanik des Himmels ist.


Literatur: Eine vortreffliche elementare Behandlung der Keplerschen Gesetze bietet: Möbius, Die Elemente der Mechanik des Himmels, auf neue Weise ohne Hilfe höherer Rechnungsarten dargestellt, Leipzig 1843; in bezug auf das Historische der Keplerschen Entdeckungen vgl. Günther, S., Kepler und Galilei, in der Bettelheimschen Sammlung: Geisteshelden, Bd. 22, Berlin 1896.

(Schell) Finsterwalder.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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