Schneeschutzanlagen

Schneeschutzanlagen

Schneeschutzanlagen, Vorrichtungen gegen Verwehen von Eisenbahngleisen durch Schnee.

In ebenem oder leicht gewelltem Gelände können durch hinreichend starken Wind, während oder nach anhaltendem Schneefall, in Einschnitten und auf hohen Dämmen, die quer zur Windrichtung liegen, die Gleise mit Schnee überlagert, d.h. verweht werden. Bei geringer Schneehöhe wird die Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge verzögert und schon bei etwa 0,3 m Höhe können Züge steckenbleiben. In Einschnitten ist unterhalb des oberen Randes der Böschung auf der Windseite die Luft ruhiger, es lagert sich daher hier Schnee ab. Die Ablagerung schreitet auf der Böschung allmählich fort und bildet, gegen den Einschnitt, oben überhängende Wände, während ihre Oberfläche leicht abfällt (etwa 1 : 8). Bei genügend großer Schneemasse wird allmählich der ganze Einschnitt ausgefüllt, wobei die Oberfläche der Ablagerung gegen den jenseitigen Rand wieder leicht ansteigt (etwa 1 : 6), so daß eine flache Mulde entsteht. Bei großer Einschnittstiefe reicht meistens die Böschungsfläche und der Bahngräben für die Schneeablagerung aus. Bei hohen Dämmen nimmt der Wind die Richtung der Dammböschung an, geht über die Bahnkrone in einem Bogen weg und senkt sich jenseits des Dammes nieder. Ueber der Bahnkrone ist daher ebenfalls ruhigere Luft, in der Schnee sich ablagern kann, der die Gleise überdeckt.

Die Menge des abzulagernden Schnees und damit der für die Ablagerung erforderliche Querschnitt hängt ab von der Menge und Beschaffenheit des niedergegangenen Schnees, der Dauer des Schneetreibens (in Mitteleuropa bis 36 Stunden, aber auch länger) und der Gestalt und der Breite des Vorlandes, d.h. des in der Windrichtung vorliegenden freien Geländes. Je ebener und je weniger das Vorland unterbrochen ist durch Gräben, Zäune, Hecken u. dergl., desto größere Massen des niedergegangenen Schnees können weitergetrieben werden. Weicher, großflockiger Schnee fällt rasch zu Boden und bleibt am Boden haften; seiner, trockener Schnee, wie er bei Frost fällt, wird dagegen leicht vom Wind fortgeführt, solange er nicht festgefroren ist. Mit dem Schnee löst der Wind manchmal auch Sand und Erde vom Boden los und vermengt diese mit dem Schnee, wodurch feuere Ablagerungen als durch reinen Schnee entstehen.

Zur Vermeidung der den Eisenbahnbetrieb sehr störenden Verwehungen legt man die Bahn so hoch über das Gelände, daß die Schienen bei gewöhnlicher gleichmäßiger Schneedecke noch vom Winde bestrichen werden. Ist das nicht möglich, so ordnet man besondere Schneeschutzanlagen an, die bezwecken, entweder den Schnee über die Bahn wegzuführen oder ihn vor derselben zur Ablagerung zu bringen. Als solche kommen hauptsächlich in Betracht:

A. Zur Ueberführung des Schnees.

1. Abflachen der Böschungen, auf 1 : 8 oder besser 1 : 10, kann wegen den Kosten gewöhnlich nur bei ganz niederen Einschnitten ausgeführt werden. Der Erfolg ist aber auch da Zweifelhaft, weil der Schnee sich manchmal flacher als 1 : 10 ablagert.

2. Mauern, 4,5–6 m hoch, wurden an der österreichischen Südbahn auf der Strecke Laibach-Triest über den Karst entlang der Felseinschnitte in Abständen bis 25 m vom Einschnittsrand erstellt. Durch die Mauern soll der Wind stark nach oben abgelenkt werden, so daß der mitgeführte Schnee erst jenseits des Einschnittes niederfällt; diese Anlagen haben sich dort bewährt. Unmittelbar vor und hinter den Mauern bilden sich zwar kleine Ablagerungen, die Hauptmasse des Schnees wird aber bei der großen Geschwindigkeit der dort auftretenden Nord- und Ostwinde (Bora) über die Bahn geführt.

Andre Vorrichtungen, die die Ueberleitung des Schnees über die Bahn bezwecken, wie der selbsttätige Schneezaun von Howie ([4], 1887 und [3], 1888, S. 443), oder die Aufteilung pyramidenförmiger Körper, wie sie Rudnicki empfahl [5], haben sich nicht bewährt.

[764] B. Zur Ablagerung des Schnees vor dem Gleis.

1. Erbreiterung und Vertiefung der Einschnitte neben dem Bahnkörper, um den erforderlichen Ablagerungsquerschnitt vor dem Gleis zu schaffen (Schneegräben).

2. Schneezäune. Diese müssen von dem Einschnittsrand so weit abgerückt und so hoch bemessen werden, daß die vor und hinter ihnen sich bildenden Schneeablagerungen den erforderlichen Querschnitt erhalten, ohne auf das Gleis sich zu erstrecken. Schneezäune können hergestellt werden aus alten Eisenbahnschwellen, Brettertafeln (mit dicht geschlossenen oder etwas geöffneten Fugen) zwischen Doppelpfosten, aus Hürden von Weiden- oder Birkenreisgeflecht, aus engmaschigen Drahtgeflechten oder Geflechten aus Kokosgarn u. dergl., die an Pfosten befestigt werden. Zäune aus etwa 3 m langen Brettertafeln haben den Vorteil, daß bei zunehmender Ablagerung die Tafeln gehoben und dadurch der Ablagerungsquerschnitt vergrößert werden kann (s. Fig. 1). Auch können sie, wenn die erforderlichen Pfosten vorhanden sind, rasch von einer Seite des Einschnitts auf die andre versetzt werden, was an Stellen, die von beiden Seiten verweht werden können, von größtem Wert ist, da Zäune auf der unrichtigen Seite des Einschnitts Verwehungen nicht vermeiden, sondern herbeiführen. Schneezäune aus Geflechten werden erst kurz vor Eintritt des Winters aufgestellt, im Frühjahr wieder entfernt und im Trockenen aufbewahrt. Sie können in beliebiger Richtung aufgestellt und jederzeit leicht versetzt werden. Dieselben Vorteile bietet der amerikanische Bockzaun (Fig. 2). Derselbe besteht aus einzelnen 3,5–4 m langen, 1,5–2 m hohen Teilen aus je zwei Brettertafeln und Böcken, deren Schwellen durch Ueberwerfen mit Erde oder eine darübergeschlagene Haste am Boden befestigt wird. Erddämme und Mauern sind teurer, brauchen viel Platz und eignen sich auch nur da, wo die Verwehungen stets von derselben Einschnittsseite erfolgen; die Unterhaltungskosten sind dagegen gering.

3. Dichte Hecken, am besten von Fichten, auch von Thuya occidentalis, in zwei oder drei Reihen, zweckmäßig auf kleinem etwa 1 m breitem Erddamm gepflanzt, geben bei geeignetem Schnitt guten Schutz, kommen aber erst in 6–8 Jahren zur Wirkung und müssen, da sie nach 20–25 Jahren unten kahl werden, rechtzeitig durch zur Seite gesetzte Pflanzen gedeckt werden (s. Fig. 3). Sind diese genügend stark, so ist die erste Hecke auszuhauen und neu zu pflanzen u.s.w.

4. Waldstreifen erfüllen um so besser den Zweck, je dichter sie, besonders von unten herauf, sind. Bei Laubholz ist daher große Breite erforderlich. Bei Fichten können, solange diese unten noch dicht sind, schon 6 m breite Streifen genügen. Man legt deshalb zwei Streifen nebeneinander an, die abwechselnd nach 10–14 Jahren erneuert werden, auch schneidet man die Bäume auf 2,5–3 m Höhe zurück, um sie länger unten dicht zu erhalten. Sämtliche der angeführten Schutzanlagen können bei Sicherungen von Einschnitten angewendet werden. Zur Sicherung von Dämmen eignen sich nur Zäune, die auf der Böschung aufgestellt werden, oder Bepflanzung der Böschungen mit Buschwerk. Beide haben den Zweck, den Schnee auf der Böschung zur Ablagerung zu bringen, Zäune und Buschwerk dürfen aber die Bahnkrone nicht überragen, sonst lagert sich unter ihrem Schütze Schnee auf derselben ab.

Die Größe des erforderlichen Ablagerungsquerschnittes ist je nach den klimatischen und den örtlichen Verhältnissen sehr verschieden. Schubert [1] macht hierüber sowie über die Berechnung der Schneezäune für gegebene Ablagerungsquerschnitte Angaben. Nach ihm kann man bei uns rechnen bei vollständig freiem Gelände und bis etwa 750 m Vorlandstiefe auf 100 m Tiefe je 3–5 qm erforderlichen Ablagerungsquerschnitt. Bei größerer Vorlandstiefe und weniger ungünstigen Verhältnissen genügen 2 oder gar nur 1 qm; es sind aber auch schon bedeutend größere Ablagerungsquerschnitte beobachtet worden, so in Nordböhmen, im Winter 1892/93 bei 750 m Vorlandstiefe Ablagerungen von 12–16 qm auf je 100 m Geländetiefe. Bei Berechnung dichter Schneezäune zum Schutz von Einschnitten nimmt Schubert auf Grund seiner Beobachtungen an, daß sich vor und hinter den Zäunen Ablagerungen bilden, deren Oberflächen mit 1 : 8 geneigt sind, ferner nimmt er an, daß die Böschung bis zum Grabenrand von der Ablagerung überdeckt werden dürfe und dort mit einer senkrechten Wand abschließe. Je niedriger der Einschnitt, desto höher muß hiernach der Schneezaun sein und desto größer wird seine Entfernung vom Bahnkörper, am größten wird diese an den Einschnittsenden, am Uebergang vom Einschnitt in den Auftrag. Der Schneezaun ist hier an den Damm anzuschließen, um den Einschnitt gegen die Flanke zu decken, und so weit dem Damm entlang zu führen, bis dieser die Höhe des Schneezauns hat, damit nicht unter dessen Schutz das Gleis verweht wird. Dies ergibt eine gekrümmte Linienführung (s. Fig. 4) und erfordert viel Grundfläche. Die Höhe der Zäune beträgt gewöhnlich 1,50 bis 1,70 m. Reicht diese Höhe nicht aus, um den erforderlichen[765] Ablagerungsquerschnitt zu erhalten, so wird ein zweiter paralleler Zaun aufgestellt und der Raum zwischen beiden zur Ablagerung benutzt. In nördlich oder sehr hoch gelegenen Gegenden, wo Schneefälle während eines großen Teils des Jahres eintreten, schützt man die Bahnen durch abgedeckte und teilweise auch seitlich abgeschlossene Schneedächer (Schneegalerien). Solche finden sich, oft auf sehr langen Strecken, auf den nordamerikanischen Pacificbahnen beim Ueberschreiten der dortigen Hochgebirge, sodann auf der 1903 eröffneten Ofotenbahn (s. Glasers Annalen, Bd. 55, S. 106). Wieder andrer Art sind die Schutzanlagen gegen Lawinen (s. Bd. 6, S. 77).


Literatur: [1] Schubert, Schutz der Eisenbahnen gegen Schneeverwehungen und Lawinen, Leipzig 1903. – [2] Ders., Schnee- und Lawinenschutzanlagen, in Rölls Encyklopädie des Eisenbahnwesens, Wien 1894, Bd. 6. – [3] Zentralblatt der Bauverwaltung 1887–89, 1891–93. – [4] Glasers Annalen 1887, Bd. 20, S. 85; 1904, Bd. 55, S. 106. – [5] Eisenbahntechnik der Gegenwart, 2. Aufl., 1. Abschn., Bd. 2, S. 83 ff. – [6] Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens 1891 und 1902.

H. Kübler.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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