Fettgewinnung aus Abwässern

Fettgewinnung aus Abwässern

Fettgewinnung aus Abwässern. Bei dem zur Zeit herrschenden großen Fettmangel hat die Fettgewinnung aus Abwässern erhöhte Bedeutung gewonnen. Für die Rückgewinnung der Fette kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht: 1. Gewinnung der Fette an der Zentralsammelstelle für die städtischen Abwässer, also in den städtischen Kläranlagen, und entweder aus den Klärrückständen, dem Klärschlamm, oder aus den Abwässern selbst, 2. Rückgewinnung der Fette an der Entstehungsstelle, d.h. in den Betrieben mit fetthaltigen Abwässern, von Schlächtereien, Gastwirtschaften u.s.w. [1].

Zur Gewinnung aus Klärschlamm wurde vor Jahren von der Firma Beck & Henkel in Kassel mit bedeutendem Kapitalaufwand eine Anlage geschaffen, um den gesamten[192] Klärschlamm der Stadt Kassel zu verarbeiten. Das Verfahren bestand im wesentlichen darin, den Klärschlamm nach erfolgter Ansäuerung zu erwärmen und dann nach teilweiser Entwässerung mit Benzin zu extrahieren. Die Anlage hat sich als unwirtschaftlich erwiesen, und der Betrieb wurde eingestellt. Die Fettgewinnung aus Klärschlamm wird dadurch sehr erschwert, daß er sehr wasserhaltig ist (ca. 95%), sein Wasser schwer abgibt und der Fettgehalt in der Trockensubstanz gering und obendrein sehr schwankend ist (5–25%). Die Fette sind naturgemäß sehr verunreinigt, insbesondere auch durch Mineralöle, und haben daher einen unverhältnismäßig hohen Gehalt an Unverseifbarem. Erst das seit einigen Jahren angewandte Verfahren, den Schlamm in gewaltigen, ununterbrochen und billig arbeitenden Zentrifugen zu zentrifugieren, wobei der aus den Klärbecken eingebrachte Schlamm in eine Substanz von 25% Trockensubstanz verwandelt wird, gibt gute Resultate. Der aus den Zentrifugen kommende Schlamm ist schon eine ziemlich feste Masse, die durch besondere Verfahren auf 65–70% Trockensubstanz gebracht wird. Der Prozeß erfordert etwa drei Stunden. Der Geruch des Schlammes ist großenteils verschwunden [2].

Auch noch in anderer Weise hat man, wie D. Holde [3] mitteilt, das Verfahren, aus dem Klärschlamm das Fett zu gewinnen, bedeutend verbessert. Der wesentliche Fortschritt liegt darin, daß der Schlamm durch eine eigenartige Behandlung mit Schwefelsäure eine bessere Ausfällung der kolloidalen Stoffe erfährt und dann die in dem restierenden Schlamm vorhandenen, allerdings noch immer erheblichen Wassermengen (etwa 2/3) nicht wie bei der Kasseler Anlage erst durch Verdampfen entfernt werden, sondern daß der feuchte Schlamm unmittelbar mit einem Fettlösungsmittel extrahiert wird. Dadurch werden große Mengen Heizmaterial, die das Verfahren unlohnend machen, gespart. Der feuchte extrahierte Schlamm wird auf Filterpressen, auf denen er sich nach Abscheidung des Fettes wesentlich besser behandeln läßt, von dem anhaftenden Wasser bis auf 50% befreit und kann dann als Düngemittel oder in Gemisch mit etwa 1/4 Kohle zur Heizung der Kessel für den Betriebsdampf benutzt werden.

Um aus den Abwässern selbst das Fett wieder zu gewinnen, sind umfangreiche Versuche gemacht, namentlich durch Chr. Kremer und R. Schilling. Durch die von diesen gebildeten Gesellschaften wurden eingehende Versuche auf den Rieselfeldern der Städte Berlin, Charlottenburg, Paris u.s.w. angestellt. Teils nach System Kremer, teils nach System Schilling suchte man durch Wasserstromführung eine weitgehende Ausscheidung der Fette an der Wasseroberfläche herbeizuführen, was auch gelungen ist. Die so gewonnene Schwimmschicht war im Gegensatz zum Klärschlamm leicht entwässerbar und hatte einen wesentlich höheren Fettgehalt als dieser und zwar bis zu 40%. Durch einfaches Ausschmelzen konnte ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz dieser Fette gewonnen werden. Es zeigte sich jedoch, daß die zur Ausscheidung gebrachte Schlammschicht zu gering war, um lediglich zum Zwecke der Fettgewinnung aus Abwässern derartige Anlagen zu schaffen; wohl aber ist es angezeigt, wenn ohnedies zum Zwecke der mechanischen Reinigung der städtischen Abwässer Kläranlagen geschaffen werden müßten, Systeme zu bevorzugen, die eine weitgehende Ausscheidung gewährleisten. Als solches hat sich das von der Gesellschaft für Abwässerklärung m. b. H., Berlin-Schöneberg, vertretene Kremer-Klärsystem bewährt und ist von einer größeren Anzahl deutscher Städte angenommen.

Für Rückgewinnung der Fette unmittelbar an der Entstehungsstelle hat sich der Kriegsausschuß für pflanzliche und tierische Oele und Fette entschieden und ist dafür eingetreten, daß in allen Betrieben mit fetthaltigen Abwässern sogenannte Fettfänger eingebaut werden.

Schon seit Jahren werden Fettfänger von den Tiefbauämtern größerer und mittlerer Städte für Betriebe mit fetthaltigen Abwässern vorgeschrieben, allerdings weniger, um das Fett zu gewinnen, als vielmehr dieses von dem städtischen Kanalnetz fernzuhalten, sowie um die Verstopfung der Zuleitungsröhre zu diesem zu verhindern. Die früheren Fettfänger hatten große Mängel aufzuweisen; den ersten brauchbaren Apparat hat Chr. Kremer [4] geschaffen. Das Wasser tritt seitlich ein, gelangt dann auf einen Teller und durch das in diesem zentral angeordnete, nach unten gerichtete Einlaufrohr in das Innere des Apparats, nachdem es durch die unter diesem Rohr befindliche Prellplatte einen Auftrieb nach oben erhalten hat, in den eigentlichen Fettsammelraum. Unterhalb des den Fettsammelraum umgebenden Zylinders gelangt das Wasser zum Abfluß und steigt dann aufwärts in die allseitig um den Apparat angeordnete Ueberlaufsrinne.

Sehr zweckmäßige Fettfänger haben dann später R. Schilling [5] und Bovermann [6] konstruiert. Dieser letztere ist vom Kriegsausschuß für Fette und Oele empfohlen. Beim Apparat von Schilling tritt das Wasser ebenfalls seitlich ein. An der Oberfläche scheidet sich das Fett aus, die Sinkstoffe haben keine Gelegenheit zur Ablagerung. Durch die an der tiefsten Stelle, infolge der Wände, entstehende Strömungsenergie werden sie mit fortgerissen. Das einlaufende Wasser trifft zunächst auf eine Prellwand, so daß eine Zerstörung oder Beunruhigung der Fettschicht ausgeschlossen ist. – Beim Fettfänger Bovermann fließen die Abwässer durch den Einlaufrost, der die Grobstücke zurückhält, oder durch die Einlaufstützen in den Vorraum, kommen, durch den Schlitz verbreitet und beruhigt, in den Abscheideraum. Hier scheidet sich das Fett nach oben ab, während sämtliche Sinkstoffe nach unten in den Schlammeimer fallen. Das geklärte Wasser fließt hinter der Scheidewand in die Kanalleitung ab. Eine Ablagerungsstelle, außer im Schlammeimer, an der Schlamm dauernd ablagern könnte, ist nicht vorhanden.

Das auf die eine oder andere Weise gewonnene Rohfett bildet eine schwarzbraune, schmierige Masse, die durch Destillation im Vakuum und Abpressen des Destillats in Textilöle und Seifenfett verwandelt wird. Der Rückstand wird zu Pech für Kabel, Dachpappen und zu Schmieren für heiße Walzenstraßen verarbeitet [7].


Literatur: [1] Seifenfabrikant 1915, S. 1014. – [2] Ebend. 1917, S. 285. – [3] Ebend, 1914, S. 995. – [4] Ebend. 1915, S. 1035. – [5] Ebend. 1915, S. 1037. – [6] Ebend. 1915, S. 999. –[193] [7] Ebend. 1915, S. 95. – [8] Passavant, Rückgewinnung von Fetten und die bis heute bekanntesten Apparate dazu, in Gesundheit, Jahrg. 1916, Heft 12 u. 13. – [9] Katalog der Geigerschen Fabrik Karlsruhe i. B. – [10] Katalog der Halbergerhütte. – [11] Katalog der Firma Pause, Wetzlar. – [12] Katalog der Michelbacherhütte u.a.

Deite.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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