Gletscher [2]

Gletscher [2]

Gletscher sind zähflüssige Ströme von Eis, die sich durch Druck aus Schneemassen bilden und die oberhalb der Schneegrenze (s.d.) angehäuften Schneemassen zu Tal befördern, um schließlich entweder – auf dem Land – durch unmittelbare Abschmelzung oder – auf dem Meere – durch Zerbrechen in Eisberge (Kalben) vernichtet zu werden. Die Eisberge werden von Meeresströmungen weithin verfrachtet und können der Schiffahrt durch Zusammenstöße gefährlich werden (Untergang der »Titanic« durch Zusammenstoß mit einem grönländischen Eisberg auf der Neufundlandbank).

Die Schneegrenze trennt das Nährgebiet der Gletscher vom Zehrgebiet. Die größte gemessene Gletschergeschwindigkeit erreichen die kalbenden Abflußgletscher des grönländischen Inlandeises. (Uperniviker Eisstrom ca. 30 m/Tag, Jakobshavner Eisstrom ca. 20 m/Tag; dagegen alpine Gletscher etwa ähnliche Beträge pro Jahr.)

Die Bewegung ist kein vollkommenes Fließen. Ueberschreiten die Bewegungsunterschiede benachbarter Teilchen einen gewissen Grenzwert, so tritt Zerreißung ein. (Unter Zug: Spalten; unter Druck: Blaubänder.) In den unteren Schichten führt der Gletscher Geröll, das unter ihm als Grundmoräne, seitlich als Seitenmoräne, vor ihm als Stirnmoräne abgelagert wird, oft auch in Strichen an seiner Oberfläche zutage tritt (Oberflächenmoränen). Nordeuropa (bis Leipzig) lag im Diluvium unter Inlandeis begraben, deren Grundmoräne den Hauptbestandteil des heutigen Bodens ausmacht.

Gletscherkatastrophen sind in den Alpen häufiger eingetreten durch plötzliches Entleeren von Randseen, die durch die Gletscher aufgestaut waren (Rosensee beim Vernagtgletscher, Oetztaler Alpen, 1600, 1678, 1680, und wiederholt zwischen 1845 und 1848; ähnlich am Zufallferner im Martelltal 1889). In Island kommt als besondere Art von Gletscherkatastrophen der »Jökellöb« (Gletscherlauf) vor, wenn ein von Eis bedeckter Vulkan tätig wird.

In steilen gletscherlosen Gebirgen geschieht die Herabschaffung des Winterschnees teilweise durch Lawinen. Die »Grundlawinen« gehen regelmäßig in jedem Frühjahr in ihren festen »Lahngängen« nieder, deren Betreten um diese Zeit sehr gefährlich ist. Je nach dem Niederschlagsreichtum der vergangenen Jahre wachsen und schwinden die Gletscher. Brückner wies an den Schwankungen der Gletscher Klimaschwankungen nach.


Literatur: Heim, Handb. d. Gletscherkunde, Stuttgart 1885. – Heß, Die Gletscher, Braunschweig 1904. – Machaček, Gletscherkunde, Samml. Göschen Nr. 154, Leipzig 1902.

Kurt Wegener.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gletscher — Gletscher …   Deutsch Wörterbuch

  • Gletscher — I. Gletscher II. Gletscher III …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gletscher — (hierzu Tafel I»Gletscher « mit 4 Kärtchen, und Tafel II u. III), Eisströme, die ihren seeartigen Ursprung in den Firnschneefeldern haben und sich langsam talabwärts bewegen; in Tirol Ferner genannt, in Glarus Firre, Firn, in Kärnten und Salzburg …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gletscher [1] — Gletscher sind Eismassen, die auf geneigter Unterlage ähnlich einer zähen Flüssigkeit unter der Wirkung der Schwere sich langsam abwärts bewegen. Ihre Entstehung verdanken sie dem Emporragen eines größeren Landgebietes über die Schneegrenze. Da… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Gletscher — (französ. Glacier, isländ. Jökul), Ausläufer, Absenker des ewigen Schnees nach unten, wie sie in den Alpen, in den Gebirgen des Nordens (Norwegen, Island) u. im Himalayagebirge vorkommen. Wo nämlich die Wärme des Sommers nicht im Stande ist,… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Gletscher — Gletscher, so nennt man die Eisfelder und Schneebänke der Hochgebirge, die auf den Spitzen der Alpen thronen oder an Abhängen lehnend, in grausenhafte Abgründe hinabstarren. Sie bedecken allein in der Schweiz einen Flächenraum von 50 Quadrat… …   Damen Conversations Lexikon

  • Gletscher — Gletscher: Das Wort wurde im 16. Jh. aus schweizerdt. Mundarten übernommen und erlangte bald danach hochsprachliche Geltung. Walliserisch glačer »Gletscher« geht mit gleichbed. tessinisch giascei und frz. glacier auf vlat. *glaciarium »Eis;… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Gletscher — (Ferner, Firne, Käs, Wader, Glacier, in Island Jökul), die Eismassen in den Gebirgen, entstanden aus dem Gefrieren des geschmolzenen Schnees. Die G. reichen zum Theil sehr tief an den Bergen hinunter; ihr Eis ist nicht geschichtet sondern gekörnt …   Herders Conversations-Lexikon

  • Gletscher — Sm std. (16. Jh.) Entlehnung. Entlehnt aus schweizerdeutschen Mundartwörtern, die auf spl. glaciārium n., einer Ableitung von spl. glacia f. Eis , aus l. glaciēs f. zurückgehen.    Ebenso nndl. gletsjer, ne. glacier, nfrz. glacier, nschw. glaciär …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Gletscher — Der Mendenhall Gletscher in Alaska Ein Gletscher (in Tirol und Bayern auch Ferner, in Österreich landschaftlich auch Kees)[1] ist eine aus Schnee hervorgegangene Eismasse mit einem klar definierten Einzugsgebiet, die sich aufgrund von Hangneigung …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”