Geschützarmierung [1]

Geschützarmierung [1]

Geschützarmierung der Kriegsschiffe umfaßt die Ausstattung derselben mit Schiffsgeschützen nach technischen und taktischen Grundsätzen. Die sachgemäße Wahl der einzelnen Geschützkaliber und ihrer Munition, die Festsetzung der Geschützzahl der einzelnen Kaliber, die günstigste Aufstellung der Geschütze mit Bezug auf großen Bestreichungswinkel, große Elevation und angemessene Höhenlage über Wasser, die Anwendung eines entsprechenden Panzerschutzes für die Geschütze, ihre Unterbauten und Munitionstransporte, die Einrichtungen für Munitionstransport und Munitionsstauung sowie endlich die Einheitlichkeit der Befehlsübermittlung und Gefechtsleitung bilden die Grundlagen für die Aufstellung des Armierungsplanes der Linienschiffe, der großen und kleinen Kreuzer.

Die Geschützarmierung gliedert sich bei allen Nationen in drei Gruppen: in die schwere, mittlere und leichte Artillerie [1], [3]. Die schweren Geschütze von 20–34 cm Kaliber dienen zum Niederkämpfen des Gegners, d.h. zur Herbeiführung der Entscheidung des Kampfes; sie müssen demnach den schweren Panzer des Kommandoturmes, der schweren Geschütztürme und des Panzergürtels mit Stahlgeschossen durchschlagen können, um hiernach mit durchschlags- und sprengkräftigen Granaten den Gegner vollends zu vernichten.

Die Mittelartillerie von 10,5–20 cm Kaliber richtet ihr Schnellfeuer vornehmlich gegen die feindliche Mittelartillerie und ihren leichteren Panzer sowie gegen die ungepanzerten Teile des Schiffsrumpfes, gegen Masten, Schornsteine, Aufbauten u.s.w.; auch sie führt Panzergeschosse

Die leichte Artillerie, bestehend aus Maschinen- und Schnellfeuergeschützen von 3,7–8,8 cm Kaliber, bezweckt vornehmlich die Abwehr der Torpedobootsangriffe und findet im Nahkampf Verwendung zum Beschießen der Decks und der Bedienungsmannschaft der leichten Geschütze.

Bezüglich der Zahl und Aufteilung der Geschütze auf den einzelnen Schiffstypen gehen die Ansichten der einzelnen Nationen nicht mehr so weit auseinander wie früher (vgl. Fig. 16). Die Stärke des Panzers zum Schutz der schweren und mittleren Artillerie ist der Bedeutung[421] und dem Gefechtswert der einzelnen Geschütze angepaßt und es gilt im allgemeinen der Grundsatz, jedes schwere und mittlere Geschütz durch einen kalibermäßigen Panzer, d.h. mit einer Panzerstärke gleich der Kaliberstärke, zu schützen. Die leichte Artillerie erhält keinen vertikalen Panzerschutz; sie lieht entweder ganz frei oder erhält nur leichte Schutzschilde an den Lafetten. Das Streben, die gepanzerten Flächen zum Schutz der Artillerie einzuschränken sowie die gegenseitige Beeinflussung der Geschütze beim Feuern durch den Druck der Pulvergase nach Möglichkeit zu vermeiden und zugleich eine einheitliche Gefechtsleitung zu ermöglichen, haben dazu geführt, die Mittelartillerie zwischen den beiden Türmen der schweren Geschütze aufzustellen. Bei Linienschiffen und großen Kreuzern werden daher die 4 schweren Geschütze in zwei gepanzerten Drehtürmen auf etwa ein Viertel der Schiffslänge von den Steven entfernt aufgeteilt in einer Höhenlage der Geschützmündungen von 8–9 m über Wasser. Zwischen diesen beiden Haupttürmen findet dann die Mittelartillerie in gepanzerten Kasematten oder Türmen Platz in zwei Decks übereinander, und zwar die Türme im oberen Deck. Die leichte Artillerie wird auf die ganze Schiffslänge ziemlich gleichmäßig verteilt, teils unter Deck an den Schiffsenden, teils auf den oberen Decks, den Aufbauten und Brücken sowie in den Gefechtsmarsen; sie erhalten möglichst großen Bestreichungswinkel [2], [4], [5].

Verschieden ist in der Hauptsache noch die Aufstellungsart und der Panzerschutz der Mittelartillerie. Während England, die Vereinigten Staaten und Deutschland die zentrale Kasematte mit Splitterschotten bevorzugen, verwenden Frankreich, Italien und Rußland vorzugsweise Drehtürme für 1 oder 2 Geschütze. Auch tritt in England und Amerika das Streben auf, die Mittelartillerie weiter zu gliedern in 23-cm- und 15-cm-Geschütze – England – oder in 20,3-cm- und 17-cm-Geschütze – Nordamerika –. Von besonderer Bedeutung für die Schnellfeuerkanonen der Mittelartillerie ist ein bequemer und geschützter Munitionstransport, der bei Anordnung einer zentralen Kasematte am leichterten durchzuführen ist und zugleich einen bequemen Munitionsaustausch gestattet. Bei Einzelausstellung in Kasematten und Türmen sind besondere Munitionsgänge mit direkten Aufzügen zu den Geschützen nicht zu vermeiden.

Infolge der Erhöhung der Torpedoschußweiten auf 2000 bis 3000 m sowie im besonderen durch die japanischen Erfolge im[422] Fernschießen angeregt, hat sich in allen Kriegsmarinen eine Umgestaltung der Linienschiffsarmierungen angebahnt. Das Streben, die Schußentfernungen zu vergrößern, um möglichst frühzeitig eine Feuerüberlegenheit zu erzielen, hat zu einer Vermehrung der schweren Geschütze von 4 auf 10–12 Stück geführt. England hat bereits im Jahre 1905 das Linienschiff »Dreadnought« von 18000 t Deplacement mit 10 Stück 30,5 cm-Geschützen in Doppeltürmen unter gänzlichem Fortfall der Mittelartillerie auf Stapel gesetzt, nachdem es bereits 1904 beim Bau der Linienschiffe »Lord Nelson« und »Agamemnon« die bisherige Mittelartillerie von 4 Stück 23,4-cm- und 10 Stück 15-cm-Schnellfeuerkanonen auf 10 Stück 23,4-cm-Schnellfeuerkanonen erhöht hatte. Auch in Frankreich, den Vereinigten Staaten und Deutschland hat die projektierte Verstärkung der schweren Artillerie der Zahl nach bei teilweiser Aufgabe der Mittelartillerie zu weiteren Deplacementssteigerungen geführt. Durch die Aufstellung der schweren Geschütze in Doppeltürmen auf Oberdeck ergibt sich durchweg eine große Feuerhöhe über Wasser, während bei Aufstellung der leichten Artillerie im Batteriedeck ein Panzerschutz für Antitorpedobootsgeschütze erzielt werden kann.

Auch für die Panzerkreuzer treten bereits die Vorteile schwererer Geschütze von genügender Wirkung auf weite Entfernungen mehr und mehr in den Vordergrund und haben zum teilweisen oder gänzlichen Ersatz der 15-cm-Schnellfeuerkanonen durch die 19–25-cm-Schnellfeuerkanonen geführt, so daß auch für diesen Kriegsschiffstyp auf die schnellfeuernde Mittelartillerie verzichtet wird. »Warrior«- und »Minotaur« -Klasse (England), »S. Giorgio« (Italien) [4].

Für die kleinen Kreuzer fällt sowohl die schwere und mittlere Artillerie als auch der vertikale Panzerschutz fort. Die Armierung besteht aus 15–10,5-cm- und leichteren Geschützen, der Panzerschutz beschränkt sich auf ein leichtes Panzerdeck. Die Armierung der Kanonenboote sowie der sonstigen Kriegsfahrzeuge steht an Zahl und Kaliberstärke der Geschütze den kleinen Kreuzern wesentlich nach.


Literatur: [1] Canon, Croneau, Torpilles et Cuirasse, Paris 1904. – [2] Ueber den artilleristischen Gefechtswert von Schiffen, Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens, Pola 1896. – [3] Brassay, The naval annual, Portsmouth 1890–1905. – [4] Nauticus, Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen 1902–05. – [5] Schwarz, Tjard, Das Linienschiff einst und jetzt, Berlin 1903.

T. Schwarz.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
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Fig. 4.
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Fig. 5.
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Fig. 6.
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http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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