Ceresin [1]

Ceresin [1]

Ceresin, ein aus dem Erdwachs oder Ozokerit dargestelltes Produkt, das[433] anfänglich nur zur Erhöhung des Schmelzpunktes weicher Paraffinsorten benutzt wurde, gegenwärtig aber in der Wachswarenfabrikation und Kerzenindustrie eine große Bedeutung erlangt hat.

Das rohe Erdwachs oder Ozokerit findet sich, Spaltungen und Höhlungen ausfüllend, in der Nähe größerer Kohlenlager und Salzmassen oder unter mit Bitumen durchsetztem Sandstein. Es muß regelrecht erbohrt werden, erfordert bergmännische Gewinnung und findet sich in allen Erdteilen; doch scheint es nur in Galizien und im Kaukasus in größeren Mengen vorhanden zu sein. In ersterem Lande sind als Hauptfundorte Boryslav, Drohobycz, Starunia und Soloswina zu bezeichnen. Das meiste Erdwachs wird in Boryslav gewonnen. Das geförderte Erdwachs ist meist noch kein Handelsprodukt, sondern muß zuvor von dem anhaftenden Schmutze befreit werden. Behufs dessen werden die größeren Stücke ausgesucht, die kleineren durch eine Art Schlämmen von Schutt und Erde getrennt. Diese Verunreinigungen, denen man den Namen »Waschlep« beigelegt hat, enthalten noch 2–3% Wachs und werden deshalb an vielen Orten einer Extraktion unterworfen. Man schmilzt das ausgesuchte und das durch Waschen gereinigte Wachs in einem eisernen Kessel über wenig Wasser und läßt es absetzen. Das reine Erdwachs wird dann abgeschöpft und in zuckerhutähnliche Formen gegossen, die zuvor mit Kalkmilch bestrichen werden, um ein Anhaften zu vermeiden. Der im Kessel verbleibende Rückstand enthält bis zu 15% Wachs und wird in der Regel zusammen mit dem Waschlep der Extraktion unterworfen. – Die so gewonnenen Ozokeritblöcke bilden die eigentliche Handelsware, deren Preis sich nach der Höhe des Schmelzpunktes und nach der mehr oder weniger lichten Farbe richtet. Gewöhnlich stellt der Ozokerit eine halbfette Masse von 54–78° C. Schmelzpunkt dar, deren Konsistenz an weiches Bienenwachs erinnert. Er hat einen eigentümlich bituminösen Geruch und eine Farbe, die von dunkelgrün bis blauschwarz variieren kann. Angebrochen soll ein Wachsblock einen muscheligen Bruch zeigen, wenngleich das Erdwachs bei längerem Kneten plastisch wird und erweicht. Schneidet man es mit einem Messer, so darf die Schnittfläche nicht käseartig aussehen, sondern die Masse soll am Messer haften bleiben. – Häufig wird ein Produkt, das zwischen Erdwachs und Petroleum steht, der sogenannte Cinderball, zur Verfälschung der besseren Sorten Ozokerit benutzt, ein Betrug, den man nur durch eine genaue Schmelzpunktbestimmung feststellen kann. Bisweilen zeigt auch ein Block von rohem Erdwachs an der Oberfläche ein solches Aussehen, daß man es als erste Qualität bezeichnen muß; zerschlägt man jedoch einen solchen Block, so findet man, daß das Innere desselben von ganz andrer Beschaffenheit ist und aus Cinderball, vermischt mit Ton u.s.w. besteht. Diese Ware wird in der Weise hergestellt, daß man die Formen mit prima Ozokerit ungefähr bis zu einem Drittel der Höhe füllt und umschwenkt, damit eine oberfächliche Erstarrung (Krustenbildung) eintritt. Hierauf wird die Ware aus geringerer Qualität eingegossen und zum Schluß nochmals ein Aufguß von gutem Erdwachs gemacht. Ein gutes Probenehmen ist natürlich bei derartigen Produkten von Wichtigkeit.

Seiner chemischen Zusammensetzung nach ist das Erdwachs, ebenso wie Petroleum und Paraffin, ein Gemenge der verschiedensten Kohlenwasserstoffe; es besteht durchschnittlich aus 15% Wasserstoff und 85% Kohlenstoff. In den Ceresinfabriken wird zur Untersuchung des Ozokerits meist folgende Methode von B. Lach [2] angewendet: In einer karierten Schale werden 100 oder 200 g Erdwachs langsam geschmolzen und unter fortwährendem Umrühren bis auf 150°C. erhitzt. Durch Zurückwägen erhält man den Gehalt an flüchtigen Substanzen (Benzin, Wasser u.s.w.). Jetzt werden 10%, 15% oder 20% rauchender Schwefelsäure (je nachdem in der betreffenden Fabrik gearbeitet wird) eingerührt und die Masse so lange in tüchtiger Bewegung gehalten, bis keine Spuren schwefliger Säure mehr entweichen. In die heiße Masse werden nun 10 oder mehr Prozent ihres Gewichtes Entfärbungspulver gerührt. Dasselbe muß zuvor bei 120°C. getrocknet werden, da sonst ein Uebersteigen infolge Verdampfung des darin enthaltenen Wassers eintritt. Nun läßt man die gesamte Masse erkalten, zerkleinert sie, wägt ca. 15 g ab und extrahiert diese Menge in einem Soxlethschen Extraktionsapparate mit einem Benzin, dessen Siedepunkt bei ungefähr 80° C. liegt. Durch Abtreiben des Lösungsmittels erhält man dann das gebleichte Ceresin, aus dessen Gewicht man die Gesamtausbeute berechnen kann.

Das Erdwachs wurde ursprünglich nur auf Paraffin verarbeitet; erst 1873 fing man an, daraus Ceresin herzustellen. Um aus Erdwachs Paraffin zu gewinnen, muß es der Destillation unterworfen werden, während zur Herstellung von Ceresin nur eine Reinigung mit Schwefelsäure und Entfärbungspulver erforderlich ist. Das Verfahren besteht in folgendem: Nachdem das Erdwachs in geräumigen Eisenkesseln geschmolzen, wird bei einer Temperatur, die ca. 10° höher als der Schmelzpunkt des Materials ist, Schwefelsäure unter stetem Umrühren zugegeben. Da die Kessel direkte Feuerung haben, ist es gut, die nötigen Vorsichtsmaßregeln gegen Feuersgefahr zu beobachten [3]. Die Menge der angewendeten Säure richtet sich nach der Beschaffenheit der zu verarbeitenden Ware und schwankt zwischen 10 und 20%. Die Wirkung der Säure ist eine zweifache: einmal bildet sie mit den im Ozokerit enthaltenen organischen Verbindungen Sulfosäuren, und zweitens wirkt sie auf die Brandharze oxydierend. Die geringsten Spuren Wasser beeinträchtigen natürlich die Wirkung der Schwefelsäure. Die Einwirkung der Schwefelsäure, die in der Regel 6–8 Stunden dauert, kann so lange fortgesetzt werden, bis keine schweflige Säure mehr entweicht, oder man kann den Kessel schon vorher der Ruhe überlassen. Der sogenannte Asphalt, bestehend aus Sulfosäuren, Brandharzen u.s.w., hat sich dann am Boden in zusammengeballten Klumpen ausgeschieden, und kann das darüber stehende halbgereinigte Wachs durch Abschöpfen von demselben getrennt werden. Ob man zu dieser Säuerung Schwefelsäure von 66° Bé oder rauchende verwendet, hängt lediglich von der Güte des Rohmaterials ab. Je mehr Säure, desto geringer die Ausbeute, aber um so besser das[434] erhaltene Ceresin. Das nach dem Säuern resultierende Produkt ist von hellroter Farbe, die man durch Aufkochen mit Sodalösung behufs Entfernung der letzten Säurespuren noch heller erhalten kann. Um weißes Ceresin zu erhalten, muß man das von der Säure abgeschöpfte Wachs mit Entfärbungspulver, das aus den Rückständen der Blutlaugenschmelze gewonnen wird, behandeln. Das Pulver wird in Mengen von 10–25% in das auf 120° C. erhitzte halbgereinigte Ceresin nach und nach eingetragen. Hierauf läßt man absetzen, schöpft dann das Ceresin oben ab und filtriert durch Papier oder Filz. Häufig wird das Erdwachs vor der Reinigung einer Extraktion unterworfen, und zwar dann, wenn es mit Ton verunreinigt ist. Auf diese Weise erzielt man eine bedeutend hellere Farbe desselben, da der Ton entfärbend wirkt. Das so gewonnene Rohwachs bedarf zur Reinigung bedeutend weniger Schwefelsäure als durch Ausschmelzen erhaltenes. – Sehr beachtenswerte Beiträge zur Ceresinfabrikation veröffentlichte Edgar v. Boyen [3]. – Friedr. Redl [4] hat ein Verfahren zur Reinigung des Ozokerits empfohlen, das die Schwefelsäure ganz umgeht: er behandelt geschmolzenes Erdwachs mit der dreifachen Gewichtsmenge Tierkohle bei bestimmter Temperatur 6 Stunden und extrahiert die Masse dann in geeigneten Extraktionsapparaten mit Benzin. Das so erhaltene schneeweiße Produkt ist als Kerzenmaterial unbrauchbar, weil es noch viel schweres Oel enthält. Ein ähnliches Verfahren ist auch von, H. Ujhely [5] angegeben.

Reines Ceresin hat mit dem Bienenwachs große Aehnlichkeit; sein spez. Gew. ist aber bedeutend niedriger und schwankt von 0,915 bis 0,925, während Bienenwachs eine Dichte von 0,963 bis 0,970 hat. Es kommt in mehreren Sorten auf den Markt, die nach ihrer Farbe unterschieden werden. Vollkommen weißes Ceresin dient als Ersatz für gebleichtes Bienenwachs, während als Surrogat für Naturbienenwachs das Ceresin mit Curcuma oder Teerfarbstoffen gefärbt wird. Der Billigkeit halber setzt man dem Ceresin häufig Harz (Kolophonium) zu, das sich mit demselben in allen Verhältnissen mischt und für gewisse Zwecke von keinem Nachteile ist. Steigt der Harzgehalt bis zu 50%, so wird das Gemisch hart und der Harzgeruch tritt deutlich hervor. Die Menge einer solchen Beimischung läßt sich durch die Verseifbarkeit des Harzes ermitteln. Paraffin und Ceresin unterscheiden sich in ihrer chemischen Zusammensetzung nicht, indem beide Gemenge von Kohlenwasserstoffen sind. Physikalisch sind sie insofern verschieden, als der Schmelzpunkt des Paraffins um 10–20° niedriger liegt und das Aussehen des Ceresins amorph, undurchsichtig, am Bruche muschelig ist, während Paraffin blätterig, kristallinisch, alabasterartig und durchscheinend ist. Die Verwendung des Ceresins ist eine äußern mannigfaltige; seine Hauptverwendung ist aber als Ersatz und zur Fälschung von Bienenwachs. Ferner wird es benutzt zu Glanzwachs, Fußbodenwachs, Nähwachs, Bettwachs, Schuhmacherwachs, für farbige Bleistifte, in der Wäschemanufaktur u.s.w. Seine große Plastizität hat weiter bewirkt, daß es als Matrizenmasse Verwendung findet; in ihm ist dem Guttapercha ein gefährlicher Konkurrent entstanden, da es viel geschmeidiger ist als dieses und die Umrisse und Zeichnungen mit ungemeiner Schärfe wiedergibt. – Gut brennende Kerzen aus Ceresin herzustellen, hielt man lange Zeit für unmöglich, da dieselben mit rußender Flamme brannten. Durch Beizen; des Dochtes mit oxydierenden Substanzen, wie Salpeter, wird jedoch der Uebelstand größtenteils beseitigt, und heute sind die Ceresinkerzen, die in der Regel 80–90% Ceresin, das übrige Stearin enthalten, sehr beliebt. – Die Bienenzüchter suchten das Ceresin für ihre Zwecke nutzbar zu machen, indem sie Waben aus demselben herstellten; die Bienen ließen sich jedoch nicht bewegen, den Honig in diese Zellen abzugeben, und erst als man darauf kam, durch Zusammenschmelzen von Honig mit Ceresin dem letzteren den Bienenwachsgeruch zu erteilen, konnten selbst die Bienen ihr eignes Produkt von dem künstlichen nicht mehr unterscheiden. – Hauptfabrikationsorte sind Stockerau bei Wien und Frankfurt a. O. – Näheres in [1].


Literatur: [1] Perutz, Die Industrie der Mineralöle, Wien 1879. – [2] Lach, Die Feuergefährlichkeit der Ceresinfabrikation, Seifenfabrikant 1893, S. 628. – [3] Zeitschr. f. angew. Chemie 1893, S. 414, 448, 581, 601. – [4] Hübners Zeitschr. 1879, S. 57. – [5] Chem.-Ztg. 1880, S. 5.

Deite.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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