Bewässerung des Bodens

Bewässerung des Bodens

Bewässerung des Bodens bezweckt die Beförderung des Pflanzenwachstums durch Zuführung von Feuchtigkeit oder von Düngerstoffen – anfeuchtende Bewässerung oder düngende Bewässerung. Im einzelnen werden folgende Wirkungen des zur Bewässerung verwendeten Wassers unterschieden:

1. die anfeuchtende: die Pflanze bedarf des Wassers zum Aufbau ihres Körpers; aus Kohlensäure und Wasser wird auf dem Wege der chemischen Reduktion durch das Chlorophyllorgan unter Mitwirkung des Sonnenlichtes die neue organische Substanz erzeugt; außerdem bildet Wasser als solches einen konstituierenden Bestandteil des Pflanzenleibes (einzelne Pflanzen, z.B. die Rüben, enthalten bis zu 90% Wasser) und ist der Vermittler sämtlicher Lebensvorgänge in den Organismen, namentlich auch des Transpirationsprozesses;

2. die düngende: außer der durch das Wasser als solches gebotenen Nahrung werden durch die Bewässerung dem Boden und der Pflanze die durch das Wasser mitgeführten fremden Bestandteile übermittelt, die meistenteils die Eigenschaft von Düngerstoffen besitzen; auf diese Weise ist es bei entsprechender Beschaffenheit und Menge des Wässerungswassers möglich, auf Wiesen anhaltend reiche Grasernten ohne jede anderweitige Düngung zu erzielen;

3. die auflösende: neue Stoffe können von der Pflanze nur in flüssiger (tropfbar- oder elastisch-flüssiger) Form aufgenommen werden; die Aufgabe der Lösung der im Boden in fester Form enthaltenen Nährstoffe fällt dem Wasser zu, dessen Wirkung durch die Bodengase unterstützt wird;

4. die schützende: die schädlichen Wirkungen der Frühjahrsfröste können durch geeignete Bewässerung abgehalten werden, indem durch das den Boden bedeckende Wasser die nächtliche Wärmeausstrahlung vermindert wird; ebenso kann, wenn Frost das unbewässerte Gras getroffen hat, durch Bewässerung am frühen Morgen ein allmählicher Uebergang von der Kälte zur Sonnenwärme bewerkstelligt und dadurch die gefährliche Wirkung eines raschen Auftauens der gefrorenen Pflanzen verhindert werden;

5. die zerstörende: in günstigem Sinne kommt diese Wirkung zur Geltung, wenn aus sumpfigem, insbesondere moorigem Boden Humussäuren und lösliche Eilen- und Mangansalze, die das Wachstum der Süßgräser schädigen, durch geeignete Bewässerung aufgelöst und fortgeführt werden (das sogenannte Süßwässern des Bodens); ebenso kann Heidekraut, Moos und andres Unkraut trockener Wiesen durch kräftige Berieselung (namentlich zur Winterszeit unter Bildung einer Eisdecke) vertilgt und dadurch für gute, Gräser Raum geschaffen werden.

Den vorgenannten Bewässerungszwecken entsprechend ist auch der Betrieb der Wässerung einzurichten. Bei ihm kommt es ebensowohl auf die richtige Auswahl der Wässerungszeit wie auf die passende Bemessung der Wassermenge an. Grundsatz für jede richtig geleitete Bewässerung muß sein, diese nicht anhaltend längere Zeit hindurch zu betreiben, sondern in kürzeren Perioden abwechselnd das Grundstück zu bewässern und wieder trocken zu legen. Denn durch übermäßiges Bewässern wird der Boden ausgekältet und versumpft und das Pflanzenwachstum geschädigt. Darum muß auch jede richtig angelegte Bewässerungseinrichtung zugleich die Möglichkeit einer vollständigen und möglichst raschen Entwässerung des Bodens gewähren, um in den Zeitabschnitten zwischen der Bewässerung den Zutritt von Wärme und Luft zu ermöglichen.

1. Anfeuchtende Bewässerung ist überall da notwendig, wo die Niederschläge nicht ausreichen, um das Wasserbedürfnis der Pflanzenwelt zu befriedigen. Dies findet vornehmlich in den heißen Ländern statt, wo die zeitliche Verteilung der Niederschläge eine für die Vegetation sehr ungünstige ist (so beträgt in Algier die Niederschlagshöhe in den Monaten Juni bis August nur 20 mm oder 1/45 des Jahresniederschlages), während gleichzeitig der Wasserverbrauch der Pflanzen infolge hoher Temperatur und steter Verdunstungstätigkeit eine bedeutende Höhe erreicht. In diesen Ländern bildet deshalb die künstliche Bewässerung des Bodens die notwendige Vorbedingung beinahe jeglicher Pflanzenkultur, wogegen in der gemäßigten Zone eine künstliche Anfeuchtung nur ausnahmsweise zu gewissen Zeiten und bei bestimmten Kulturen, insbesondere der Wiesenkultur, zum Bedürfnis wird. Das Bewässerungswesen erreichte deshalb bei den südlichen Kulturvölkern schon in den ältesten Zeiten eine hohe Stufe der Ausbildung und der Zerfall desselben bedeutete regelmäßig auch den Niedergang der Kultur. So finden sich zahlreiche Spuren großartiger, in die frühesten Zeiten zurückreichender Bewässerungsanlagen in Aegypten [38], die dazu dienten, das Wasser des Nils in mächtigen, durch Erddämme[755] gebildeten Reservoiren aufzuspeichern und mittels eines über das Land verzweigten Kanalnetzes der Bodenkultur dienstbar zu machen; ebensolche Ueberreste sowie geschichtliche Ueberlieferungen geben Zeugnis von der großen Ausdehnung und hohen Entwicklung dieses Kulturmittels in Indien, Assyrien, Arabien, Syrien, Palästina u.s.w.; in China bilden die uralten Bewässerungsanlagen noch heute die Grundlage eines hochentwickelten Pflanzenbaus; in Spanien, Algier, Frankreich und Italien, ebenso in Aegypten und Indien erfahren die zum Teil den ältesten Zeiten entflammenden Bewässerungsanlagen neuerdings Rekonstruktionen und Erweiterungen zur Wiederbelebung und Ausdehnung der Bodenkultur; größere Bewässerungsanlagen wurden in der neuesten Zeit in den Staaten Colorado und Kalifornien ausgeführt. Der Bewässerung werden sämtliche Kulturgewächse unterzogen, so Zuckerrohr, Drogen, Indigo, Orangen, Baumwolle, Tabak, Getreide, Hülsenfrüchte, Hanf, Lein, Mais, Oelsaaten, Reis, Luzerne, Gemüse, Reben u.a. – Demgegenüber besteht in den Ländern der gemäßigten Zone ein Bedürfnis nach künstlicher Anfeuchtung des Bodens im allgemeinen nur bei der Wiesenkultur in den Sommermonaten, um den Ertrag der zweiten Grasernte (Grummet oder Oehmd) zu sichern, wogegen eine Bewässerung des Ackerlandes nur unter besonderen Verhältnissen geboten ist. Während die Sommerbewässerung der Wiesen überall in Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien u.a.O. üblich ist, findet eine Bewässerung des Ackerfeldes nur in den wärmeren Teilen der gemäßigten Zone von Europa, so in Oberitalien [26], im mittäglichen Frankreich und im nördlichen Spanien statt; sie erstreckt sich auf Reis, Lein, Mais, Luzerne, Getreide, Gemüse, Reben u.a. – Die Wassergewinnung erfolgt durch Entnahme aus Flüssen und Bächen oder durch Benutzung von Quellen und erfordert je nach Umständen die Herstellung von Stauwerken, Schleusen, Kanälen u. dergl.; liegt der Spiegel des zu benutzenden Gewässers zu tief und kann er nicht durch Anstauung genügend erhöht werden, so wird künstliche Hebung des Wassers durch Schöpfwerke erforderlich, um solches den zu bewässernden Flächen zubringen zu können. Eine Vermehrung der zu benutzenden Wassermenge kann durch Anlagen zur Aufspeicherung des Wassers (Talsperren, Stauweiher, Sammelweiher) erzielt werden; derartige Anlagen sind vielerorts Bedürfnis, weil die fließenden Gewässer meistenteils gerade in der Zeit des größten Bedarfs im Hochsommer ihre kleinsten Wasserstände zu führen pflegen und den in der neueren Zeit überall sich steigernden Ansprüchen der landwirtschaftlichen und gewerblichen Wasserbenutzung nicht mehr zu genügen vermögen; eine Ausnahme hiervon machen nur diejenigen Gewässer, die, aus dem Hochgebirge kommend, im Sommer durch die Schneeschmelze gespeist werden, wie z.B. die Nebenflüsse des Po in der reichbewässerten oberitalienischen Ebene [27].

Der Wasserbedarf der anfeuchtenden Bewässerung ist wesentlich verschieden von demjenigen der düngenden Bewässerung. Da bei jener es sich nur um die Gewährung des zur Entwicklung der Pflanzen nötigen Vegetationswassers und nicht zugleich um die Zuführung von Dungstoffen handelt – die Düngung des Bodens muß im letzteren Falle durch Zuführung eigentlicher Dungmittel erfolgen –, so kann bei der bloß anfeuchtenden Bewässerung schon mit verhältnismäßig kleinen Wassermengen ein vollständiger Erfolg erzielt werden. – Am wenigsten Wasser beanspruchen die Getreidearten mit ihrer durch geringe Blattentwicklung bedingten schwachen Verdunstung des Vegetationswassers, weshalb eine regelmäßige Bewässerung derselben selbst in südlichen Ländern nur selten notwendig wird. Mais und Lein erfordern schon mehr Feuchtigkeit und werden deshalb in wärmeren Ländern regelmäßig von Zeit zu Zeit bewässert. In weit höherem Maße bedarf der Bewässerung der Reis, der den Charakter einer Sumpfpflanze hat und nur bei beständiger Anfeuchtung zu gedeihen vermag. Die Bewässerung erfolgt stets durch Ueberstauen der ganzen Reisfelder, die zu diesem Zweck, wo nicht die natürliche Terrainbildung dies entbehrlich macht, mit niedrigen horizontalen Dämmen in Staubeete eingeteilt werden, deren Sohle 20–30 cm hoch mit Wasser überdeckt wird. Ein vorübergehendes Ablassen desselben findet während der Entwicklung der Pflanzen, die in der Zeit vom April bis September erfolgt, nur selten statt. Da auf diese Weise sich aus dem stagnierenden Wasser üble Ausdünstungen bilden müssen, ist die Reiskultur mit Gefahren für die Gesundheit der in der Nähe der Reisfelder wohnenden Menschen verbunden. Aus diesem Grunde war in früherer Zeit der Reisbau in Italien wiederholt verboten worden; neuerdings ist durch Gesetz die für Reisfelder einzuhaltende Entfernung von den Städten festgesetzt (zwischen 1200 und 5000 m, je nach der Größe der Stadt). Luzerne, die in Algier vom April bis September sechs Schnitte ergibt, wird nach jedem Schnitt ein- bis zweimal (im ganzen zehnmal) mit einem Wasserquantum von je 400 cbm pro Hektar bewässert; im südlichen Spanien erhält diese Pflanze nach je 8–10 Tagen eine Bewässerung mit 500–700 cbm pro Hektar, im südlichen Frankreich alle 7 Tage eine solche von 600 cbm pro Hektar. Baumwolle, Lein, Sesam u.a. erhalten in Algier vom Mai bis September 10 Bewässerungen mit je 640 cbm pro Hektar, Orangen 12 Bewässerungen mit je 400 cbm, Tabak von April bis Juli 4 Bewässerungen mit je 530 cbm pro Hektar. Der Weinstock erfährt in Algier und Spanien während der dreimonatlichen Dürreperiode eine viermalige, in Südfrankreich eine zweimalige Bewässerung mit je 1200 cbm pro Hektar. Im gleichen Maße werden in Südfrankreich Cerealien und Kartoffeln bewässert, während diese in Spanien alle 30 bezw. 21 Tage je 500–700 cbm pro Hektar erhalten. Gemüsepflanzungen erfordern in Algier während 6 Sommermonaten wöchentlich 1–2, im ganzen 36 Bewässerungen mit je 400 cbm pro Hektar, in Südfrankreich dagegen die 21/2fache Wassermenge. Nähere Angaben hierüber in [1]. Für die anfeuchtende Bewässerung der Wiesen wird ein sekundlicher Zufluß von 0,8–1,4 l, im Durchschnitt 1 l auf das Hektar gerechnet. So z.B. vermag bei den berühmten oberitalienischen Bewässerungsanlagen der Muzzakanal für eine zu bewässernde Fläche von 74000 ha eine sekundliche Zuflußmenge von 61 cbm oder pro Hektar 0,82 l, der (1862–1870 erbaute) Cavourkanal für 120000 ha 110 cbm oder pro Hektar 0,9 l, der Kanal Rotto auf das Hektar 1,4 l beizuleiten [27]. Eine derartige Zuflußmenge wird jedoch den Wiesen nicht etwa ständig während der ganzen vom April bis zum September reichenden[756] Wässerungszeit gewährt; dieselbe wäre an sich zu gering, um bei der Ueberrieselung wirksam sein zu können, während anderseits eine ständige Bewässerung den Wiesen nicht zuträglich wäre. Vielmehr wird jedes Grundstück jeweils in kürzeren Zeitabschnitten mit einer größeren Zuflußmenge bedacht, die gesamte Fläche somit in aufeinander folgenden Abteilungen durchgewässert; und zwar erhält in Oberitalien jede Fläche in der Woche einen Tag lang einen sekundlichen Zufluß von 7 l pro Hektar. Eine einmalige 24stündige Anfeuchtung erfordert somit pro Hektar einen Wasserbedarf von 600 cbm; die gesamte Wassermenge, die einem Grundstück bei 26maliger Bewässerung während der sechsmonatigen Wässerungszeit zwischen April und September zukommt, beträgt demnach 15600 cbm und die sogenannte Stauhöhe (d.h. die ideelle Höhe der angesammelten Wasserschicht) ist 1,56 m. Bei geringen Zuflüssen, z.B. wo nur Quellen zur Verfügung stehen, sinkt dieses Maß bis auf die Hälfte herab. Nach Fecht [44] soll in den Vogesen zur anfeuchtenden Bewässerung der Wiesen schon ein jährliches Wasserquantum von durchschnittlich 8000 cbm pro Hektar (Stauhöhe = 0,8 m) genügen, wovon auf die Frühjahrs- und Sommerwässerung je 2000 cbm, auf die Herbstwässerung 4000 cbm entfallen.

2. Düngende Bewässerung findet nur Anwendung bei den Wiesen und bezweckt vornehmlich den Ersatz der durch die Grasernten dem Boden entzogenen Nährstoffe. Sie kann als ein absolutes Bedürfnis der Wiesenkultur nicht bezeichnet werden, da es ebensowohl möglich ist, durch eigentliche Dungmittel (Stalldung, Kompost, künstliche Dünger) die dauernde Ertragsfähigkeit des Wiesbodens zu sichern, wenn nur für die nötige Bodenfeuchtigkeit in der trockenen Jahreszeit durch eine anfeuchtende Bewässerung gesorgt wird. Wo aber die düngende Bewässerung der Wiesen möglich ist, bietet sie dem Landwirt durch die damit verbundene Düngerersparnis einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil, der den mit der Einrichtung der Bewässerungsanlagen verbundenen Kostenaufwand meistens lohnt. Wassermenge und Wässerungszeit erlangen hierbei größere Ausdehnung als bei der bloß anfeuchtenden Bewässerung. Insbesondere müssen in Anbetracht des Düngungszweckes erheblich größere Wassermengen zur Verwendung gelangen, wenn der Nährstoffersatz des Wiesbodens beim Mangel anderweitiger Dungzufuhr in genügendem Maße bezweckt werden soll, da die Menge der im fließenden Wasser enthaltenen Düngerstoffe eine verhältnismäßig geringe ist. Die Wässerungszeit dehnt sich über das ganze Jahr aus, wobei nur im Winter eine Einschränkung eintritt. Da nämlich durch die Winterwässerung leicht Frostbeschädigung für die Graspflanzen entsteht, empfiehlt es sich, während der Frostperiode die Bewässerung einzustellen und die Wiesen vollständig trocken zu legen. Eine Ausnahme findet statt, wo es sich um die Vertilgung von Unkraut handelt (s. oben), sonst aber ist Winterwässerung jedenfalls nur dann statthaft, wenn durch vollständige Ueberstauung der Wiesen oder durch ununterbrochenes, sehr kräftiges Rieseln der Eisbildung vorgebeugt werden kann. Von günstigem Erfolge ist die Winterwässerung insbesondere beim Vorhandensein von Quellen, durch deren höhere Temperatur die Bodenwärme erhalten und das Wachstum im Frühjahr beschleunigt wird. Zur Bereicherung des Bodens mit Düngerstoffen dient hauptsächlich die Herbstwässerung, die nach Aberntung der Wiesen und nach geschehener Reinigung und Ausbesserung der Gräben, Schleusen u.s.w. im September beginnt und bis zum Eintritt anhaltenden Frostes fortgesetzt wird. Regel ist hierbei, möglichst stark zu wässern, jedoch alle 8–14 Tage umzustellen und die bewässerte Fläche trocken zu legen. Es darf angenommen werden, daß bei mittelgutem Wasser und nicht spärlicher Aufleitung desselben eine Bewässerungszeit von insgesamt 30 Tagen für jedes einzelne Grundstück genügt, um den Erfolg der düngenden Herbstbewässerung zu sichern. Die Frühjahrsbewässerung bezweckt zugleich den Schutz der Pflanzen vor Kälte sowie die Erhöhung der Bodentemperatur und erfordert große Vorsicht, um nicht Schaden anzurichten. Sie beginnt nach dem Auftauen des Bodenfrostes frühestens im März und soll im Mai, wenn das Gras herangewachsen ist, zeitig aufhören. Regel ist, die Wässerung in kurzen Perioden und nur dann auszuüben, wenn die Temperatur des Wässerungswassers höher ist als die der Luft; deshalb wässere man vorwiegend bei Nacht, sonst nur an rauhen Tagen und bei bewölktem Himmel, nicht aber bei Sonnenschein, und vermeide jedenfalls die Verwendung von Schneewasser. Die Sommerwässerung dient wesentlich zur Anfeuchtung des Bodens in der trockenen Jahreszeit, um dem starken Wasserbedürfnis des heranwachsenden Oehmdgrases zu entsprechen. In vielen Fällen ist der günstige Ertrag des zweiten Schnittes (Oehmd oder Grummet) durch die Möglichkeit einer Sommerwässerung bedingt. Die Verwendung großer Wassermengen verbietet sich hierbei in der Regel schon durch den niedrigen Sommerwasserstand der fließenden Gewässer. Die Bewässerung geschieht während des Juli und August in kurzen Zeitabschnitten mit öfterem Abstellen und wird mit dem Heranwachsen des Oehmdgrases und beim Eintritt kühler, taureicherer Nächte geschlossen.

Die düngende Bewässerung wird um so besseren Erfolg haben, je größer der Gehalt des Wassers an den für die Pflanzenernährung wichtigen Mineralsalzen und an sonstigen düngerartigen Beimengungen ist. Dabei kommen ebensowohl die im Wasser suspendierten als die im gelösten Zustand in ihm enthaltenen Pflanzennährstoffe in Betracht, da nach angestellten Untersuchungen – s. insbesondere [32] – die einen wie die andern bei der Bodenbewässerung für den Graswuchs nutzbar gemacht werden. Als für den Bewässerungszweck besonders geeignet haben sich die aus der Urgebirgsformation kommenden Gewässer (z.B. im badischen Schwarzwald) erwiesen, während die den Sandsteinformationen entstammenden arm an Pflanzennährstoffen sind; dazwischen stehen die Wässer der Kalkformationen. An suspendierten Dungstoffen besonders reich sind die Abflüsse aus Städten und Dörfern, von gedüngten Feldern, aus gewissen industriellen Betrieben u. dergl. Zur Bewässerung nicht verwendbar sind Abwasser mit schädlichen Beimengungen. Als äußeres Kennzeichen für die Beurteilung der Tauglichkeit eines fließenden Wassers zur Bodenbewässerung gilt der am Wasserlauf sich findende Pflanzenwuchs: auf ein gutes Wasser lassen schließen Nasturtium officinale, Veronica Beccabunga, Glyceria aquatica u.a., wogegen Arundo Phragmites, Juncus, Carex ein schlechtes Rieselwasser anzeigen.

[757] Ueber den Wasserbedarf der düngenden Bewässerung gehen die Ansichten ziemlich weit auseinander. Die große Verschiedenheit der vorhandenen Angaben mag vornehmlich daher rühren, daß der Bedarf naturgemäß in weiten Grenzen schwankt, je nach der Güte des Wassers und nach der Beschaffenheit des Bodens. In letzterer Hinsicht kommt wesentlich die größere oder geringere Durchlässigkeit in Betracht. Kiesige oder sandige Böden verbrauchen schon infolge ihrer mechanischen Konstitution größere Wassermengen, abgesehen davon, daß die tonigen Bodenarten durch ihr stärkeres Absorptionsvermögen für Pflanzennährstoffe den Düngergehalt des Rieselwassers besser ausnutzen. Die zu einer erfolgreichen Bewässerung nötigen Zuflußmengen werden von Vincent [6] für Norddeutschland zu 60–120 l pro Hektar und Sekunde angegeben, von Dünkelberg [3] dagegen für Mittel- und Süddeutschland nur zu 17–53 l, je nachdem eine bloß genügende oder reichliche Wässerung bezweckt werden soll; nach Keelhoff [25] ist für die Bewässerungsanlagen der belgischen Campine ein Zufluß von 30 l pro Hektar und Sekunde erforderlich; nach Debauve [14] für die Wiesen der Vogesen 20–50 l und für die Normandie 16 l pro Hektar und Sekunde. Alle diese Angaben beziffern den tatsächlichen Zufluß, den das Grundstück erhält, solange es wirklich bewässert wird. Wie lange Zeit aber die (nach den Grundsätzen der Wässerungstechnik nicht kontinuierlich, sondern mit Unterbrechungen betriebene) Bewässerung im ganzen zu währen hat, um den Erfolg der Düngung zu sichern, ist dabei nicht gesagt; insofern sind also die obigen Angaben unvollständig und zur Berechnung des wirklichen Bedarfes für ein gegebenes Areal ungenügend. Bei den zahlreichen Bewässerungsanlagen des Großherzogtums Baden hat man die Erfahrung gemacht, daß der Düngungszweck einerseits und die erforderliche Lüftung des Bodens anderseits unter gewöhnlichen Verhältnissen am besten erreicht wird, wenn ein Grundstück im Herbst während 30, im Frühjahr während 20 Tagen bewässert wird (für den Sommer sind 10 Tage angenommen, doch ermöglichen die niedrigen Wasserstände der Flüsse und Bäche meist nur eine anfeuchtende Bewässerung von kürzerer Dauer). Da unter unsern klimatischen Verhältnissen die Herbstwässerung durchschnittlich 90 Tage, die Frühjahrswässerung 60 Tage lang betrieben werden kann, so ergibt sich nach obigem ein dreifacher Wässerungsturnus, bezw. eine bestimmte Wassermenge genügt für eine dreimal größere Fläche, als solche sich aus dem verfügbaren Zuflußquantum und der Bedarfsziffer pro Hektar berechnet. Unter Zugrundelegung eines mit der Güte des Wassers wechselnden Zuflusses von 20–60 l pro Hektar und Sekunde berechnen sich nunmehr für einen Boden von mittlerer Durchlässigkeit die zur düngenden Bewässerung erforderlichen Gesamtwassermengen und Stauhöhen wie folgt: Herbstwässerung = 30 ∙ 86400 ∙ 0,02 (bis 0,06) = 52000 – 156000 cbm pro Hektar; Frühjahrswässerung = 20 ∙ 86400 ∙ 0,02 (bis 0,06) = 35000 bis 104000 cbm pro Hektar; zusammen 87000–260000 cbm pro Hektar, entsprechend einer Stauhöhe von 8,7–26,0 m. Zur Festsetzung des Jahresquantums wäre hierzu noch die für die anfeuchtende Sommerwässerung erforderliche Wassermenge zu rechnen.

Da die in den natürlichen Wasserläufen vorhandenen Wassermengen bei der vielfachen Inanspruchnahme des fließenden Wassers zu landwirtschaftlichen, gewerblichen und Verkehrszwecken erfahrungsgemäß meist nicht ausreichen, um zu allen Zeiten den Ansprüchen vollständig zu genügen, muß auf eine tunlichst sparsame Verwendung des Wassers auch bei der Bodenbewässerung gesehen werden. Ein Mittel hierzu bietet die wiederholte Benutzung des Wassers auf tiefergelegenen Grundstücken. Die technischen Gesichtspunkte für die Wiederbenutzung sind unter Bewässerungssysteme behandelt. In diesem Falle vermindert sich das Bedarfsquantum in entsprechendem Maße, jedoch sind hierbei auch die Wasserverluste in Rechnung zu ziehen, die bei der Bewässerung des Bodens durch Versickerung und Verdunstung entliehen. Ueber das Maß dieser Verluste sind bis jetzt ausreichende Untersuchungen und Feststellungen nicht geschehen. Die Größe des Verlustes ist naturgemäß stark wechselnd, je nach den Bodenverhältnissen (Durchlässigkeitsgrad), dem Verhalten des Grundwassers (tiefer Grundwasserstand bedingt größere Verluste), der Menge des aufgeleiteten Wassers (bei kleinen Zuflußmengen entstehen relativ größere Verluste) sowie nach Klima und Witterung. Heß [45] will für die Talniederungen der norddeutschen Ebene durch Versuchswässerungen gefunden haben, daß der Verlust infolge einmaliger Ueberrieselung bei Aufleitung von 15 l pro Hektar und Sekunde 25% des zugeleiteten Quantums beträgt und bei 8 l Zufluß auf 39% steigt. – Derselbe Autor hat im »Kulturingenieur«, Bd. 3, S. 123 [4], folgende Verlustziffern aufgestellt: im Herbst und Frühjahr bei 78 l Zufluß 14,1% Verlust, im Sommer bei 48 l pro Hektar und Sekunde 22,9% Verlust. – Keelhoff beziffert für die belgische Campine den Verlust auf 1/51/6 des Zuflusses. In Oberitalien wird nach [27] der durchschnittliche Verlust der anfeuchtenden Bewässerung zu 1/4 des aufgeleiteten Quantums angenommen.

Ueber die Einrichtungen zur Bodenbewässerung s. Bewässerungssysteme.


Literatur: [1] Delius, Die Kultur der Wiesen und Grasweiden, Halle 1874. – [2] Dünkelberg, Encyklopädie und Methodologie der Kulturtechnik, Braunschweig 1883. – [3] Dünkelberg, Der Wiesenbau, 3. Aufl., Braunschweig 1894. – [4] Dünkelberg, Der Kulturingenieur, 3 Bde., Braunschweig 1868–71. – [5] Dünkelberg, Der Wiesenbau in seinen landwirtschaftl. und techn. Grundzügen, 3. Aufl., Braunschweig 1894. – [6] Eyth, Das Agrikulturmaschinenwesen in Aegypten, Stuttgart 1867. – [7] Fecht, Anlage und Betrieb von Stauweihern in den Vogesen, Berlin 1893. – [8] Fraissinet, Landwirtschaftl. Meliorationen und Wasserwirtschaft, Dresden 1890. – [9] Friedrich, Kulturtechn. Wasserbau, Berlin 1897. – [10] Fries-Dünkelberg, Lehrbuch des Wiesenbaues, 2. Aufl., Braunschweig 1866. – [11] Häfener, Der Wiesenbau, 3. Ausgabe, Stuttgart 1867. – [12] Haffer, Wiesenkunde, I. Teil: Die Kultur der Wiesen und Moore, Berlin 1858. – [13] Hector, Lehrbuch des rationellen Wiesenbaues und der Weidewirtschaft, Berlin und Leipzig 1876. – [14] Heß, Meliorationen, im Handbuch der Ingenieurwissenschaften, 3. Bd., 3. Aufl., Leipzig 1900. – [15] Heß, Fortschritte im Meliorationswesen, Leipzig 1892. – [16] Heß, Die Bewässerungsanlagen Oberitaliens, Hannover 1873. – [17] Heuschmid, Landesmeliorationen, Moorkultur u.s.w.,[758] Reisebericht, München 1880. – [18] Landwirtschaftl. Jahrbücher 1877, 1879, 1882, 1885. – [19] v. Lengerke, Anleitung zum praktischen Wiesenbau, Prag 1844. – [20] Markus, Das landwirtschaftliche Meliorationswesen Italiens, Wien 1881. – [21] Meyn, Geschichte und Kritik des Wiesenbaues, Heidelberg 1876. – [22] Meyn, Grundzüge des Wiesenbaus und der Drainage, Heidelberg 1880. – [23] Patzig, Der praktische Rieselwirt, 4. Aufl., Wittenberg 1862. – [24] Perels, Handbuch des landw. Wasserbaues, 2. 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Drach.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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