Zuckerfabrikation [1]

Zuckerfabrikation [1]

Zuckerfabrikation. Die Darstellung festen Zuckers aus verschiedenen Rohmaterialien, insbesondere aus der Runkelrübe und dem Zuckerrohr; aus letzterem Zweifellos erstmals in Indien zwischen 300 und 600 u. Chr. erfolgt.

Die ersten europäischen Zuckerraffinerien, die aber ihren Rohzucker nicht selbst bereiteten, sondern am Markt kauften, entstanden in Venedig; in Süddeutschland wurde im Jahre 1573 in Augsburg die erste Zuckerfabrik gegründet. Die Entdeckung des Zuckers in den Rüben und in verschiedenen andern Pflanzen verdanken wir dem Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, der bereits 1747 auf die Wichtigkeit und Bedeutung einer solchen Industrie hinwies. Sein Schüler Achard setzte die Gedanken seines Lehrers 52 Jahre später erstmals in die Praxis um.

Seit der genannten Zeit kommt für uns als Rohmaterial für die Zuckergewinnung allein die Zuckerrübe (Runkelrübe) in Betracht, und zwar eine Reihe von Abarten der zu den Chenopodiaceen gehörenden Beta vulgaris. Durch geeignete Zuchtwahl gelang es, besonders zuckerreiche Rübensorten heranzuziehen. Die Zuckerrübe ist eine zweijährige Pflanze; der Samenzüchter baut im ersten Jahre »Stecklinge«, erntet diese, bewahrt sie über den Winter auf und pflanzt sie im nächsten Frühjahr wieder aus; es werden von sorgsamen Züchtern nur Samen von solchen Rüben verwendet, die sich durch äußere geeignete Beschaffenheit und durch hohen Zuckergehalt auszeichnen. An Kennzeichen für gute Rüben sind zu verzeichnen: eine regelmäßige, kegel- oder birnenförmige Gestalt mit möglichst wenig Seitenwurzeln, dichtes weißes Fleisch und möglichst kleiner Kopf. Als Kriterien für einen guten Rübensamen gelten: 1 kg Rübsamen soll in 14 Tagen wenigstens 70000 Keime liefern; hiervon müssen in 6 Tagen wenigstens 46000 Keime ausgetrieben sein. Von 100 Samenknäueln müssen mindestens 75 gekeimt haben. Je nach der Beschaffenheit des Bodens muß derselbe durch Düngung mit Chilisalpeter und Superphosphat unter Umständen erst für die Rübenzucht geeignet gemacht werden. Die Aussaat des Samens geschieht von April bis Mitte Mai, die Reise tritt im September bis Oktober ein. Die meisten Fabriken nehmen im September den Betrieb auf. Die Ernte soll vor Eintritt starker Fröste beendigt sein. Die Schädlinge der Rübenzucht sind Pilze und Pilzkrankheiten sowie die Wurzeln und Blätter schädigenden tierischen Feinde.

[1012] Man unterscheidet zwischen den löslichen (dem Saft) und den unlöslichen (dem Mark) Bestandteilen der Zuckerrübe. Im Saft findet sich der wertvollste Bestandteil, der Rohrzucker, alle übrigen Stoffe desselben (Farbstoffe, Fette, Harze, Pflanzensäuren, Pflanzenbasen, aromatische Substanzen und Mineralbestandteile) faßt man unter dem Begriff »Nichtzuckerstoffe« zusammen. Ueber die chemische Zusammensetzung s. den Art. Zuckerarten. Die Rübe enthält durchschnittlich 13–14% Zucker, 2–5% lösliche Nichtzuckerstoffe, 4–5% Mark und 78–80% Wasser, doch schwankt der Zuckergehalt zwischen 10 und 20%.

Reinigung und Transport der Rüben. – In modernen Fabriken werden die Rüben, nachdem sie mit einem Schnitt von dem Kopf samt den Blättern befreit sind, durch die sogenannte Rübenschwemme dahin geführt, wo man sie haben will. Die genannte Einrichtung besteht aus langen, ca. 40 cm hohen und 35 cm weiten halbrunden überdeckten Rinnen aus Zement mit 5–9 mm Gefäll für das laufende Meter. In diesen Rinnen gelangen die Rüben durch das Betriebswasser, welches in der Regel in der betreffenden Fabrik bereits schon Dienste geleistet hat (z.B. Fallwasser von der Kondensation), zu einem Hubrad aus durchlochtem Blech. Das Innere des Rades ist hohl, so daß das Schwemm- und Schlammwasser ablaufen kann. Der Radkranz trägt eine Reihe von Kästen mit seitlich geneigten Ausflußöffnungen, so daß die Rüben jeweils während der Umdrehung des Rades, auf dem höchsten Punkte angelangt, aus den Kästen durch eine Rinne in die sogenannte Wäsche abrutschen. Wo es nicht möglich ist, das Schlammwasser frei abfließen zu lassen, muß für einen künstlichen Abfluß der Schwemmrinnen gesorgt werden. Dieser wird bewerkstelligt durch das Heben des Schlammwassers allein oder mit den Rüben zusammen. Als Hebevorrichtungen kommen in Betracht: Baggerwerke, Zentrifugalpumpen, Hebeschnecken (s. bei [1]), und die bereits beschriebenen Hubräder, deren Kästen aber in diesem Falle natürlich nicht durchlöchert sind. Von den Rübenwäschen ist die älteste die sogenannte Trommelwäsche. Sie besteht aus einem großen, eisernen, mit Wasser nahezu ganz gefüllten viereckigen Kästen, auf welchem sich die auf einer Welle sitzende, siebartig durchbrochene Waschtrommel dreht; die offenen Enden der Waschtrommel berühren nahezu die Wandungen des Kastens. Eine im Innern der Waschtrommel angebrachte Rührvorrichtung bringt die Rüben durcheinander und führt dieselben zwei an dem Trommelende angebrachten Ausflußöffnungen zu, von wo sie in einen Kästen fallen, den sogenannten Steinsänger. Auf der den ebenerwähnten Ausflußöffnungen der Siebtrommel gegenüber liegenden Seite geschieht der Einwurf der Rüben durch einen mit schrägem Boden versehenen Rumpf. Eine andre Form der Rübenwäsche ist die sogenannte Quirlwäsche, die bei größerer Leistungsfähigkeit wesentlich weniger Betriebskraft erfordert als die Trommelwäsche, weshalb sehr viele Fabriken nur noch mit dieser arbeiten. Ihre Konstruktion in Verbindung mit der Rübenhebeschnecke s. [1]. Sie besteht aus einem etwa 3 m langen Troge mit schrägem Boden, in dessen vorderem Teil ein mit Längsschlitzen versehenes und gebogenes Blech einen Doppelboden bildet. Auf einer Welle, die zweckmäßigerweise durch eine Riemenscheibe gedreht wird, sitzen schraubenförmig angebracht Rührarme, welche schwertartig geformt sind und eine nach der Auswurfsseite hin breite, schräg nach vorn gerichtete, also schiebende Fläche besitzen. Von weiteren konstruierten Wäschen sei erwähnt die von Raude, welche von F. Scheibler in Burtscheid-Aachen gebaut wird. Da die Wäschen natürlich an dem tiefgelegensten Teil der Fabrik liegen, so müssen nach dieser Operation die Rüben durch den sogenannten Rübenelevator gehoben werden. Derselbe besteht aus einer mit großen Blechkästen versehenen schweren Kette ohne Ende, welche an einem Gestell als Paternosterwerk über zwei passend geformte Scheiben läuft.

Nunmehr werden zum Zwecke der Betriebskontrolle, speziell hinsichtlich der Ausbeute, die Rüben verwogen. Eine gewöhnliche, zuverlässige, nicht automatisch arbeitende Rübenwage wird von Gebr. Böhmer in Neustadt-Magdeburg gebaut. Von automatischen Wagen sei diejenige von der Hennefer-Maschinenfabrik (Reuther und Reisert, Hennef a. d. Sieg) erwähnt. (Näheres s. [1]).

Die Gewinnung des Rübensaftes und der Rübenrückstände. – Das Zerkleinern der Rüben geschieht jetzt allgemein in der Schnitzelmaschine. Sie enthält eine auf einer vertikalen Welle sitzende drehbare Schnitzelscheibe, in welche von unten her in ca. 12 angebrachten rechteckigen Oeffnungen sogenannte Messerkasten eingesetzt werden können. Auf diese Schnitzelscheibe werden nun von oben her durch einen Rumpf Rüben gebracht, und die abgehobelten Späne fallen zwischen Hobeleisen und Hobelkörper nach abwärts in den Ausräumerumpf, in welchem ein rotierender, mit Flügeln versehener Ausräumer die Schnitzel dem Auslauf zutreibt. Die Stärke und Gestalt der Schnitzel ist von der Form und Art der Anbringung der Messer abhängig. Die Schnitzelscheibe hat einen Durchmesser von ca. 1,5–2 m und macht etwa 150 Umdrehungen in der Minute. Von dieser Maschine aus fallen die Rübschnitzel direkt in Wagen, welche sie nach den Diffuseuren bringen oder bei geeigneter Anordnung direkt in diese. Die Gewinnung des Zuckersaftes aus den Rübschnitzeln geschieht nämlich jetzt noch fast ausschließlich nach dem sogenannten Diffusionsverfahren. Bei der Anwendung dieses Verfahrens geht man von der Tatsache aus, daß, wenn man eine gesättigte Zuckerlösung mit Wasser überschichtet, der Gleichgewichtszustand der Zuckerlösung gestört wird. Die Zuckermoleküle haben einerseits das Bestreben, sich den Wassermolekülen zu nähern und diese letzteren wandern (diffundieren) umgekehrt in die Zuckerlösung hinein, und zwar so lange, bis wieder ein Gleichgewichtszustand hergestellt und damit wieder eine homogene Mischung eingetreten ist. Diese Diffusionsvorgänge, welche auch durch die Zellwände (Membranen) hindurch stattfinden, macht sich der Zuckerfabrikant beim Behandeln der Schnitzel in den sogenannten Diffuseuren zu Nutze. Es sind dies zylindrische Gefäße aus Eisenblech von 2–2,5 m Höhe und 1 m Durchmesser mit 20–40 hl Inhalt. Die Füllung geschieht durch ein oberes Mannloch, die Entleerung durch ein im Boden oder unten in der Seitenwand befindliches. Ueber dem Boden ist ein Siebboden angebracht; ebenso wird nach Beschickung des Diffuseurs in den Hals ein[1013] Siebboden gelegt. Eine größere Anzahl von Diffuseuren (meist neun bis zehn) sind zu einer Diffusionsbatterie vereinigt; sie stehen entweder in einer oder in zwei parallelen Reihen oder kreisförmig um die Schnitzelmaschine. Die Diffusionsarbeit, die im einzelnen mannigfache Abweichungen zeigt, besteht in einer systematischen Auslaugung der Schnitzel und Anreicherung des Saftes, die frischen Schnitzel werden mit dem konzentriertesten Saft, die am meisten ausgelaugten Schnitzel mit reinem Wasser in Berührung gebracht. Die Diffuseure stehen deshalb alle durch eine Rohrleitung mit der Wasserleitung und untereinander durch Uebersteigrohre in Verbindung. Da die Diffusion des Zuckers aus den Schnitzeln bei erhöhter Temperatur leichter erfolgt, benutzt man die Uebersteigrohre als Kalorisatoren zum Anwärmen des durchfließenden Saftes. Man läßt den Saft durch sechs bis zwölf Messingrohre fließen, die durch ein weiteres, mittels Dampf zu beizendes Rohr, hindurchgehen. Die Temperatur des Saftes wird durch ein Thermometer im oberen Teil des Ueberlaufrohres kontrolliert. Eine dritte Leitung, die Scheidefastleitung, entfernt den fertigen Diffusionssaft. Alle drei Leitungen können an jedem Diffuseur durch ein Ventil abgesperrt werden; ein weiteres Ventil gestattet die Fortführung des Wassers von den erschöpften Schnitzeln. Ferner gehört zur Ausrüstung ein Dampfventil und ein Retourventil für Kondenswasser am Kalorisator und im oberen Mannlochdeckel ein Lufthahn. Fig. 1 zeigt ein Bruchstück einer Diffusionsbatterie der Braunschweigischen Maschinenbauanstalt, und Fig. 2 das Schema einer Batterie von neun Diffuseuren. Die Arbeit in letzterer stellt sich so: In den letzten Gefäßen der Batterie (VII, VIII und IX) wird Wasser vorgewärmt, so daß es mit 86° in das mit Schnitzeln gefüllte Gefäß I eintritt, und zwar tritt es von C1 durch V1 ein, passiert I von unten nach oben. Tritt aus dem oberen Lufthahn Flüssigkeit aus, so wird dieser geschlossen. II ist inzwischen mit Schnitzeln gefüllt. Nun läßt man das Wasser durch C9 und s9 und u9 und w1 von oben in I eintreten, das dann wieder durch V1, C1, s1, s2, C2 und V2 von unten in II eintritt. Das gleiche wiederholt sich bei III. Ist der Saft hier oben angekommen, so wird nicht mehr in IV gedrückt, sondern zur folgenden Operation, der Scheidung, abgelassen. Inzwischen füllt sich III mit dem dünneren Saft von II, der von hier dann nach IV abgedrückt und aus IV zur Scheidung kommt. So werden der Reihe nach auch die folgenden Gefäße eingeschaltet. Sind die zuerst mit Wasser gefüllten Diffuseure auch eingeschaltet, so beginnt der regelmäßige Betrieb. Ist IX mit Schnitzeln beschickt, so muß I entleert werden. Dies geschieht durch das untere Mannloch. Nach schneller Entfernung der Schnitzel und gründlicher Reinigung beginnt sofort die Füllung mit frischen Schnitzeln, damit die Beschickung fertig sowie IX mit Saft gefüllt ist und sofort der Saft in I eingeführt werden kann. Ein gleichmäßiger Fluß in der Batterie ist eine Hauptbedingung für gute Auslaugung. Zur Kontrolle des Diffusionsbetriebes sind besondere, automatisch arbeitende Apparate konstruiert worden, von denen speziell der Kontrollapparat von Raßmus zu erwähnen ist.

Die Rübenrückstände vom Diffusionsverfahren enthalten etwa zwischen 6 und 14% Trockensubstanz, weshalb von ihnen der größte Teil des anhaftenden Wassers abgepreßt werden muß. Dies geschieht in den sogenannten Schnitzelpressen, von denen es verschiedene Konstruktionen gibt. Die erste und heute noch benutzte Schnitzelpresse wurde von[1014] F.A. Klusemann in Sudenburg-Magdeburg gebaut. An ihr hat Bergreen verschiedene Verbesserungen angebracht. Auf dem Prinzip des verengerten Durchgangsraumes beruht die Konstruktion der Haaseschen Schnitzelpresse. Schnitzelpressen werden unter anderm von folgenden Werken gebaut: Aktienmaschinenfabrik Sangerhausen, Bromberger Maschinenbauanstalt, Maschinenfabrik Halle a. d. S. Fig. 3 zeigt das Schema einer verbesserten Klusemannschen Schnitzelpresse nach Patent Bergreen (Hallesche Maschinenfabrik Halle a. d. S.). Sie besteht im wesentlichen aus zwei ineinander geschobenen Hohlkegeln, die mit schraubenförmig gestellten Druckmessern besetzt sind. Die Schnitzel werden oben eingefüllt, durch die Druckmesser nach abwärts geführt und gegen den gelochten Apparatmantel gepreßt, der Saft fließt außen ab, während die Schnitzel unten herabfallen. Mit dieser Presse erhält man von 100 kg Rüben 30 kg Preßlauge mit 10–12% Trockensubstanz, die zum Teil frisch verfüttert, zum Teil konserviert wird. Die Zusammensetzung der Trockensubstanz der Schnitzel ist im Mittel nach Stammer folgende: Rohprotein 8,7%, Stickstofffreie Extraktivstoffe 62,27% (inklusive Fett), Rohfaser 23,36%, Asche 5,67%.

Die älteste Methode der Konservierung der Schnitzel ist die des Einsäuerns. Hierbei werden sie in Erdgruben (Mieten) oder in gemauerte Behälter gebracht und mit Erde bedeckt. Bei diesem Verfahren entfliehen aus den vorhandenen Kohlehydraten Milchsäure, Buttersäure, Essigsäure u.s.w., und auch die vorhandenen Eiweißstoffe werden gespalten. Der Nährwert der gesäuerten Schnitzel ist übrigens annähernd derselbe wie derjenige der ungesäuerten, dagegen ist der bei der Säuerung bezw. Lagerung eintretende Gewichtsverlust ein sehr hoher, ca. 20–30%. Durch Trocknung können diesem Futtermittel sämtliche wertvollen Bestandteile erhalten werden. Die Zusammensetzung der getrockneten Schnitzel gibt Rümpler [1] im Mittel wie folgt an: Wassergehalt 12,58% Trockensubstanz 87,42%; Rohprotein 6,54%, darin verdauliches Protein 5,59%, Stickstofffreie Extraktstoffe inkl. Fett 56,29%, Rohfaser 18,57%, Asche 6,02%. Der erste Apparat zum Trocknen der Schnitzel wurde von Büttner & Meyer in Uerdingen a. Rh. erfunden, er ist heute noch der am meisten benutzte. Andre Apparate werden von Petry & Hecking in Dortmund sowie von J. Sperber in Wien gebaut. (Näheres s. [1].)

Zu erwähnen ist noch ein in den letzten Jahren von Steffen erfundenes Saftgewinnungsverfahren (D.R.P. Nr. 149593), das sogenannte Brühverfahren: Bei demselben fallen die Schnitzel von der Maschine direkt in den sogenannten Brühtrog, wo sie mit 95–98° heißem Rohsafte durch ein Rührwerk rasch verrührt werden. Auf 100 kg Schnitzel finden hierbei ca. 600 l Brühsaft Anwendung. Infolge der plötzlichen Temperaturerhöhung gerinnt das Eiweiß in den Zellen der Rübschnitzel, diese selbst werden lederartig, zäh, und der flüssige Zellinhalt vermischt sich mit dem Brühsaft. Die gebrühten Schnitzel werden alsdann sofort durch Schneckengänge in die Höhe gehoben und nach den bereits beim Diffusionsverfahren beschriebenen Pressen gebracht, von wo der Saft wieder in den Brühtrog zurückläuft, um dort erhitzt wieder zur Auslaugung frischer Schnitzel zu dienen, während die ausgepreßten Schnitzel jeweils der Trocknungsanlage zugeführt werden. Bei dem Brühverfahren wird also die Rübe einerseits in Saft und anderseits in erheblich zuckerhaltige Schnitzel zerlegt. Die Preßrückstände enthalten nämlich ca. 30% Trockensubstanz, wovon 10% Zucker sind. Das Brühverfahren besitzt gegenüber dem älteren Diffusionsverfahren erhebliche Vorzüge: Die ganze Anlage und Arbeitsweise ist sehr einfach, die Konzentration des gewonnenen Rohsaftes ist höher als beim Diffusionsverfahren, weshalb für 100 kg Rüben ca. 45 kg Wasser weniger zu verdampfen sind als beim Diffusionsverfahren. Weiter fallen die schwer zu beseitigenden Diffusions- und Schnitzelpreßwasser weg und somit ist bei dem Brühverfahren der schwierigste Teil der Abwasserbeseitigung (s.a. am Schluß) gelöst. Selbstverständlich bilden die getrockneten Zuckerschnitzel eben wegen ihres erheblichen Zuckergehaltes ein sehr wertvolles Mastfutter. Ein weiterer Hauptvorzug des Brühverfahrens ist der, daß der gewonnene Saft sich leichter reinigen läßt und das aus ihm gewonnene Produkt ein sehr schönes Aussehen und einen sehr reinen Geschmack besitzt. Bevor nun bei beiden Verfahren der Rübensaft gereinigt wird, passiert er noch den sogenannten Pülpenfänger (s. [1]), in welchem die in dem Saftstrom noch schwimmenden Schnitzelteile beseitigt werden. Der so erhaltene rohe Rübensaft ist von trüber, dunkelgrauer bis schwarzer Färbung und enthält noch eine Reihe von sogenannten Nichtzuckerstoffen. Fast ausschließlich wird zur Reinigung des Saftes jetzt das sogenannte Kalkverfahren angewendet. Hierbei wird der Rohsaft in den Vorwärmern angewärmt, wobei ein Teil der Eiweißstoffe infolge Gerinnung sich abscheidet und dann so viel abgelöschter Kalk (Kalkmilch) zugesetzt, daß die vorher saure Reaktion des Saftes nunmehr einer alkalischen Platz macht. Bei diesem Prozeß der sogenannten »Scheidung« wird der Saft erstens sterilisiert, zweitens werden eine Reihe von Nichtzuckerstoffen, wie Eiweiß und organische Säure, in dem sogenannten Scheideschlamm ausgefällt; andre Stoffe, wie die Amide und der Invertzucker, werden hierbei zersetzt. Nunmehr folgt in der von dem Scheideschlamm abgezogenen klaren Lösung die sogenannte »Saturation«. Hierbei wird Kohlensäure oder schweflige Säure bezw. ein Gemisch beider Gase in die Lösung eingeleitet, und zwar muß die »Saturation« mit Kohlensäure in dem kochend heißen Saft erfolgen, denn das aus dem in ihm vorhandenen überschüssigen Kalk sich bildende kohlensaure Calcium ist nur in kochend heißem Zuckersäfte unlöslich. Der hierzu Anwendung findende sogenannte Vorwärmer wird in der Regel geheizt durch den bei der Eindickung des in der Zuckerlösung enthaltenen Wassers entstehenden Dampf, die sogenannten »Brüden«. Diese Brüdendämpfe werden weiterhin dann in besonderen Kondensatoren zu Wasser, dem sogenannten Brüdenwasser verdichtet. Die Vorwärmer sind nach dem Prinzip der Kalorisatoren der Diffusionsbatterie gebaut. Die Scheidung und Saturation geschieht in der sogenannten Scheidepfanne, einem viereckigen Kalten aus Eisenblech, welcher mit Vorrichtungen zum Einleiten von Dampf und Kohlensäure versehen ist; ihr Boden ist zur besseren Entleerung nach vorn geneigt. Die Zuführung des Dampfes geschieht durch eine Heizschlange,[1015] die der Kohlensäure durch ein Rohr mit zahlreichen nach unten gerichteten Oeffnungen, durch die auch Dampf eingelassen werden kann. Der Kalk wird als Kalkmilch von 18–20° Bé angewendet. Auf 100 kg Rüben kommen 2–3 kg frisch gebrannter Kalk. Die Temperatur beträgt am Ende der Operation 85–90° C. Das mit der Zugabe von Kalk gleichzeitig begonnene Einleiten von Kohlensäure wird fortgesetzt, bis die Alkalität 0,1–0,15% beträgt. Eine Probe des Saftes muß einen sich schnell absetzenden Niederschlag enthalten. Der Schlammsaft wird dann filtriert und einer zweiten und dritten Saturation unterworfen. Hierbei wird noch einmal 1/2–1 kg Kalk auf 100 kg Rüben zugesetzt, falt bis zum Kochen erhitzt und der Kalk auf 0,06 bis 0,08% ausgefällt. Nach dem Filtrieren wird der Reit des Kalks mit Kohlensäure und darauf mit schwefliger Säure ausgefällt, letzteres dann, wenn eine Filtration mit Knochenkohle vermieden werden soll. Die schweflige Säure bindet den noch vorhandenen Kalküberschuß, der sich beim nachfolgenden Eindampfen als schwerlösliches Calciumsulfit ausscheidet, und wirkt überdies entfärbend. Der Saft wird vom Schlamm in den sogenannten Filterpressen (s.d.) getrennt. Letzterer enthält noch ca. 50% Saft und somit noch erhebliche Mengen (ca. 5%) des wertvollen Zuckers. Die Filterpressen sind daher, um wenigstens den größten Teil dieses Schlammzuckers zu gewinnen, mit Absüßvorrichtungen zum Auslaugen eingerichtet. Der Kalkschlamm selbst stellt wegen seines hohen Gehalts an Phosphorsäure, Kalk und Stickstoff ein für die Landwirtschaft hochwertiges Düngemittel dar. – Was die Gewinnung der in der Zuckerfabrikation bei der Scheidung und Saturation Anwendung findenden Stoffe (Kalk, Kohlensäure und schweflige Säure) anbelangt, so sei noch folgendes erwähnt: In dem sogenannten Kalkofen wird im unteren Teile Holz und Koks aufgeschichtet und darauf eine Lage Kalksteine gebracht; auf diese Schicht kommt wieder Koks, dann wieder eine Partie Kalksteine, und so abwechselnd, bis der Ofen gefüllt ist. Dann wird letzterer angezündet, und durch die entwickelte Hitze entsteht unter Abspaltung von Kohlensäure (CO2) aus dem Kalkstein (kohlensauerm Kalk = CaOCO2) gebrannter Kalk CaO, der sich beim Ablöschen mit Wasser (H2O) zu Kalkmilch Ca(OH)2 umsetzt. Die Gichtgase des Kalkofens, in der Hauptsache aus Kohlensäure bestehend, werden zur Saturation (s. oben) verwendet. Jedoch muß das Gas vorher durch Waschen in den sogenannten Laveuren gekühlt und von den Verunreinigungen, wie Flugstaub, Teer u. i. w. gewaschen werden. Zur Absaugung der Kohlensäure aus dem Koksofen und zum Transport derselben nach den Laveuren sowie den Saturationspfannen dienen doppeltwirkende Pumpen. Die in den Zuckerfabriken zur Verwendung gelangende schweflige Säure wird entweder in komprimiertem Zustand aus Hüttenwerken bezogen, oder aber billiger in der Fabrik selbst durch Verbrennen von Schwefel in besonderen Oefen hergestellt (s. [1]).

Meist schließt sich an die Filterpreßbehandlung noch eine mechanische Filtration an, für die früher in erster Linie Knochenkohle Verwendung fand. Jetzt wird als Filtermaterial fast nur noch Kies, oder bei dem sogenannten Harmschen Verfahren (D.R.P. Nr. 95447) eine gewisse Art von Silikaten verwendet. Für diese mechanische Filtration sind eine Reihe von Filtriervorrichtungen konstruiert worden, von denen erwähnt sei das Abrahamsche Sandfilter, das Kasalowskysche Beutelfilter, das Ehrensteinsche Zwischenfilter sowie das Beegsche und das Dehnesche Saftfilter (Näheres s. [1]). Bei dem eben erwähnten Harmschen Silikatverfahren werden die im Zuckersaft gelösten Alkalien, deren Beseitigung aus dem Zuckersaft bisher technisch nicht möglich gewesen war, ausgeschieden, indem das Silikat aus dem Saft Alkalien aufnimmt und dafür Kalk an diesen abgibt. Es lassen sich hierzu die in der Natur vorkommenden Silikate (Ton, Porphyrtuff u.s.w.) verwenden. Das ausgenutzte Silikat kann durch Behandeln mit Kalkwasser wiederum benutzbar gemacht werden (Näheres s. [1]). Die Anwendung der elektrischen Reinigung des Saftes wurde auch schon in verschiedenen Verfahren versucht, sie konnte sich jedoch bis jetzt nicht mit Erfolg einführen. – Der nach der Filtration erhaltene Dünnsaft enthält ca. 10% Zucker; bei der weiteren Konzentration unterscheidet man zwei Perioden; der Dünnsaft wird bis 50° Saccharometer eingedampft (das Verdampfen des Dünnsaftes) und die Konzentration des noch einmal filtrierten Dicksaftes bis zu einem Gehalt von 88–90% Zucker (das Verkochen des Dicksaftes). Die erhaltene Füllmasse wird dann weiter verarbeitet. – Das Verdampfen geschieht im luftverdünnten Raum, und zwar so, daß der in einem Verdampfapparat, »Körper« genannt, entwickelte Dampf dazu dient, den Saft im zweiten Körper zu verdampfen. Der Saft aus diesem kann dann wieder in einen dritten Körper geleitet werden. Man unterscheidet danach Zweikörper-, Dreikörper- und Mehrkörperverdampfapparate. Die Konstruktion der einzelnen Apparate zeigt mannigfache Verschiedenheiten (Näheres s. [1]–[3]). Im wesentlichen kann man an jedem Körper zwei Teile unterscheiden; im unteren befindet sich der Heizraum mit zwei Platten, in die oben und unten offene Messingröhren eingewalzt sind. Zwischen die Platten des ersten Körpers wird Retourdampf oder direkter Dampf eingelassen. Ueber und unter den Platten und in den Rohren zirkuliert der Saft. In der Mitte ist ein größeres Zirkulationsrohr angebracht. Ueber diesem unteren Teil befindet sich die oben abgeschlossene Zarge mit dem Dom. Der sich aus dem Saft entwickelnde Dampf, »Brüden«, wird durch ein weites Rohr mit einem Saftfänger in den Heizraum des zweiten, des Dicksaftkörpers, geleitet. Der aus dem letzten Körper entweichende Dampf wird zum Vorwärmen von Diffusionssaft benutzt und dann kondensiert. Der durch den Kondensator verminderte Luftdruck wird durch eine Luftpumpe auf der erforderlichen Höhe erhalten. Durch eine enge, durch einen Hahn verschließbare Rohrleitung ist der höchste Teil des Heizraums mit dem oberen Teil des Saftraumes verbunden. Wird die Luftpumpe zu Beginn des Betriebes angestellt, so verdrängen die Dämpfe die Luft aus dem Heizraum des ersten Körpers. Dann wird dieser durch den Hahn abgeschlossen. Die Dämpfe aus dem Saftraum verdrängen dann die Luft aus dem Heizraum des zweiten Körpers. Im Dünnsaftkörper reguliert man den Druck so, daß der Saftdampf die Temperatur 93° C. hat, im Dicksaftkörper 63° C. Ist in letzterem die Verdampfung so weit fortgeschritten, daß der Saft nur wenig über den Heizrohren steht, so wird aus dem Dünnsaftkörper[1016] vorgedickter Saft nachgezogen, ebenso in diesen Dünnsaft. Ist in ersterem die gewünschte Konzentration (heiß 45° Brix, kalt 50° Brix) erreicht, so wird der Dicksaft langsam abgezogen und vorgedickter Dünnsaft so zugelassen, daß der Zufluß mit der Verdampfung gleichen Schritt hält. In dem abgezogenen Dicksaft haben sich trübende Substanzen, meist Kalksalze, abgeschieden, er wird deshalb noch einmal zum Sieden erhitzt, meist wiederholt saturiert und filtriert; er ist nun zum Verkochen geeignet.

Beim Verkochen will man entweder eine klare, heiß gesättigte Zuckerlösung herstellen (Blankkochen), oder es soll schon während des Kochens Kristallbildung eintreten (Kochen auf Korn). – Das Verkochen geschieht ebenfalls in Vakuumbehältern. – Beim Kochen auf Korn beginnt man mit einer Siedetemperatur von 60°. Zur Beurteilung der Konzentration bringt man einen Tropfen zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtet Länge und Dicke des Fadens beim Entfernen der Finger (Fadenprobe). Ist nach dieser Probe die geeignete Konzentration eingetreten, so erniedrigt man die Siedetemperatur auf 50°. Dann beginnt die Ausscheidung von Kristallen. Die so erhaltene Füllmasse wird, um sich in Zentrifugen, wie sie ähnlich bei der Stärkefabrikation (s.d.) Verwendung finden, in Rohrzucker und Sirup trennen zu lassen, in besonderen Brechwerken zerkleinert und mit gleich reinem Sirup früherer Operationen gemischt, das sogenannte »Maischen«. Der durch Zentrifugieren gewonnene Rohzucker heißt erstes Produkt. Der ablaufende Sirup, der »Grünsirup«, wird bis zur entsprechenden Fadenprobe verkocht und kommt in eisernen Kästen von 2–3 cbm in 30–40° C. warme Räume. Nach 2 Wochen ist die Kristallisation beendet. Das durch Maischen und Schleudern erzielte zweite Produkt ist unreiner als das erste. Bei Herstellung eines dritten Produkts läßt man die Füllmasse meist einige Monate zur Kristallisation stehen. Das Kochen der sogenannten Nachprodukte auf Korn ist sehr schwierig und gelingt nur mittels besonderer Einrichtungen und Verfahren. Hiervon seien erwähnt: das Großesche, das Freitag-Lenzesche und das Claassensche Verfahren (D.R.P. Nr. 117531, 134915 und 137812) sowie der Neumannsche Kornkocher (D.R.P. Nr. 131931), Näheres s. [1].

Der Rohzucker, wie er aus den Zentrifugen kommt, wird nun mittels der mannigfaltigsten Transportvorrichtungen nach dem stets höher gelegenen Zuckerboden geschafft und dort verkaufsfertig gemacht. Ihm haften stets gewisse Mengen Sirup an, der den Genuß durch seinen Übeln Geruch und Geschmack beeinträchtigt. Bei der Verarbeitung des Rohzuckers auf Konsumzucker wird dieser Sirup entfernt, und zwar durch die sogenannten Deckverfahren. Von diesen unterscheidet man: die Wasserdecke, die Klärseldecke, die Dampf- und die Dampfnebeldecke. Bei der Wasserdecke wird, nachdem der sogenannte Grünsirup bereits in den Zentrifugen abgeschleudert ist, mittels einer feingelochten Brause Wasser auf die Füllmasse gespritzt. Beim weiteren Zentrifugieren werden dann die einzelnen Wassertropfen gegen die an den Zuckerkristallen haftenden Siruptropfen geschleudert und dieser damit gelöst, worauf er durch die Löcher der Zentrifuge abläuft. Für das Decken einer Zentrifugenfüllung, inkl. Füllung, Entleerung, Abscheiden des Grünsirups und Trockenlaufenlassen sind ca. 6 Minuten erforderlich. – Bei der Klärseldecke wird in der sogenannten Lösepfanne eine gesättigte Zuckerlösung, die sogenannte Deckkläre, hergestellt. Diese wird unter Zusatz von Kieselgur, Bimsstein- oder Kokspulver heiß filtriert und nach dem Erkalten mittels einer Verteilungsvorrichtung durch den Deckel der sich in Bewegung befindlichen Zentrifuge auf die Füllmasse gespritzt, von welcher der Grünsirup bereits abgeschleudert ist. Der in der Füllmasse noch sitzende gelbe Saft (Sirup und Nichtzuckerstoffe) wird durch diese Deckkläre verdrängt und läuft durch die Löcher der Zentrifuge ab.

Bei der Dampf kläre läßt man Dampf von geringer Spannung durch den Deckel der Zentrifuge eintreten; derselbe verdichtet sich in den kalten Zuckerkristallen zu Wasser, welches dann ebenso wirkt wie bei der Wasserkläre oben beschrieben ist. – Die Dampfnebeldecke unterscheidet sich von der Dampfdecke nur dadurch, daß man entwässerten Dampf mit viel Luft gemischt in die Zentrifuge eintreten läßt. Hierbei wird der Dampf auf ca. 50° abgekühlt und kommt in Form eines seinen Nebels mit dem Zucker in Berührung.

Unter Kochkläre versteht man eine, in besonderen Raffinerien hergestellte Zuckerlösung, die auf Konsumzucker verkocht werden soll. Man bereitet sie durch Auflösen von Rohzucker in Lösepfannen, sie soll eine Konzentration von ca. 64° Brix haben. Sie wird ebenfalls sorgfältig filtriert und durch Eindampfen und Kristallisierenlassen auf »Raffinade« weiterverarbeitet. In vielen Fällen wird auch direkt aus den Rüben Konsumzucker, der sogenannte »Melis«, hergestellt, der aber einen geringeren Reinheitsgrad als die aus Rohzucker bereitete Raffinade besitzt. Jedoch haben sich diese Unterschiede in der Bezeichnung im Lauf der Jahre so verwischt, daß jetzt auch weniger reine Raffinerieprodukte als Melis bezeichnet werden.

Bezüglich der verschiedenen Konsumzuckersorten unterscheidet man: den Kristallzucker, den Pilé, und den Zucker in festen Stücken, Broten oder Würfeln. – Kristallzucker (oder nach englischer Bezeichnung Granulated) ist ein loses Haufenwerk ziemlich großer, farbloser glänzender Kristalle. Er ist das Hauptprodukt solcher Fabriken, die Rüben direkt auf Konsumzucker verarbeiten, da er aus Zuckerlösungen von geringerem Reinheitsgrad hergestellt werden kann. Bei seiner Herstellung muß durch vorsichtiges und langsames Kochen auf die Bildung möglichst gleichmäßiger Kristalle hingearbeitet werden. Nach dem Abschleudern des Grünsirups von den erhaltenen Kristallen werden diese in der Regel unter Zusatz von etwas Ultramarin gedeckt und damit »gebläut«. Der Zusatz von Ultramarin zum Deckwasser muß so bemessen werden, daß kein blauer Schein entsteht und der Zusatz von blauer Farbe nur gerade ausreicht, den gelben Schein zu verdecken. Der Kristallzucker wird alsdann im sogenannten Granulator getrocknet. – Als Pilé bezeichnet man einen Zucker, der früher hauptsächlich in Oesterreich für den italienischen Konsum hergestellt wurde; er besteht aus etwa erbsengroßen, in besonderen Pilébrechwerken mit zwei Walzenpaaren unregelmäßig[1017] gebrochenen Stücken (Knoppern), denen das beim Zerbrechen entgehende Mehl beigemengt ist. Pilé wird meist aus einer reineren Zuckerlösung hergestellt als der Kristallzucker. – Bei der Raffinade oder Melis in Broten oder Würfeln sind die mannigfaltigsten Formen am Markte. Im großen ganzen wird bei ihrer Herstellung ähnlich verfahren wie beim Kristallzucker, nur wird »das Korn« seiner gehalten als beim Kristallzucker. Der fertige, eventuell schon im Vakuum gebläute Sud wird zunächst in eine mittels Dampfschlangen geheizte Rührmaische abgelassen und von da mittels mechanischer Füllvorrichtungen in die, je nach der gewünschten Fasson verschiedenen Formen gefüllt. In diesen bleibt sie 12–24 Stunden in der Füllstube bei ca. 40° C. zur Kristallisation stehen. Früher wurden die Brote von Hand »gedeckt«, jetzt geschieht dies fast ausschließlich in Zentrifugen, welche die Formen samt den in ihnen enthaltenen Broten aufnehmen. Nach dem Decken und Zentrifugieren werden die Formen herausgenommen und nachdem sie an den Spitzen angewärmt sind, die Brote aus den Formen herausgeholt. Das Anwärmen geschieht, um das Abbrechen der Spitze zu vermeiden. Zuletzt werden die Zuckerhüte noch feucht in der sogenannten Anspitzmaschine an der Spitze sauber abgedreht und entweder in den Trockenstuben oder neuerdings besser im Vakuum bei langsam bis zu 50° C. ansteigender Temperatur ausgetrocknet. Bei der Herstellung des Würfelzuckers sind zwei wesentlich verschiedene Methoden im Gebrauche; bei der einen wird der Zusammenhang der Kristalle durch Pressen (Preßwürfel), bei der andern durch Zusammenwachsenlassen (gewachsene Würfel) hergestellt. Bei der Herstellung der Preßwürfel wird die Füllmasse in der Zentrifuge mittels der Dampf decke »abgedeckt« und passiert alsdann eine Zuckerreibe, in der alle Klumpen zerdrückt werden. In diesem Zustand wird die Masse zwischen Messingplatten zu Tafeln von 24 mm Dicke und 140 mm Länge und Breite von beliebig dichtem Schlusse gepreßt, welche nach dem Trocknen von einer Brechmaschine zunächst in Längsstreifen gebrochen und alsdann von der sogenannten Knipsmaschine vollends in Würfel gehackt werden. Bei der Herstellung der gewachsenen Würfel wird die auf ein seines Meliskorn gekochte Füllmasse in Plattenformen gegossen, gedeckt, zentrifugiert, getrocknet gesägt und in Würfel zerhackt.

Aus dem bei der Konsumzuckerfabrikation entstehenden Nebenprodukt, dem Grünsirup, wird in der Regel durch Verkochen auf Korn ein zweites Produkt, der sogenannte gelbe Farin, hergestellt, der in gemahlenem Zustand unter dem Namen weißer Farin auf den Markt kommt.

Es sei hier noch erwähnt der Kandis, ebenfalls ein raffinierter, aber in sehr großen Kristallen gewonnener Zucker; man unterscheidet weißen, gelben und braunen Kandis. Er spielt auf dem Zuckermarkt nur eine Nebenrolle.

Die Melasse ist die letzte Mutterlauge von den Zuckerkristallisationen und ist infolge ihres hohen Gehaltes an Nichtzuckerstoffen nicht mehr direkt kristallisationsfähig. Bei einem mittleren Reinheitsquotienten von ca. 64 ist die Zusammensetzung einer Melasse ungefähr im Mittel (nach [1]) folgende: Wasser ca. 20%, Trockensubstanz ca. 78%, Zucker ca. 50%, Nichtzucker ca. 25%, Asche ca. 10%, Stickstoff ca. 1,6%. Verwendung findet die Melasse zum Teil in der Spiritusbrennerei, wo der in ihr noch enthaltene Zucker zu Alkohol vergoren wird. Weitere Wege zu ihrer Verwendung bieten sich in der meist angewendeten weiteren Entzuckerung und in der Verwendung als Viehfutter.

Die weitere Entzuckerung der Melasse geschieht in der Regel in besonderen, meist von den Zuckerfabriken getrennten, selbständigen Melasseentzuckerungsanstalten. Die Methoden, die zur Entzuckerung Anwendung finden, sind folgende: 1. Die Osmose (s.d.), bei welcher die die weitere Kristallation des Zuckers verhindernden Nichtzuckerstoffe durch Dialyse (s.d.) aus der Melasse entfernt werden. – 2. Die Entzuckerung mittels Kalk; hierbei wird der Zucker durch Zusatz von gebranntem Kalk aus der Melasse als eine chemische Zuckerkalkverbindung, das Tricalciumsaccharat, ausgefällt. Speziell findet hierbei das sogenannte Steffensche Ausscheidungsverfahren Anwendung; dasselbe beruht auf der Tatsache, daß man imstande ist, aus einer verdünnten, auf ca. 15° C. abgekühlten Lösung von Monocalciumsaccharat fast die Gesamtmenge des Zuckers als Tricalciumsaccharat auszufällen, indem man der Lösung unter ständiger Kühlung nach und nach in kleinen Portionen feingepulverten gebrannten Kalk zusetzt. – 3. Die Strontianentzuckerung, wobei der Zucker als Distrontiumsaccharat gefällt wird. – 4. Das Barytverfahren, bei dem der Zucker als Monobaryumsaccharat ausfällt. – 5. Das Wohlsche Bleiverfahren, bei dem der Zucker in Verbindung mit Bleioxyd ausgefällt wird. – Die bei den Verfahren Nr. 2–5 erhaltenen Saccharate werden alsdann durch Einleiten von Kohlensäure wieder in Zucker und die entsprechenden kohlensauern Salze gespalten und diese letzteren wieder für sich durch Weiterverarbeitung aufs neue nutzbar gemacht. – Was die Verwertung der Melasse als Futtermittel anbelangt, so wird sie in der Regel mit indifferenten Stoffen wie Torfmehl, Moos oder auch mit andern Futtermitteln wie Häcksel, Trebern, Baumwollsamenmehl u.s.w. vermischt, in welchen Formen sie ein bequem dotiertes, wegen seines Zuckergehaltes wertvolles Mastfutter vorstellt.

Es sei zum Schluß noch kurz auf die große Menge der in Zuckerfabriken anfallenden, meist leicht faulenden und daher lästigen Abwasser hingewiesen, deren Beseitigung und Reinigung recht viele Schwierigkeiten bereiten (Näheres s. [1]).


Literatur: [1] Rümpler, A., Handbuch der Zuckerfabrikation, Braunschweig 1906. – [2] Stammer, Lehrbuch der Zuckerfabrikation, Braunschweig 1895. – [3] Stohmann, Handbuch der Zuckerfabrikation, Berlin 1899. – [4] Knauer, F., Der Rübenbau, 9. Aufl., Berlin 1906. – [5] Vanha und Stocklasa, Die Rübennematoden, Berlin 1896. – [6] v. Lippmann, Die Chemie der Zuckerarten, 2. Aufl., Braunschweig 1904. – [7] Rümpler, A., Die Nichtzuckerstoffe der Rüben, Braunschweig 1898. – [8] Zeitschr. d. Ver. f. Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reichs 1885 u.s.w. – [9] Stammer, K., Jahresberichte über die Untersuchungen und Fortschritte auf dem Gesamtgebiete der Zuckerfabrikation, Braunschweig 1906 u.s.w.

Mezger.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
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http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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