Römerstraßen

Römerstraßen

Römerstraßen umspannten mit einem vom Forum romanum zu Rom ausgehenden ausgedehnten Netz von 10220 geographischen Meilen Gesamtlänge das zur Zeit Trajans (98–117 u. Chr.) seinen größten Umfang erreichende Römische Reich. Die in der k. k. Bibliothek zu Wien befindliche Kopie der Tabula Peutingeriana ([1], S. 256) gibt ein Bild dieses Straßennetzes, von welchem einzelne Teile noch heute erhalten und zum Teil sogar noch in Benutzung sind, wie z.B. die unter dem Zensor Appius Claudius 312 v. Chr. entstandene Via Appia und die vom Konsul Flaminius 187 v. Chr. angelegte Via Flaminia ([1], S. 227). Weitere Ueberreste finden sich in Deutschland [3], in der Schweiz (Alpenpässe [1], S. 244) sowie in Frankreich [4], in Oesterreich und Bosnien [5]. Die Linienführung sowie die Bauart der Römerstraßen weichen wesentlich von der jetzt üblichen ab.

Die Linienführung war nicht, wie jetzt üblich, dem Gelände und der wirtschaftlichen Ausnutzung der Zugtiere angepaßt, sondern entsprach insbesondere bei den Haupt- und Heerstraßen mehr den militärischen Bedürfnissen. Es würde möglichst gesucht, die gerade Linie einzuhalten, man vermied enge Täler und Schluchten und suchte des besseren Ueberblicks wegen Höhenrücken zu benutzen, wobei vor Damm- und Brückenbauten, tiefen Einschnitten und starken Steigungen (bis zu 10%) nicht zurückgeschreckt wurde. In Italien selbst unterschied man »viae publicae« (Heerstraßen und Vizinalwege), »viae privatae« (Privat- und Feldwege) und verstand unter »iter« einen Fußweg. Die »viae publicae« wurden mit Meilensteinen im Abstande eines Millariums (1000 römische Doppelschritte = 1,5 km) versehen. Sie zeigten in ihrer Oberfläche drei Teile: die zur seitlichen Abwässerung gewölbt angelegte, 4–7 m breite eigentliche Fahrbahn (agger) und die beiden durch Bordsteine abgetrennten Seitenwege (margines), die in der Regel halb so breit wie der Fahrdamm und bisweilen erhöht angelegt wurden [1], S. 237. – Die Befestigung der Straßenoberfläche bezw. des Straßenkörpers setzte sich bei einer Gesamtstärke von 1–1,25 m aus verschiedenen Schichten zusammen, die eine Art Mauerwerk bildeten. Auf den in der Regel gestampften Boden kam zuerst eine Lage großer, in Mörtel verlegter flacher Steine (stammen), auf diese eine 25 cm starke Schicht faustgroßer Steine in Mörtel (rudus oder ruderatio), dann eine zweite derartige Schicht von 25 cm Stärke aus kleinem Steinmaterial (nucleus) und endlich eine 20–30 cm starke Lage von Sand und Kies in Mörtel (summum dorsum oder summa crusta). Bisweilen kam auch ein über dem stammen zwischengestampfter Lehmschlag vor. Wurde das damals vielfach übliche, aus großen vieleckigen Steinen bestehende Pflaster verwendet, so wurde dieses auf die mit ruderatio bezeichnete Schicht verlegt [1], S. 236. In den übrigen Ländern paßte sich die Befestigung des Straßenkörpers der Natur des Bodens und den Bedürfnissen an. Bei felsigem Untergrunde wurde vielfach von einem besonderen Unterbau abgesehen, z.B. im Karstgebiet in Bosnien, wo man sich damit[449] begnügte, ähnlich wie im alten Griechenland, Fahrrinnen für die Räder in den Fels einzuarbeiten [1], S. 251. Wo Steinmaterial nicht vorhanden war, z.B. am Unterrhein, bestanden die Straßen aus einem Erddamm, der mit Gräben eingefaßt war und dessen oberer Teil mit einer Kiesdecke von 35–50 cm abgedeckt wurde [1], S. 248. In den grundlosen Mooren Norddeutschlands wurden Bohlenwege aus Faschinen und Bohlenlagen angelegt [1], S. 249, und [6], oder es wurden Pfähle eingerammt, auf diese Längsbalken gelagert und mit Querbohlen überdeckt. Die Fahrbahn hatte hier in der Regel nur eine Breite von 3 m. Zum Teil auf vorgekragten Balken ruhende Straßenkörper zeigt auch die mit halber Breite in den Fels eingesprengte Straße von Tiberius an der Donau und die Trajanstraße am Kasanpaß [1], S. 252.


Literatur: [1] Merckel, Kurt, Die Ingenieurtechnik im Altertum, Berlin 1899, S. 226–263. – [2] Bergier, Histoire des grands chemins de l'empire Romain, Bruxelles 1728. – [3] v. Veith, Die Römerstraßen Köln-Reims-Trier, Jahrb. d. Ver. von Altertumsfreunden im Rheinlande, Heft LXXX; Schneider, Die römischen Militärstraßen des linken Rheinufers, ebend., Heft LXXII und LXXX. – [4] Die in Frankreich aufgefundene Römerstraße von 22000 m Länge, Le Cosmos, Revue des sciences et leur application, 1886, S. 211. – [5] Ballif, Römische Straßen in Bosnien und der Herzegowina, Wien 1893. – [6] v. Alten und Osthof, Römische Bohlenwege in Oldenburg, Wochenbl. f. Arch. und Ingen. 1881, S. 295.

L. v. Willmann


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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