Mauerstärken

Mauerstärken

Mauerstärken. Bei Backsteinmauern kann als geringste Stärke der halbe Stein angesehen werden, jedoch nur für geringe Höhe und Breite einer Mauer. Abstufungen in der Verstärkung von Backsteinmauern sind dem Format entsprechend ebenfalls nur zu je 1/2 Stein möglich. Bei Quadermauern können als geringste Stärken 30–40 cm gelten, wenn die Stärke nicht geringer als die Schichthöhe ausfallen soll. Mauern aus Schichtsteinen sind 17–20 cm, aus lagerhaften Bruchsteinen 40 cm und aus unregelmäßigen Bruchsteinen mindestens 50–60 cm stark anzunehmen [1], S. 374. Für Abstufungen können 10–15 cm angenommen werden. In allen Fällen ist auch die Geschicklichkeit der Maurer und die Güte der verwendeten Mörtelart zu berücksichtigen.

Die der zulässigen Belastung entsprechenden Werte für Backsteinmauerwerk geben nach Böhme [3], S. 75 und 76, und [4] nachstehende Tabelle I, während Tabelle II die Zusammenstellung der Ergebnisse für Bruchstein- und Quadermauerwerk enthält. Die vom Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein aufgestellten »Normen« für die Berechnung der Belastung und Inanspruchnahme von Baumaterialien und Baukonstruktionen ([1], S. 377, und [5]) nehmen, wie Tabelle III und IV zeigen, verschiedene Mauerwerkklassen an und stellen für diese die zulässige Beanspruchung für den Quadratzentimeter fest. Ergibt sich in einem bestimmten Fall eine größere Beanspruchung für den Quadratzentimeter Lagerfläche, so muß die Querschnittfläche vergrößert, d.h. die Mauer stärker angenommen werden.


Mauerstärken

[344] Es bedeuten in Tabelle III:

A. Mauern nicht unter 45 cm stark und Tragpfeiler, deren kleinste Querschnittabmessung mindestens ein Sechstel der Höhe beträgt.

B. Mauern unter 45 cm stark und Tragpfeiler, deren kleinste Querschnittabmessung nur ein Sechstel bis ein Achtel der Höhe beträgt.

C. Pfeiler, deren kleinste Querschnittabmessung nur ein Achtel bis ein Zwölftel der Höhe beträgt.


Mauerstärken

Es bedeuten in Tabelle IV:

A. Geschlossene stärkere Quadermauern, Unterlagssteine, Widerlager, Bogensteine und sonstige Werkstücke, stärkere Tragpfeiler und Säulen, deren kleinste Querschnittabmessung mindestens ein Achtel der Höhe beträgt.

B. Stark unterarbeitete und zufälligen äußeren Beschädigungen ausgesetzte Werkstücke, ferner Säulen und dünnere Tragpfeiler, deren kleinste Querschnittabmessung ein Achtel bis ein Zwölftel der Höhe beträgt.

C. Ganz dünne Säulen und Tragpfeiler, deren Durchmesser bezw. kleinste Querschnittabmessung weniger als ein Zwölftel der Höhe beträgt unter Nachweis geeigneter Einzelanordnungen.

Wo schräg oder wagerecht angreifende Kräfte zu erwarten sind, wie bei Widerlagermauern, bei Stütz- und Futtermauern oder bei starkem Winde ausgesetzten Mauern, muß die Standfähigkeit gegen Verschiebung, Kippen und Biegen untersucht werden, woraus sich, entsprechend der sich ergebenden Stütz- oder Drucklinie (s.d.) größere Mauerstärken ergeben (vgl. [1], S. 382, [2], S. 65).

Für frei stehende, einen Raum umschließende, einstöckige, unbelastete Mauern bestimmt Rondelet [1], S. 385, [2], S. 70, [6] den Einfluß der Länge einer solchen Mauer auf die Stärke, indem er in einem aus Länge l und Höhe h gebildeten Rechteck die Diagonale zieht (Fig. 1), die Höhe in eine dem gewünschten Grade der Standsicherheit entsprechende Anzahl von n = 8 bis 12 gleichen Teilen teilt und aus dem Endpunkt B mit einem dieser Teile einen Kreisbogen 1 a schlägt. Der wagerechte Abstand a b der Lotrechten A B vom Schnittpunkt a auf der Diagonalen stellt die gesuchte Mauerdicke dar. Analytisch ist: a b = hl/n√(h2 + l2) wenn n den Sicherheitsgrad bedeutet.

Die so bestimmte Mauerstärke gilt für Backsteinmauern. Für andre Mauermaterialien kann die erforderliche Mauerstärke durch Multiplizieren mit den nachstehenden Verhältniszahlen gefunden werden, welche für die betreffenden Materialien bei gleichguter Ausführung und unter gleichen Verhältnissen auf die der Einheit gleichgesetzte Dicke einer Backsteinmauer Bezug nehmen [1], S. 374: Mauern aus Backsteinen = l, aus rein bearbeiteten Quadern = 5/8 bis 3/4, aus Schichtsteinen = 1, aus Zementbeton = 1, aus lagerhaften Bruchsteinen = 11/4, aus Kalksandstampfmasse = 11/4, aus unregelmäßigen Bruchsteinen = 13/4, aus Lehmsteinen = 13/4, aus Erd- oder Lehmstampfmasse = 2.

Bei Mauern einstöckiger Gebäude, die durch Balkenlagen oder Dächer belastet sind, macht Rondelet ihre Stärke von ihrer Höhe und der Gebäudetiefe t abhängig, so daß an Stelle von l die Größe t tritt (Fig. 2). Zur Verstärkung einer sehr langen Mauer werden Pfeilervorlagen oder Strebepfeiler (s.d.) erforderlich, zwischen welchen die Mauerstärke in gewöhnlicher Weise bestimmt wird. Bei mehrgeschossigen Gebäuden wird von Rondelet die Dicke der Umfangsmauern ebenfalls von der Tiefe des Gebäudes abhängig gemacht, jedoch wird hier zwischen Gebäuden mit und ohne Mittelmauer unterschieden. Bei den ersteren wird die geringste Mauerdicke über dem Sockel zu: ab = (t + h)/48, bei den letzteren ab = (2t + h)/48 gesetzt. In der Regel werden stockwerkweise die Mauern entsprechend der Abnahme der Belastung von unten nach oben um 12–15 cm verschwächt. Bei Außenmauern tritt zu allem Gesagten noch die Rücksicht auf Witterungseinflüsse hinzu, die sich namentlich bei Mauern mit Durchbindern geltend machen, weshalb 1 oder gar 1/2 Stein starke Backsteinmauern als geringste Stärken nur dann als genügend angesehen werden können, wenn außen wie innen eine hinreichende Schutzbekleidung (Putz-, Schiefer- oder Holzbekleidung u.s.w.) angebracht wird. Die in Berlin von der Baupolizei vorgeschriebenen Mauerstärken für Wohn- und Fabrikgebäude sind nachzusehen in [1], S. 393, [2], S. 76, [7]. Aehnliche Vorschriften sind auch in die Bauordnungen andrer Städte aufgenommen, worauf verwiesen wird.


[345] Literatur: [1] Handbuch d. Arch., 3. Teil, Bd. 2, 1. Heft, Darmstadt 1891, S. 373. – [2] Breymann, Baukonstruktionslehre; Die Konstruktionen in Stein, 6. Aufl., v. O. Warth bearbeitet, Leipzig 1896, S. 59. – [3] Handbuch d. Arch., 3. Teil, Bd. 1, 1. Heft, Darmstadt 1889. – [4] Tätigkeit d. Kgl. Prüfungsstat. f. Baumat. im Jahre 1878; Zeitschr. f. Bauw. 1880, S. 555. – [5] Wochenschr. d. Oesterr. Ingen.- u. Arch.-Ver. 1889, S. 1. – [6] Traité théorique et pratique de l'art de bâtir, Bd. 3, Lief. 5, Paris 1808, S. 187; Theoretisch-praktische Anleitung zur Kunst zu bauen, von J. Rondelet, Bd. 4, Leipzig, Darmstadt und Wien 1835, S. 122. – [7] Baugewerksztg. 1890, S. 152.

L. v. Willmann.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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