Körper von gleichem Widerstande

Körper von gleichem Widerstande

Körper von gleichem Widerstande heißen in der Elastizitäts- und Festigkeitslehre stabförmige Körper, für welche die bei der Dimensionierung maßgebenden Beanspruchungen in allen Querschnitten gleich groß sind.

Ein gerader Stab mit vertikaler Achse sei durch eine auf den Endquerschnitt F0 gleichmäßig verteilte Last P und sein eignes Gewicht von γ pro Volumeneinheit belastet (Fig. 1 und 2). Die Beanspruchung pro Flächeneinheit soll in allen Querschnitten σ betragen. Biegungen sind ausgeschlossen. Dann erhält man den nötigen Querschnitt Fx in Entfernung x von F0 und das Stabgewicht Gx von F0 bis Fx (Vx entsprechendes Volumen):


Körper von gleichem Widerstande

Soll der wie oben belastete Stab aus einzelnen Teilen der Längen l1, l2, ... und konstanter Querschnitte so hergestellt werden (Fig. 3), daß die größten Beanspruchungen aller dieser Teile von gleichem Werte σ und, dann folgen die Querschnitte:


Körper von gleichem Widerstande

wonach der Querschnitt des m ten Stabes von P aus allgemein und speziell begleichen Längen l:


Körper von gleichem Widerstande

S. a. Zugelastizität.

Bei gebogenen Stäben, Balken und Bogen (s.d.) pflegt bekanntlich die Dimensionierung auf Grund der größten Normalspannungen in den einzelnen Querschnitten zu erfolgen, was bei Berücksichtigung entsprechender Versuche über die Biegungsfestigkeit (s.d.) dann berechtigt ist, wenn sich übersehen läßt, daß zugleich genügende Sicherheit gegen die auftretenden Schubspannungen erreicht wird. Dies trifft indessen für horizontale Balken als Körper von gleichem Widerstande gewöhnlich nicht zu. Bezeichnen für einen solchen σ, τ die größten zulässigen Normalspannungen und Schubspannungen in den Querschnittselementen, Mx, Vx das Biegungsmoment und die Vertikalkraft in einem beliebigen Querschnitte, x J, W das Trägheitsmoment und Widerstandsmoment desselben, b die Breite der Achsschicht und S0 das statische Moment des Querschnittsteils auf einer Seite der Achsschicht in Hinsicht der letzteren, dann ist gegenüber den durch Mx erzeugten Normalspannungen nötig:

W = ± Mx/σ,

4.


während die durch Vx bedingten Schubspannungen in dem gewöhnlichen, auch hier vorausgesetzten Falle, daß letztere in der Achsschicht am größten sind, erfordern:

Jb/S0 = Vx

5.


(über J, W s. Bd. 1, S. 794).


Körper von gleichem Widerstande

[542] Nach diesen Gleichungen wären z.B. im Falle von Fig. 7


Körper von gleichem Widerstande

Es sind also die aus 4. mit Rücksicht auf Mx berechneten Dimensionen jedenfalls nur so lange verwendbar, als nicht aus 5. mit Rücksicht auf Vx ungünstigere Werte folgen, weshalb in der für das Lexikon berechneten Tabelle S. 541 die aus 4. und 5. folgenden Werte angegeben sind. Selbstverständlich lassen sich Näherungsformen bilden, welche beiden Bedingungen genügen, wie solche z.B. Fig. 9 und 10 für den Fall der Fig. 4 bei konstantem b und h darstellen. Die den Mx und Vx allein entsprechenden Dimensionen sind durch punktierte Linien angedeutet.

Da die Formeln 4., 5. auf der Voraussetzung gerader Stäbe mit horizontaler Achse beruhen, so sind die berechneten Querschnitte so anzuordnen, daß die Achsschicht eine horizontale Symmetrieebene bildet, was bei rechteckigem Querschnitt von konstantem b häufig unberücksichtigt bleibt, indem man die obere oder untere Begrenzungsfläche des Stabes horizontal wählt.

Die Untersuchungen, betreffend Körper von gleichem Widerstande, gehören zu den ältesten der Elastizitäts- und Festigkeitslehre. Bereits Parent, der 1713 zuerst die richtige Lage der neutralen Schicht horizontaler Balken erkannte, hatte sich in einigen Aufsätzen von 1704–1710 mit der Bestimmung »d'autant qu'on veut des figures d'égale résistance« beschäftigt. Auch Eytelwein behandelte in seiner Statik fester Körper 1808 (Bd. 2, S. 267, 335) eine Reihe von Fällen, wobei er noch, wie Galilei, die neutrale Schicht horizontaler Balken durch deren untere Grenze legte und die Normalspannungen in allen Elementen eines Querschnitts gleich groß annahm. Mit Navier [1] fand die übliche Behandlungsweise von Balken auf Grund von Mx, σ Eingang. Im Brückenbau und Hochbau hat man sich Trägern gleichen Widerstands durch Fachwerke zu nähern gesucht und ist damit z.B. bei konstanten Gurtungsquerschnitten auf die Paulischen Träger gekommen (s.d. und [2]). Auch bei Pfeilern, Talsperren, Türmen (Eiffelturm) spielen Formen möglichst gleichen Widerstands eine Rolle, wenn der Materialaufwand verringert werden soll, wie überhaupt eine Ingenieurkonstruktion in statischer Beziehung dann am vollkommensten dimensioniert wäre, wenn an allen Stellen gegen alle Zerstörungsarten die gleiche Sicherheit bestünde (vgl. Dimensionenberechnung). Doch ist dies nie vollständig erreichbar.


Literatur: [1] Navier, Résumé des leçons sur l'application de la mécanique, Paris 1826, S. 270. – [2] Kopeke, Ueber Träger von gleichem Widerstande, insbesondere die Anwendung derselben zu Brücken durch Laves und Pauli, Zeitschr. d. Arch.- u. Ing.-Ver. zu Hannover 1858, S. 292. – [3] Winkler, Die Lehre von der Elastizität und Fertigkeit, Prag 1867, S. 41, 71, 80, 82, 83, 86, 88, 101, 103, 110, 163. – [4] Renoust des Orgeries, Mémoire sur les poutres droites, Annales des ponts et chaussées 1871, II, S. 170. – [5] Weisbach, Lehrbuch der theoretischen Mechanik, Braunschweig 1875, S. 398, 536, 608. – [6] Grashof, Theorie der Elastizität und Fettigkeit, Berlin 1878, S. 44, 113, 131. – [7] v. Ott, Vorträge über Baumechanik, II, Prag 1880, S. 30, 138, 143, 149, 152. – [8] Léauté, Sur les solides d'égale résistance, Compt. rend. 1882, XCV, S. 1219. – [9] Ritter, A., Lehrbuch der technischen Mechanik, Leipzig 1884, S. 508, 542. – [10] Collignon, Cours de mécanique appliquée aux constructions, I, Paris 1885, S. 123, 131, 287, 421. – [11] Levy, La statique graphique et ses applications aux constructions, IV, Paris 1888, S. 197 (Fachwerke). – [12] Koenen, Ueber ringförmige Stäbe und Platten gleichen Widerstandes, Zentralblatt der Bauverwaltung 1888, S. 118. – [13] Tetmajer, Die angewandte Elastizitäts- und Festigkeitslehre, Leipzig und Wien 1904, S. 236, 487. – [14] Bach, Elastizität und Fettigkeit, Berlin 1905, S. 210. – Die meisten Lehrbücher über Festigkeitslehre behandeln einige Fälle der Körper von gleichem Widerstande.

Weyrauch.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 9., Fig. 10.
Fig. 9., Fig. 10.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Zugelastizität — wird die Elastizität (s.d.) gegen Beanspruchungen auf Zug (Bd. 3, S. 392, 711) genannt. Bei Versuchen in dieser Hinsicht pflegen prismatische Körper (Stäbe, Würfel) allmählich wachsenden Kräften P parallel ihrer Achse und möglichst gleichmäßig… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Druckfestigkeit — wird der Widerstand der Körper gegen den Bruch oder sonstige Störung der Kohäsion durch Druckkräfte genannt (s. Druck). Bei Versuchen in dieser Hinsicht werden prismatische Körper (kurze Stäbe, Würfel) allmählich wachsenden Drücken parallel ihren …   Lexikon der gesamten Technik

  • Zugfestigkeit — heißt der Widerstand der Körper gegen Trennung ihrer Teile durch Beanspruchungen auf Zug (vgl. Festigkeit, Bruch). Bei Versuchen in dieser[1027] Hinsicht pflegen prismatische Stäbe, gewöhnlich Rundstäbe oder Flachstäbe, allmählich wachsenden… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Biegung — nennt man solche Verschiebungen der Teilchen von Stäben oder Platten, durch welche Formänderungen ihrer Achse oder Achsschicht (s.d. und Achse eines Stabes) bedingt sind. An dieser Stelle soll die elastische Biegung von Stäben zur Sprache kommen… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Druckelastizität — wird die Elastizität (s.d.) gegen Beanspruchungen auf Druck (s.d.) genannt. Bei Versuchen in dieser Hinsicht pflegen prismatische Körper (Stäbe, Würfel) wachsenden Drücken parallel ihrer Achse und möglichst gleichmäßig verteilt auf die… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Paulische Träger — sind Balkenfachwerke (s.d.) mit einer Oeffnung, bei welchen alle Stäbe einer Gurtung oder beider Gurtungen gleiche Maximalbeanspruchungen erleiden. Man wollte hierdurch konstante Gurtungsquerschnitte und möglichst vorteilhafte Ausnutzung des… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Balken [1] — Balken (Balkenträger) nennt man in der Ingenieurmechanik solche ebene Träger (s.d.), bei welchen durch beliebige Belastung nur vertikale Stützenreaktionen entstehen, im Gegensatze zu Bogen, bei denen im gleichen Falle auch horizontale… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Liste von Merksprüchen — Merksprüche – auch: Eselsbrücken – dienen dem leichteren Merken von Fakten, Daten und Zusammenhängen durch einprägsame Sprüche. Eine detaillierte Erläuterung steht unter Merkspruch. Inhaltsverzeichnis 1 Sprachen 1.1 Altgriechisch 1.2 Althebräisch …   Deutsch Wikipedia

  • Träger [1] — Träger. Ein Träger ist ein materielles System (s. Bd. 6, S. 333), welches zur Aufnahme und Uebertragung von Lasten und andern äußeren Aktivkräften auf außerhalb desselben gelegene Stützen dient (vgl. Spannweite, Aktivkräfte, Belastung der Träger …   Lexikon der gesamten Technik

  • Festigkeit — Festigkeit, der Widerstand, den feste Körper der Zerstörung (Trennung oder Verschiebung ihrer Teile) durch äußere Kräfte (Belastungen) entgegensetzen (tropfbar flüssige und gasförmige Körper besitzen keine F.). Unter der Einwirkung äußerer Kräfte …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”