Flugmaschinen

Flugmaschinen

Flugmaschinen, Beförderungsmittel zur Bewegung durch die Luft. Man unterscheidet aerostatische (s. Lustschiffe) und dynamische Flugmaschinen. Die letzteren sind noch nicht verwertbar, haben indes in neuerer Zeit ebenfalls Fortschritte zu verzeichnen, besonders bei den Einzelflugmaschinen oder Flugapparaten (s. Kunstflug).

Die früher sehr häufig angestellten Versuche mit kleinen Modellen von Flugmaschinen boten für die Möglichkeit zu deren Ausführung im großen keine Gewähr, weil die Anforderungen an die Haltbarkeit der Baumaterialien und damit im Zusammenhang die Gewichte alsdann ganz andre werden. Fehler, die heute noch von den meisten Konstrukteuren von Flugmaschinen begangen werden, sind die, daß sie sich zu wenig um die im Luftozean herrschenden Windverhältnisse und um die dabei in Frage gestellte Stabilität ihrer Maschinen bekümmern.

Man unterscheidet gegenwärtig vier Systeme dynamischer Flugmaschinen [1], nämlich: 1. Schraubenflieger, 2. Flügelflieger (Schwingenflieger), 3. Drachenflieger, 4. Segelradflieger.

Einzelflugmaschinen sind Apparate, die an einem einzelnen Menschen zum Fliegen befestigt werden (s. Kunstflug). Unter Flugmaschinen im allgemeinen versteht man größere Konstruktionen, die nach Beendigung der Anfangsversuche für die Mitnahme mehrerer Personen konstruiert werden sollen.

Schraubenflieger, als Spielzeug jedermann bekannt, sind derart konstruiert, daß der Auftrieb durch mehrere, in verschiedenem Sinne an einer vertikal gestellten Achse rotierende Propellerschrauben, die Vorwärtsbewegung durch ebensolche an horizontal gelagerten Achsen bewirkt wird. Um beides miteinander zu vereinigen, sind auch Vorschläge gemacht worden, die Propeller an mehr oder minder geneigten Achsen anzubringen. Bei Vertretern dieser Systeme herrschen noch Meinungsverschiedenheiten darüber, ob wenige große Schrauben mit langsamer Rotation oder viele kleine mit großer Umdrehungsgeschwindigkeit den Vorzug verdienen. Jarolimek begründet den letzteren Standpunkt mit der Ansicht, daß viele kleine Schrauben weniger leicht den von ihm ermittelten Maximalbetrag des Gewichts pro Flächeneinheit überschreiten würden, wenn man sie sich aus Stahlblech gefertigt denkt. Von andrer Seite wird hiergegen geltend gemacht, daß viele kleine Schrauben mit großer Umdrehungsgeschwindigkeit die Luftwirbelbildung mit ihren unberechenbaren Einflüssen begünstigten und daß schon aus diesem Grunde große, langsamer rotierende Schrauben vorzuziehen seien. Einen Versuch mit einem Schraubenfliegermodell machte 1877 E. Forlanini in Mailand. Seine Maschine wog 3,5 kg und vermochte mit Hilfe eines kleinen Dampfmotors in 20 Sekunden sich bis zu einer Höhe von 13 m zu erheben. Wertvollere Versuche mit Schrauben bis zu 9 m Durchmesser machte 1899 Patrik Y. Alexander in Bath. Das Ergebnis war: 1. Die Hubkräfte stehen im quadratischen Verhältnis proportional der dritten Potenz der Umdrehungszahlen. 2. Der Arbeitsaufwand für die Zeiteinheit steht im kubischen Verhältnis der Umdrehungszahlen. 3. Die Hubkraft steht in bezug auf den Arbeitsaufwand im umgekehrten Verhältnis der Umdrehungszahlen [9].

Flügelflieger. Die Anhänger dieses Systems beabsichtigen, nach dem Vorbilde von Flugtieren Maschinen mit schlagenden Flügeln zu konstruieren. Bisher sind solche Konstruktionen nur in Projekten vorhanden oder in kleinen Modellen- als sogenannte künstliche Vögel. Von dieser Richtung hatte sich der Ingenieur O. Lilienthal in Berlin abgezweigt [1]–[3], der mit Erfolg die Methode des persönlichen Kunstfluges vertrat. Er begann zunächst mit zwei Flügeln von 14 qm Tragfläche und 7 m Spannweite durch Abspringen von einem hohen Hügel gegen den Wind Strecken von über 200 m Länge schwebend in der Luft zurückzulegen. Nachdem er hierin genügende Gewandtheit erreicht hatte, beabsichtigte er, einen leichten Motor mitzunehmen, um allmählich den Flügelschlag mit dem Schweben zu vereinigen. Die hierdurch bedingte Gewichtsvermehrung hatte aber eine Vergrößerung der Tragfläche zur Folge, die Lilienthal durch zwei übereinander stehende Flächen ausführte [3]. Er baute eine derartige Maschine von nur 5,5 m Spannweite und 18 qm Fläche, die sich sehr gut handhaben ließ wegen der energischen Wirkung jeder Schwerpunktsverschiebung, die Lilienthal durch die Lage der Beine hervorrief. Mit dieser Maschine konnte er bei Wind von über 10 m pro Sekunde den Flug[101] wagen und schon bei Wind von 6–7 m pro Sekunde beinahe horizontal von der Spitze seines künstlichen Hügels abschweben. Mit einem größeren Apparat von 7 m Spannweite und 25 qm Fläche, der natürlich schwieriger zu handhaben ist, waren die Versuche noch nicht abgeschlossen, als leider am 10. August 1896 der kühne Forscher infolge eines Sturzes starb. Die von Lilienthal geschaffene neue Richtung hat besonders in England, Frankreich und Amerika viele Anhänger gefunden [4], [5].

Drachenflieger bestehen aus einer Vereinigung von schief gegen den Horizont gestellten Flächen mit maschinellen Antriebsvorrichtungen. Die Drachenflächen sollen hierbei den Auftrieb vermitteln, die Stabilität in der Luft sichern und ein sanftes Herabkommen ermöglichen, von diesen Anforderungen ist die erste stets erfüllt worden. Die Stabilität hingegen sowie das sichere Landen sind Fragen, deren Lösung in der Zukunft liegt. Nachdem eine große Anzahl von Modellen im kleinen das Fahren eines Drachenfliegers gezeigt hatten, baute der Engländer Horatio Philipps 1892 einen größeren Apparat, den er 1893 in einer Rundbahn mit einigem Erfolg versuchte (vgl. [6]). Seine Drachenfläche (Fig. 1) bildete eine 5,5 m breite, 2,4 m hohe Jalousie von vielen nur 38 mm breiten, im Querschnitt parabolisch gekrümmten Latten. Diese Fläche war auf einem Wagen montiert, den eine Dampfmaschine mittels einer zweiflügeligen Propellerschraube vorwärtsbewegte. Der Apparat hob sich in der Rundbahn von 191 m Umfang 60–90 m hoch; sein Gewicht mit Belastung betrug 183 kg, seine Tragfläche 12,65 qm, seine Geschwindigkeit etwa 12 m pro Sekunde. Gleichzeitig machte H. Maxim in den Jahren 1891 bis 1894 Versuche mit Drachenfliegern, die zum Bau eines großen derartigen Apparates führten, der imstande war, drei Menschen zu tragen. Maxims Flugmaschine (Fig. 2) bestand aus breiten verstellbaren Tragflächen von 360–450 qm Größe. Den Antrieb gaben zwei zweiflügelige Propellerschrauben, die durch eine mit Petroleum geheizte Dampfmaschine von 363 PS. rotiert wurden. Die Flugmaschine war auf Rädern montiert; sie lief auf einer etwa 540 m langen Schienenbahn. Das Totalgewicht dieser größten bisher konstruierten Flugmaschine betrug mit drei Menschen, Wasser und Feuerung 3632 kg. Bei einer Geschwindigkeit von etwa 16 m pro Sekunde und bei 375–400 Schraubenumdrehungen in der Minute und Stellung der Tragfläche unter 71/8° wurde die Auftriebskraft der Flugmaschine zu 4540 kg gemessen [4]–[6].

Wenn es hiernach feststeht, daß unsre heutige Technik wohl imstande ist, Flugmaschinen zu bauen, so ist sie doch noch weit davon entfernt, solche für den freien Flug in der Luft stabil und für Abfahrt und Landung praktikabel herstellen zu können. Weitere Versuche in dieser Richtung machte unabhängig von Maxim seit 1891 Langley. Nachdem er zur Erkenntnis gelangt war, daß geneigte Flächen, die mehr als tausendmal schwerer als die Luft sind, in dieser schwebend erhalten werden können, sobald ihnen eine große horizontale Geschwindigkeit erteilt wird, und daß solche Geschwindigkeiten mit unsern heutigen Motoren sich erreichen lassen, baute er Flugmaschinenmodelle der Klasse der Drachenflieger. Ueber den im Jahre 1896 mit einem solchen angestellten Versuch berichtet uns Graham Bell: Der Drachenflieger besaß eine leicht gekrümmte Fläche von im ganzen etwa 4 qm Größe. Die sehr leichte Maschine hatte beinahe 1 PS., der ganze Apparat wog mit Brennstoff und Wasser etwa 13–14 kg. Die Flugmaschine wurde von einem Kahne aus auf dem Potomakflusse losgelassen. Infolge ihrer automatischen Steuerung flog sie in einer Spirale von etwa 100 m Durchmesser und stieg dabei bis auf 25 m Höhe, worauf sie sich nach 1 Minute 30 Sekunden mit dem Stoppen der Maschine ruhig herniedersenkte. Die ganze Fahrtlänge wurde bei einem ferneren Versuch auf 900 m geschätzt, die mittlere Geschwindigkeit auf 10 m pro Sekunde. Langleys Versuche wurden 1903 mit einer großen Modellmaschine fortgesetzt. Letztere hatte vier Tragflächen von je 6,7 m Länge und 3,3 m Breite. Die Maschine klafterte 14,3 m und wurde von einer 21 m langen Gleitvorrichtung mit einer Geschwindigkeit von 12 m pro Sekunde gegen den Potomakfluß losgelassen, nachdem Mr. Manley darin Platz genommen hatte. Der Drachenflieger fiel indes sofort nach dem Verlassen der Bahn ins Wasser und wurde hierbei zerstört [9]. Einen weiteren erwähnenswerten Versuch machte Ingenieur W. Kreß 1898–1902 mit einem Drachenflieger mit drei gewölbten Tragflächen von einem Areal von 90 qm und von rund 700 kg Gewicht mit zwei Personen und einem 35-PS.-Daimler-Motor. Er wollte sich von der Seefläche bei Tullnerbach aus erheben, kippte aber beim Versuch um und versank [9], [10]. Seitdem haben Versuche mit größeren Drachenfliegern nicht mehr stattgefunden.

[102] Einer besonderen Klasse gehört der Segelradflieger von Wellner [8] an. Das Segelrad besitzt, ähnlich den Morgan-Rädern der Raddampfer, durch Exzenter bei der Rotation drehbare Tragflächen. Die Segelräder, deren jede Flugmaschine wenigstens zwei haben muß, liegen mit ihrer Achse in der Fahrtrichtung und sollen durch ihre Tragflächen den Apparat heben, durch ihre schraubenförmig gestellten, breiten Radspeichen ihn horizontal vorwärtstreiben. Versuche, die auf Kosten des Oesterreichischen Ingenieur- und Architektenvereins mit einem Segelrade angestellt wurden, hatten folgendes Resultat: Der Durchmesser des Rades betrug 4,77 m, die Tragflächen waren 3 m lang, 1 m breit; das Gewicht war 292 kg. Der größte Auftrieb ergab sich mit vier Flächen bei 17,75 m Umfangsgeschwindigkeit mit 55 kg bei 9,46 PS. – Nach Wellner beträgt die Tragfähigkeit seines Rades pro Quadratmeter Segelfläche bei 20 m Umfangsgeschwindigkeit 5,00–7,00 kg, bei 25 m 7,81–10,93 kg, bei 30 m 11,25–15,75 kg. Die Hebeleistung des Rades bei einer Stellung der Flächen unter 121/2° war für je 1 PS. netto Arbeitsverbrauch bei einer Umfangsgeschwindigkeit von 5 m 40,7 kg, 10 m 58,8 kg, 15 m 33,1 kg, 17,5 m 23,2 kg. Der relativ beste Hebeeffekt liegt also bei den geringeren Geschwindigkeiten, was durch die mit der zunehmenden Geschwindigkeit eintretenden Hörenden Luftwirbelbildungen zu erklären ist [3].

Während im allgemeinen ein horizontaler Flug (Gradflieger) angestrebt wird, gibt es auch eine Richtung, die sich vom wellenartigen Fluge (Wellenflieger) insofern mehr verspricht, als sie annimmt, daß beim Abflug von einem hohen Punkte im absteigenden Aste der Flugbahn so viel lebendige Kraft gesammelt werden kann, daß die Flugmaschine durch geeignete Winkelstellung ihrer Fläche wieder gehoben werden könnte. Was hierbei an Kraft durch Widerstände verloren geht, soll durch Motorkraft erzeugt werden. Flugmaschinen dieser Klasse sind zurzeit nur in Projekten (W. Clark 1865, Wellner 1883, Platte 1883 u.a.) vorhanden. Man bezeichnet dieselben mit dem Namen Wellenflieger [3].


Literatur: [1] Moedebeck, Taschenbuch für Flugtechniker und Luftschiffer, Kap. 13: Hoerneß, Dynamische Luftschiffe, Berlin 1904. – [2] Lilienthal, O., Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst, Berlin 1889. – [3] Zeitschr. f. Luftschiffahrt und Physik der Atmosphäre, Berlin 1882–1900. – [4] Means, J., The Aeronautical Annual 1896, Boston, Mass. – [5] Chanute, O., Progress in flying machines, New York 1893. – [6] XXIII. Report of the Aeronautical Society of Great Britain, London 1893. – [7] L'Aéronaute bulletin mensuel illustré de la navigation aérienne, Paris 1868–1905. – [8] Wellner, Dynamischer Flug und die Segelradflugmaschine, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1894, S. 1024. – [9] Illustrierte Aeronautische Mitteilungen, deutsche Zeitschr. für Luftschiffahrt, Straßburg i. E. 1897–1906. – [10] Kreß, Aviatik, Wie der Vogel fliegt und wie der Mensch fliegen wird, Wien 1905.

Moedebeck.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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