Eisenbahngeschütz

Eisenbahngeschütz

Eisenbahngeschütz (E-Geschütz), eine Waffe, die durch ihren Aufbau nicht nur zum Transport auf Eisenbahngleisen eingerichtet ist, sondern auch vom Gleis aus feuern kann.

Die Lafette dieser Geschütze ist entweder auf dem Wagengestell fest aufgebaut oder sie bildet, besonders bei großen Kalibern, einen Teil dieses Eisenbahnfahrzeuges und ist so bemessen,[163] daß ihre Umgrenzungslinien innerhalb des Ladeprofils der Eisenbahnwagen fallen. Die Lafetten der größeren Geschütze ruhen je nach den zulässigen Raddrücken und der sich daraus ergebenden Anzahl der Achsen mit oder ohne Zwischenträger auf Drehgestellen. Die Zahl der Achsen ist so bemessen, daß auch ein Schießen vom Gleise ohne besondere Vorbereitungen möglich ist, dies bei den schweren Geschützen zwar nur in Richtung des Gleises oder, mittels der Seitenrichtmaschine der Lafette, mit geringer seitlicher Abweichung. Um trotz der beschränkten Richtmöglichkeit mit den Eisenbahngeschützen größere Sektoren bestreichen zu können, ist für sie ein eigenartiges Richtverfahren ausgebildet worden: wird ein solches Geschütz in einem Gleisbogen verschoben, so ändert sich die Richtung der Rohrachse nach der Stellung im Bogen. Das Geschütz kann auf diese Weise in jede gewünschte Richtung, welche der Gleisbogen zuläßt, durch Knippstangen von den Mannschaften oder auch durch Lokomotiven geschoben werden. Hierzu wurden an den beabsichtigten Feuerstellungen Anschlußbogengleise von der Bahnstrecke abgezweigt. Bei mittleren Kalibern mit weniger starkem Rückstoß ist ein Schießen gegen schräg zur Gleisrichtung liegende Ziele nach Anbringung von seitlichen Abstützungen leicht zu ermöglichen, was nur kurze Vorbereitungen erfordert. Bei kleineren Kalibern von etwa 10,5 cm abwärts kann ohne weiteres vom Gleise aus nach allen Richtungen geschossen werden, was das kleinkalibrige Eisenbahngeschütz besonders als Luftzielbekämpfungswaffe geeignet macht (s. Fig. 1).

Um aber auch bei schweren Eisenbahngeschützen unabhängig von den Gleisen richten zu können, hat die Firma Krupp Einrichtungen geschaffen, welche es ermöglichen, die Geschütze in sehr kurzer Zeit auf vorbereitete Bettungen abzusetzen. Bei Geschützen bis hinauf zu etwa 28 cm Kaliber (s. Fig. 2) wird das Geschütz über die vorbereitete Bettung gefahren, das Schienenstück zwischen den Drehgestellen fortgenommen, das Geschütz soweit angehoben, daß man die Drehgestelle abfahren kann, und das Geschütz dann so gesenkt, daß das Drehzapfenlager des Lafettenrahmens sich auf die Bettung setzt; an dieser wird es mit Schrauben beteiligt. Die am hinteren Teile des Lafettenrahmens angebrachten Laufrollen kommen dann auf eine Laufbahn der Bettung zu stehen. Das Eisenbahngeschütz wird hierdurch in kurzer Zeit in ein Vorderpivotgeschütz umgewandelt. Die notwendigen Hebe- und Senkvorrichtungen führt das Geschütz mit sich. Die Geschütze mit mehr als 28 cm Kaliber (s. Fig. 3) machen andere Ausführungsformen zum Absetzen auf die Bettung notwendig. Hierfür wurden von der Firma Krupp Drehscheiben ausgebildet, welche auf Kugellagern ruhen, auf welche der mittlere Teil des Lafettenrahmens aufgesetzt und befestigt wird. Das Eisenbahngeschütz wird hierdurch in ein Mittelpivotgeschütz umgewandelt.

Als Bettung dienen entweder Fundamente aus Eisenbeton oder Unterbauten, welche aus Walzeisen und Blechen zusammengesetzt werden. Die zusammengeschraubten Teile dieser Eisenunterbauten können schneller als Betonfundamente eingebaut werden und lassen sich auch leicht auseinandernehmen; zudem ist der Transport der Unterbauten einfacher als der Materialtransport für die Eisenbetonbauten. – Die Vorzüge der Eisenbahngeschütze liegen in erster Linie darin, daß sie schnell und überraschend eingesetzt, schnell in eine neue Stellung oder in Sicherheit gebracht und formt der feindlichen Einwirkung entzogen werden können. Bei Beschädigungen kann man sie in kurzer Zeit in die Ursprungswerkstatt zurückführen. Der Munitionsnachschub ist einfach. Sie allein ermöglichen den Einsatz schwerster Kaliber im Stellungskrieg. Für den Küstenschutz ist das Eisenbahngeschütz besonders geeignet. Die Bettungen können schon in Friedenszeiten vorbereitet werden; sie sind der Kenntnis des Feindes leichter zu entziehen als vollständige Batterieanlagen. Die Eisenbahngeschütze können schnell an bedrohte Punkte herangeführt werden und werden auch bei überraschenden Angriffen noch rechtzeitig[164] in den Kampf zwischen Küste und Schiff eingreifen. – Mit den Geschützwagen werden Munitionswagen, welche besondere Ladeeinrichtungen (Laufkatze, Schrägaufzug, Fördergestell, Ladetisch) haben, Bedienungswagen und Wagen zum Transport der Bettungen zu ganzen Zügen vereinigt.

Geschichtliches. Sowohl im amerikanischen Sezessionskrieg als auch 1870/71 bei der Belagerung von Paris fanden Eisenbahngeschütze Verwendung; es waren Geschütze leichten oder mittleren Kalibers, welche auf gepanzerte Güterwagen montiert waren. Der Verteidigung von Paris diente die Gürtelbahn zum Verschieben der Eisenbahngeschütze. Im Sudanfeldzug und im Burenkrieg verwendeten die Engländer Panzerzüge, zum Teil mit Eisenbahngeschützen. Vor dem Weltkrieg waren verschiedene Staaten in Versuche mit großkalibrigen Eisenbahngeschützen zur Küstenverteidigung eingetreten. Frankreich verwendete diese Versuchs-Eisenbahngeschütze schon zu Beginn des Krieges, um das Uebergewicht der deutschen schweren Artillerie auszugleichen. 1916 verfügte Frankreich über 16 Arten von Eisenbahngeschützen, von 9,5 cm bis 40 cm Kaliber, die schwereren Geschütze meist der Küsten- bezw. Schiffsartillerie entnommen. England führte Eisenbahngeschütze schweren Kalibers von 30,5 bis 37 cm.

Zum Schießgebrauch der schweren Geschütze, z.B. 30,5 cm K. L/40, verwendeten die Franzosen nachstehende Einrichtung: das auf zwei fünfachsigen Drehgestellen ruhende Geschütz wurde auf eine Trägerbahn gestützt, welche neben den Gleisen rechts und links eingebaut war. Die Abstütz- (zugleich auch Brems-) Vorrichtung wurde mittels starker Schrauben, welche mit Handkurbeln betätigt wurden, abgesetzt. Da jede Aenderung der Seitenrichtung viel Zeit erforderte, so gab man den späteren Neubauten eine kräftige Rohrrücklaufhemmung mit Wiegenträger, so daß die Lafette bezw. die Drehgestelle beim Schuß weniger beansprucht wurden und die Seitenrichtung um je 12° geändert werden konnte, ohne das Geschütz zu bewegen. An Stelle der Abstütz- und Bremsvorrichtung genügten Stützkeile, welche zwischen den Lafettenrahmen und die Trägerbahn an durch Winkeleisen bestimmte Plätze geschoben wurden. Um ein Kippen des Geschützes beim seitlichen Abschwenken der Wiege zu verhüten, waren stützende Ausleger angebracht.

F. Wille.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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