Drechslerei

Drechslerei

Drechslerei umfaßt nicht nur die Herstellung gedrehter Gegenstände aus Holz, Horn, Elfenbein u.s.w., sondern auch diejenige ganzer Gebrauchs- und Schmuckgegenstände, wie Spazierstöcke, Schirmgriffe, Türdrücker, Pfeifenrohre, Knöpfe, Gefäße, und Schnitzwaren, wie Zigarrenspitzen, Schachfiguren u. dergl.

Das Hauptwerkzeug der Drechsler ist die Drehbank. Sie unterscheidet sich von derjenigen für Metallarbeiten durch leichte und einfache Bauart. Das Gestell besteht aus Holz oder aus Gußeisen. Das Einspannen der Arbeitsstücke erfolgt entweder mittels verschiedener Futter oder zwischen Spitzen, die Mitnahme des Werkstückes in letzterem Falle nicht durch Mitnehmerscheibe, sondern durch den Dreizack, Dreispitz oder Zwirl. Dieser besteht aus einer kleinen Scheibe mit einer mittleren und zwei seitlichen Spitzen, welche in die Endfläche des Arbeitsstückes eingedrückt werden. Die Umdrehungsgeschwindigkeit der Drehbänke ist abhängig von der Härte des Stoffes und beträgt für Holz bis zu 2000 Umdrehungen in der Minute. Die günstigsten Umdrehungsgeschwindigkeiten sind für hartes Holz 200–300 mm in der Sekunde und für weiches 500–750 mm, selbst bis 2 und 4 m. Die Spanbreite (Schaltung) beträgt 1–1,25 mm. Der Arbeitsverbrauch beträgt für Holzdrehbänke nach Hartig [1] bei Fichtenholz in Pferdestärken: N = 0,05 + 0,0023 n + 10,6 V, worin n die minutliche Umdrehungszahl und V die stündliche Spanmasse in Kubikmetern pro Stunde bedeutet.

Die Drehstähle unterscheiden sich von denen zur Metallbearbeitung durch größere Breite, weil breitere Späne genommen werden, durch kleineren Zuschärfungswinkel, der etwa 20–30° beträgt, und größeren Anstellungswinkel, etwa 15–25°. Die am meisten verwendeten Drehstähle sind die Röhren (Hohlmeißel, Schrotmeißel) und der Stichel (Dreh- oder Schlichtmeißel). Die Röhre ist rinnenartig ausgeführt und hat halbkreisförmigen Querschnitt. Sie dient zum Drehen aus dem Groben (Schruppen). Ihre Breite beträgt 6–36 mm. Die Zuschärfung liegt gewöhnlich an der Innenseite. Der Stichel dient zum Schlichten (Reindrehen). Er hat eine gerade oder schwach bogenförmige, schräg etwa im Winkel von 70° zur Achse stehende Schneide, die von beiden Seiten zugeschärft ist. Die Breite des Stichels beträgt 6–50 mm.

Zur Herstellung mancher Arbeiten sind noch andre Drehwerkzeuge erforderlich. Der Ausdrehstahl dient zum Ausdrehen oder Erweitern von Höhlungen, die mittels Bohrers vorgebohrt sind. Er hat eine seitwärts stehende Schneide. Der Spitzstahl dient zum Einschneiden spitzwinkliger Furchen, der Schlichtstahl zum Schlichten (Reindrehen) harter Hölzer. Er ist höchstens 25 mm breit und unterscheidet sich von dem Stichel durch die geradestehende Schneide. Mit dem Stichstahl, einem sehr schmalen Werkzeug, werden rechtwinklige Furchen eingedreht. Mit dem Haken- und Mondstahl werden Höhlungen mit bauchigen Wandungen erweitert. Das Baucheisen, der Ausdrehhaken, der Einschneider und Zweischneider sind hakenförmig gekrümmt und dienen zum Bearbeiten großer ebener Flächen oder zur Herstellung schalenförmiger Vertiefungen oder der Bodenflächen von Hohlkörpern. Häufig gebraucht der Drechsler auch hobelartige Werkzeuge, um ein zu tiefes Eindringen der Schneide in das Werkstück zu verhindern. Auch sind die Hobeleisen mit verschiedenartigen Profilen versehen, um Auskehlungen und Verzierungen unmittelbar ausdrehen zu können. – Die Drehwerkzeuge werden entweder freihändig geführt und hierbei zur Unterstützung derselben auf eine Auflage oder Vorlage (vgl. Drehbank, Fig. 1) gelegt oder sie werden wie bei Metalldrehbänken in das Stichelhaus eines Werkzeugschlittens eingespannt.

Von Bohrern gebraucht der Drechsler besonders den einschneidigen Löffelbohrer mit halbkreisförmigem Querschnitt, den Plattbohrer aus Rund- oder Vierkantstahl mit zwei in einem Winkel von 80–120° stehenden Schneiden, den Hornbohrer oder aufgeworfenen Bohrer zum Bohren feiner Löcher in Horn oder andern harten Stoffen, den Kanonenbohrer zum Bohren kleiner Löcher in Knochen, den Zwirl, einen mit einer Führungsspitze und zwei seitlichen Flügeln verschiedener Form versehenen Bohrer zur Herstellung von Ringen, Kugeln u.a. zum Schmuck für Schirmgriffe, Halsbänder u. dergl., den Korkbohrer, aus einem dünnen, scharfen Messingrohr bestehend, zum Schneiden von Kork und Gummi, den Perlbohrer mit halbkugelförmiger Ausdrehung zum Ausbohren von Perlen in Gestalt von Halbkugeln, ferner den Zentrum-, Kronen- und Spiralbohrer (s. Bohrer). Zum Bohren von Glas dient eine kurz angeschliffene Dreikantfeile.

Fräsvorrichtungen dienen zur Erzeugung von Profilen, Kannelierungen, Nuten u. dergl. Die Sägen (s.d.) haben für harte spröde Stoffe feine enge Zähne. Bei den Raspeln unterscheidet man Holz- und Hornraspeln, erstere mit gröberem Hieb. Die Kreisraspel macht etwa 1000 Umdrehungen in der Minute. Zur Formgebung von Stockgriffen, Türdrückern u. dergl. werden auch Holzscheiben mit aufgeleimtem Schmirgel oder Feuerstein verwendet. Die Feilen dienen ebenfalls zur Formgebung von Arbeitsstücken.

Besondere Drechslerwerkzeuge sind der Ziehstock mit dem Ziehfutter zur Herstellung von Schirmstöcken, Portierenstangen u.a., der Ziehhobel, als Ersatz für den Ziehstock, ferner Schleifvorrichtungen für Stöcke, für kannelierte Gegenstände, wie Schirmgriffe u. dergl., die Gravierkugeln und Schnittklötze, auf denen die mit Gravierungen zu versehenden Gegenstände eingespannt oder festgeklebt werden, um sich besser handhaben zu lassen. Der Drücker dient zur Erzeugung kleiner Verzierungen (Sterne, Kreuze, Blüten).

Der Arbeitsvorgang in der Holzdrechslerei besteht gewöhnlich darin, daß das Holz zunächst mit der Säge in Stücke von der erforderlichen Größe zerschnitten, mit dem Beil behauen und mit dem Ziehmesser weiter bearbeitet wird, bevor es auf die Drehbank kommt. Die fertig gedrehten Gegenstände werden geglättet, gebeizt und poliert. Das erste geschieht mit Sand- oder Glaspapier, mit Schachtelhalm oder mit Bimssteinpulver und Oel auf Filzscheiben. Ueber Beizen[56] und Polieren s.d. – Die bekannten metallglänzenden Ringe an hölzernen Spielwaren erhält man dadurch, daß man ein schmales Stück Zinn gegen die sich rasch drehenden Gegenstände hält. Hierbei wird das Zinn bis zum Schmelzpunkte erhitzt und bleibt haften. Dunkelbraune glänzende Ringe erzeugt man durch Gegenhalten eines Stückes harten Eichenholzes, wodurch eine oberflächliche Verkohlung bewirkt wird. Von hölzernen Gegenständen, die besonders häufig in der Drechslerei hergestellt werden, sind zu nennen: Ringe für Vorhänge, Scheiben und Reifen, Kinderspielzeuge, Tierfiguren, Geländerstäbe, Stuhl-, Tisch- und Klavierfüße u.s.w.

Das Drehen unrunder Arbeitsstücke erfolgt wie bei Metallgegenständen (s. Passigdrehen). Häufig kommen auch mehrere Stähle hintereinander zur Anwendung. Gewundene Säulen an Möbeln u. dergl. werden durch ein besonderes Verfahren (Gewundendrechseln) hergestellt, indem das Arbeitsstück mit einer Welle verbunden wird, die sich beim Drehen verschiebt. Eine Maschine zum Gewundendrehen konischer Säulenschäfte ist in, D.R.P. Nr. 119245 beschrieben.

Das Guillochieren (s.d. und Drehen) wird in der Drechslerei nur selten angewendet, weil das Holz infolge seiner Weichheit sich zum Einschneiden feiner Verzierungen nicht gut eignet. Desgleichen sind hölzerne Schrauben selten anzutreffen, da sie wegen der leichten Spaltbarkeit des Holzes nicht genügend fest sind. Der Kantenwinkel von Holzschrauben beträgt etwa 60–90°, die Ganghöhe etwa ein Fünftel des Durchmessers, bei dünnen Schrauben ein Viertel und darüber.

Von Patenten über Holzdrehbänke sind zu nennen: D.R.P. Nr. 108016. Das Werkstück wird hier durch einen parallel zur Drehachse geführten Hobel abgedreht, dessen Schneidekante zur Drehachse schiefwinklig steht, um in der zur Drehachse parallel laufenden Faserrichtung schneiden zu können; D.R.P. Nr. 122705 (Bohren und Abdrehen hölzerner Hülsen); D.R.P. Nr. 142430 (Herstellung von Holzröhren); D.R.P. Nr. 139155 (Fräsen und Glätten gebogener und gerader Holzrundstäbe); D.R.P. Nr. 118521 (wechselnde Drehvorrichtung zur Herstellung gewundener Holzstäbe; das Werkstück wird mit der Antriebsspindel und der Spindel des Reitstockes durch eine Schablone bei der einen Drehrichtung nach rechts, bei der andern nach links verschoben, um eine schiefstehende oder gewundene Gliederung durch den feststehenden Schneidstahl zu erzeugen); D.R.P. Nr. 122244 (Gewindeschneiden an Holzpflöcken); D.R.P. Nr. 153064 (größere Anzahl gemeinschaftlich angetriebener Mitnehmerspindeln und gemeinsamer, die Messer haltender Messerbalken).

Im Drechslergewerbe kommt eine große Reihe der verschiedensten Stoffe zur Verarbeitung. Von ihnen entflammen dem Pflanzenreiche das Holz, die Stein- und Kokosnüsse, die Rohrarten, Gagat oder Jet und Bernstein, dem Tierreiche Knochen, Elfenbein, Walroß, Horn, Geweih, Perlmutter u.a., dem Mineralreiche Meerschaum, Serpentinstein, Alabaster u.a. Ueber die Bearbeitung und Verwendung der verschiedenen Stoffe ist folgendes zu bemerken:

Horn läßt sich feilen und wird mit Schmirgel und Feuerstein geglättet und mit Bimsstein und Oel poliert. Aus Horn werden besonders Stockgriffe, Pfeifenköpfe, Kämme u.s.w. hergestellt. Die edelste Hornart ist das Schildpatt oder Schildkrot. Imitiertes Schildpatt wird aus durchsichtigem Horn durch Beizen hergestellt, imitiertes Horn aus Celluloid. Verziert werden Hornarbeiten durch Sandstrahlgebläse oder durch Einpressen von Intarsien und durch Vergolden und Versilbern. Horn und Schildpatt lassen sich löten, indem reine abgefeilte Stellen erwärmt und in weichem Zustande zusammengepreßt werden.

Elfenbein wird mit Wasser und Schlemmkreide mittels Filzscheiben oder auf einer Lederscheibe mit Bimsstein geschliffen. Zum Polieren dient Stearinöl und Wiener Kalk. Gebleicht wird Elfenbein durch Wasserstoffsuperoxyd und gebeizt durch übermangansaures Kali. Elfenbeinimitation wird aus Celluloid hergestellt. Hirschhorn läßt sich ebenso bearbeiten wie Elfenbein. Desgleichen lassen sich Knochen, die zunächst durch Auskochen oder Dämpfen entfettet werden, wie Elfenbein bearbeiten, nachdem man sie längere Zeit in Wasser gelegt hat.

Bernstein läßt sich trotz seiner Sprödigkeit gut drehen und schnitzen. Geschliffen wird er mit Wasser und Schlemmkreide, poliert mit Spiritus und Wiener Kalk. Dem Behauen der Bernsteinstücke folgt das Zerschneiden mit einer seinen Säge, darauf das Drehen und Feilen. Bernstein läßt sich biegen, nachdem er eine Zeitlang in Oel gelegt und dann vorsichtig erwärmt ist. Bernsteinabfälle werden zu Bernsteinfirnis oder zu Imitationen verarbeitet. Sie werden dann durch Schwefelkohlenstoff und Aether in eine plastische Masse verwandelt und in Formen gepreßt.

Meerschaum – Magnesiasilikat – wird gedreht, geschnitzt und geschliffen, darauf werden die fertigen Arbeiten in Wachs gesotten. Hierdurch treten die Fehler des Meerschaums deutlich hervor, auch bräunen sich die zu Rauchwaren bestimmten Gegenstände nach dem Sieden gut gleichmäßig. Dem Sieden folgt ein nochmaliges Schleifen und Polieren. Unechter Meerschaum wird aus den Abfällen des echten hergestellt.

Perlmutter wird in der Hauptsache auf dem Schleifstein verarbeitet.

Hartgummi läßt sich ebenso wie Horn verarbeiten.

Celluloid, eine Auflösung von Schießbaumwolle in einer Kampferlösung, wird durch Pressen in verschiedene Formen gebracht.

Kokosnuß und Steinnuß werden wie Elfenbein verarbeitet. Erstere wird zu Ziergefäßen, Pokalen, Dosen, Serviettenringen u.a., letztere zu Knöpfen an Stöcken, Schirmen u.s.w. verwendet.

Aus Serpentinstein (kieselsaure Talkerde) werden Säulen, große Vasen und Luxusgegenstände, wie Leuchter, Briefbeschwerer u.a., hergestellt.

Aehnlichen Zwecken dient der Speckstein (Venezianische oder Spanische Kreide), der dem Serpentinstein chemisch nahesteht.

Gagat (Pechkohle oder Jet), auch schwarzer Bernstein genannt, ist eine Art Braunkohle und wird zu Halsketten, Ohrgehängen u.s.w. gebraucht. Gewöhnlich wird Gagat durch Hartgummi imitiert. Die Verarbeitung von Jet, Marmor und Alabaster, Serpentinstein und Speckstein[57] erfolgt durch Sägen, Raspel und Meißel, die Bearbeitung auf der Drehbank durch Sägefeilen, bei sehr harten Stücken durch Diamantdrehstähle. Geschliffen werden sie mit Sandpapier, Bimsstein u. dergl. Auch werden sie gebeizt und künstlich gefärbt.


Literatur: Karmarsch-Fischer, Mechanische Technologie, 2. Bd., Die Bearbeitung der Metalle und der Hölzer, Leipzig 1891; Stübling, R., Das Drechslergewerbe, Weimar 1896; Ders., Bearbeitung und Verwendung der Hölzer und plastischen Materialien, Berlin.

Dalchow.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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