Bergrecht

Bergrecht

Bergrecht, der Inbegriff der sich auf den Bergbau beziehenden Rechtsvorschriften. Unter Bergbau in diesem Sinne versteht man diejenige Tätigkeit, die auf die Gewinnung und mechanische Aufbereitung solcher Mineralien gerichtet ist, die auf Grund besonderer Rechtsvorschriften der Verfügung des Grundeigentümers entzogen, für frei erklärt sind (Bergbaufreiheit), oder deren Gewinnung den berggesetzlichen Vorschriften, wie z.B. im Königreich Sachsen hinsichtlich der Kohlen, ausdrücklich unterworfen worden ist.

Nach der Reichsverfassung hat das Deutsche Reich noch nicht die Zuständigkeit zum Erlaß bergrechtlicher Normen; überdies läßt, soweit das bürgerliche Recht in Frage kommt, das Reichsrecht in Art. 67 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche noch ausdrücklich die dem Bergrecht angehörenden Vorschriften der Landesgesetze unberührt. In Preußen, dessen bergrechtliche, auf dem »Allgemeinen Berggesetz für die preußischen Staaten« vom 24. Juni 1865 nebst mehreren Nachtragsgesetzen beruhenden Bestimmungen mit geringfügigen Aenderungen im größten Teile des Deutschen Reiches auf Grund der einzelnen Landesgesetze (außer im Königreiche Sachsen) gelten, und die daher hier vornehmlich zur Darstellung gelangen, unterliegen im allgemeinen die Kohlen, die Salze und die wichtigsten metallischen Mineralien der Bergbaufreiheit. (Anders in Sachsen betreffs der Kohle.)

1. Die Aufsuchung dieser Mineralien auf ihren natürlichen Ablagerungen, das Schürfen, ist unter Befolgung gewisser, dem Schütze des Grundeigentümers dienenden Vorschriften einem jeden gestattet. Der Schürfer bedarf, will er auf fremdem Grund und Boden schürfen, zwar der Erlaubnis des Grundeigentümers, die dieser aber regelmäßig erteilen muß; dagegen benötigt er zu rechtmäßigen Schürfarbeiten, anders als in Sachsen, nicht einer ausdrücklichen behördlichen Genehmigung.

Will jemand die Befugnis, vorbehaltene Mineralien zu gewinnen, die Bergbauberechtigung, erlangen, so hat er, nachdem die begehrten Mineralien auf ihrer natürlichen Lagerstätte, dem anzugebenden Fundpunkt, sei es von ihm, sei es von andern entdeckt worden sind, ein Gesuch um Verleihung des Bergwerkseigentums innerhalb eines bestimmten Grubenfeldes beim Oberbergamt bezw. dem lokalen Bergbeamten, dem Revierbeamten, in Sachsen bei dem Bergamt, in bestimmter Form anzubringen (muten). Die Bergbehörde hat dem Muter, der sein Gesuch zuerst ordnungsgemäß angebracht hat, das Bergbaurecht für ein mit geraden Linien zu umgrenzendes Grubenfeld von gewisser Maximalgröße zur Gewinnung aller darin liegenden Mineralien, auf die sich die Verleihung erstreckt, zu verleihen (Alter im Felde). Doch hat derjenige Muter, der das betreffende Mineral zuerst entdeckt hat, unter gewissen Voraussetzungen ein Vorrecht zum Muten. In Sachsen kennt man nicht ein Vorrecht des Finders, sondern ein solches des Schürfers innerhalb seines Schurffeldes. Die Verleihung erfolgt durch die Ausfertigung einer Verleihungsurkunde seitens des Oberbergamts (Auflassung), wodurch das Bergbaurecht entsteht.

2. Der Bergbau kann entweder von einzelnen Personen (Eigenlehner) oder von handelsrechtlichen Organisationen, insbesondere der Aktiengesellschaft, oder von der dem Bergrechte eigentümlichen Gewerkschaft betrieben werden. Kraft Gesetzes entsteht nach preußischem Recht auch ohne vorausgegangenen Vertrag eine Gewerkschaft, wenn ein Bergwerk in das gemeinschaftliche Eigentum mehrerer Personen gelangt. Ein Statut braucht dabei dann nicht errichtet zu werden, wenn die Gewerken andre als die im Gesetz für die Verfassung der Gewerkschaft begehenden Vorschriften nicht treffen wollen. Während nach älterem Recht als Eigentümer des Bergwerks die einzelnen an diesem Beteiligten (Gewerken) als Miteigentümer im Grundbuche oder einem besonderen Gegenbuche eingetragen wurden, der Anteil des einzelnen, der Kux, somit zu dessen unbeweglichem Vermögen gerechnet wurde, ist die Gewerkschaft des heutigen Rechts als solche rechtsfähig, juristische Person, und wird auf ihren Namen im Grundbuche als Eigentümerin des Bergwerks eingetragen. Der der Aktie bei der Aktiengesellschaft entsprechende Kux gehört daher jetzt zum beweglichen Vermögen und drückt, nicht wie bei jener, eine bestimmte Kapitaleinlage, sondern den Anteil aus, zu dem sich der Gewerke an der Gewerkschaft beteiligt. Die Anzahl der übrigens unteilbaren und stets auf den Namen lautenden Kuxe beträgt im Regelfalle 100. Entsprechend diesem Anteilsverhältnis haben die Gewerken, die für die Gewerkschaftsschulden den Gläubigern nicht unmittelbar haften, zu der Aufbringung der nötigen Betriebsmittel, soweit nötig, laufend Zubußen zu entrichten, wie sie anderseits auch im gleichen Verhältnis am Ueberschuß, den der Betrieb abwirft, der Ausbeute, teilnehmen. Dabei hat der Gewerke, der weiterhin die Zubußen nicht mehr entrichten will, das Recht, seine Verurteilung zu ihrer Zahlung und danach auch noch die Zwangsvollstreckung dadurch von sich abzuwenden, daß er unter Ueberreichung des Kuxscheines den Verkauf seines Anteils zwecks Befriedigung der Gewerkschaft anheimstellt.

Die Organe der Gewerkschaft, durch die sie ihren Willen betätigt und nach außen kundgibt, sind die Gewerkenversammlung, d.i. die Versammlung aller oder wenigstens einer so großen Anzahl von im Gewerkenbuche eingetragenen Gewerken, daß von diesen gültige Gewerkschaftsbeschlüsse gefaßt werden können, und der Grubenvorstand oder, falls dieser aus nur einer Person besteht, der Repräsentant. Letzterer bezw. der Grubenvorstand werden durch die Gewerkenversammlung gewählt, wobei, wie überhaupt bei allen in einer solchen Versammlung zu fassenden Beschlüssen, nach Kuxen, nicht nach Personen abgestimmt wird. Der Repräsentant vertritt die Gewerkschaft in allen ihren Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich. Nur ist er insbesondere dann, wenn Zubußen von den Gewerken eingehoben werden sollen, an einen besonderen Auftrag der Gewerkenversammlung hierzu gebunden. Aehnlich wie bei den Aktiengesellschaften ist den Gewerken, die sich bei einem gefaßten Gewerkschaftsbeschlusse, weil er[699] nicht zum Beilen der Gewerkschaft gereiche, nicht beruhigen wollen, die Klage bei dem ordentlichen Gericht auf Aufhebung dieses Beschlusses gegeben.

In Sachsen entsteht dadurch, daß sich mehrere an einem Bergwerk als Eigentümer beteiligen, keine Gewerkschaft, sondern eine Gesellenschaft; wollen die Beteiligten eine Gewerkschaft gründen, so haben sie ein bestimmten Vorschriften entsprechendes Statut zu entwerfen, das der Bestätigung durch das Finanzministerium unterliegt. Mit deren Erteilung ist die Gewerkschaft entstanden. Die Bestimmung der Anzahl der hier bis zu 100 teilbaren Kuxe unterliegt der Festsetzung durch das Statut.

3. Von allen Bergwerkseigentümern darf der Betrieb nur auf Grund eines der Bergbehörde vorgelegten und von ihr nicht beanstandeten Betriebsplanes und nur unter Leitung und Verantwortlichkeit von Personen geführt werden, deren Befähigung hierzu anerkannt ist. Zu letzterem Zwecke sind alle Personen, denen eine leitende und beaufsichtigende Tätigkeit übertragen werden soll, der Bergbehörde namhaft zu machen, die über ihre Bestätigung zu beschließen hat. Bei dem Betriebe sind sowohl die die einzelnen Werke betreffenden Anordnungen der Bergpolizeibeamten, als auch die von den Behörden im allgemeinen erlassenen Bergpolizei vorschriften, die sich über die verschiedenartigsten Gegenstände verbreiten und hauptsächlich dem Schütze der Gesundheit und des Lebens der in den Grubenbauen tätigen Personen und der Verhütung gefährlicher Beschädigungen der Tagesoberfläche dienen, sowie die von der für den Bergbau bestehenden und in verschiedene örtliche Sektionen zerfallenden Knappschaftsberufsgenossenschaft bekanntgegebenen Unfallverhütungsvorschriften genau zu befolgen.

Die Verhältnisse der Betriebsbeamten und Arbeiter zu dem Bergwerksunternehmer werden in den deutschen Bundesstaaten nicht lediglich durch berggesetzliche Vorschriften, sondern wesentlich auch durch solche des allgemeinen bürgerlichen Rechts und der Gewerbeordnung geregelt. Unter anderm bestehen Bestimmungen über den Erlaß von Arbeiterordnungen und die Führung von Arbeitsbüchern. Auch für Bergarbeiter gelten die Bestimmungen der Gewerbeordnung – welch letztere auf das Bergwesen im übrigen nicht allenthalben Anwendung findet –, wonach den Arbeitern der Lohn im allgemeinen in Geld, nicht in Naturalien auszuzahlen ist, und die Vorschriften, die das Koalitionsrecht der Arbeiter betreffen.

4. Zu den wichtigsten Gegenständen bergrechtlicher Bestimmungen gehört die Regelung des Verhältnisses des Bergwerksbesitzers zum Oberflächeneigentümer; beide haben gegeneinander weittragende Verpflichtungen. Einmal muß, wenn für den Betrieb des Bergbaus und bestimmte ihm dienende unter- oder oberirdische Anlagen die Benutzung eines fremden Grundstücks notwendig wird, der Grundeigentümer dieses, soweit es benötigt wird, gegen vollständige Entschädigung, sei es zu Eigentum, sei es nur zu vorübergehendem Gebrauche abtreten. Auf der andern Seite aber wird dem Bergbautreibenden gegenüber dem Grundeigentümer eine bedeutungsvolle Verpflichtung auferlegt: Er hat für allen Schaden, der dem Grundeigentum oder dessen Zubehörungen durch den unterirdisch oder mittels Tagebaus geführten Betrieb des Bergwerks zugefügt wird, vollständige Entschädigung zu leisten, ohne Unterschied, ob die Beschädigung von dem Bergwerksbesitzer verschuldet ist und ob sie vorausgesehen werden konnte oder nicht. Ist ein solcher Schaden durch den Betrieb zweier oder mehrerer Bergwerke verursacht, so sind deren Besitzer als Gesamtschuldner zur Entschädigung verpflichtet, wobei die Besitzer der als Schädiger ermittelten Bergwerke, vorbehaltlich des Nachweises eines andern Teilnahmeverhältnisses, unter sich zu gleichen Teilen haften. Diese Schadensersatzpflicht des Bergwerksunternehmers besteht indessen nur mit folgender wohlbegründeten Maßgabe: Er haftet für den Schaden, der an Gebäuden und andern Anlagen durch den Betrieb! des Bergwerkes entsteht, dann nicht, wenn solche Anlagen zu einer Zeit errichtet worden sind, wo die ihnen durch den Bergbau drohende Gefahr dem Grundbesitzer bei Anwendung gewöhnlicher Aufmerksamkeit nicht unbekannt bleiben konnte. Doch kommt auch in diesem Falle noch eine Entschädigung des Grundeigentümers in Betracht, wenn wegen einer solchen Gefahr die Errichtung solcher Anlagen unterbleiben muß. Die Entscheidung über alle solche Bergschädenansprüche erfolgt, anders als in Sachsen, in Preußen durch die ordentlichen Gerichte. – Besondere Vorschriften bestehen schließlich noch für das Verhältnis des Bergbaus zu öffentlichen Verkehrsanstalten.

Die Bergbehörden sind in Preußen die Revierbeamten, denen namentlich die Handhabung der Bergpolizei obliegt, die Oberbergämter zu Breslau, Halle, Dortmund, Bonn und Clausthal und der Handelsminister, in Sachsen das Bergamt zu Freiberg mit den ihm beigegebenen lokalen Berginspektoren und das Finanzministerium.


Literatur: Wähle, Der Begriff Bergrecht im objektiven Sinne, Freiberg 1887; Achenbach, Das gemeine deutsche Bergrecht, I. Teil, 1871; Kommentare und Handausgaben des preußischen Berggesetzes von Brassert, Klostermann-Fürst, Arndt, 1903; Kommentar zum sächsischen allgemeinen Berggesetz vom 16. Juni 1868 von Wähle, 1891; Westhoff, Bergbau und Grundbesitz, Bd. 1: Der Bergschäden, 1904; Leuthold, Das österreichische Bergrecht, 1887; Zeitschrift für Bergrecht, begründet von Brassert, seit 1860.

Krug.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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