Backsteinbau

Backsteinbau

Backsteinbau, Bauweise mit künstlichen Steinen aus Ton, Backsteinen (s.d.), die (im Gegensatz zu Quadersteinen) kleines Format besitzen und entweder[434] durch Feuer bis zu teilweise glasharter Festigkeit gebrannt (Klinker), oder durch Trocknung an der Luft in weniger widerstandsfähiger Konsistenz hergestellt werden (vgl. a. Ziegel, Ziegelfabrikation, Oefen zum Brennen von Ziegeln, Tonwaren u.s.w. sowie die in diesen Artikeln angegebenen weiteren Stichworte).

Die Verarbeitung der Ziegel durch den Maurer geschieht mit Hammer und Kelle vermittels des Bindemittels zwischen den einzelnen Steinen, dem Mörtel, aus Kalk und Sand. Man rechnet dabei auf einen Verlust beim Behau von ca. 5–10% an Steinen, von ca. 21/2% an Mörtel. Nach dem Vermauern wird das Mauerwerk sauber ausgefugt, vielfach mit reinem Kalk, um die Fugen klar hervortreten zu lassen. Ueber den »Verband« der Mauerziegel s. Backsteinverband. – Das eigentliche Mauerwerk zerfällt in:

1. sichtbar bleibenden Rohbau,

2. in Verblendmauerwerk aus seiner hergestellten Steinen, das dem Rohbau vorgesetzt wird, teils mit, teils ohne »Zahnverband«. Die erstere Art (wenn also Verblendmauerwerk und Rohbau verzahnt sind) ist in ganz Europa üblich und von jeher beliebt gewesen; die andre Art (wenn die Verkleidung dem Kernmauerwerk aufgeklebt ist) beherrschte und beherrscht heute noch den ganzen Orient. Besonders in den mohammedanischen Ländern sehen wir die unabhängig vom Kern aufgesetzte Inkrustation aus Fliesen, Tonplatten und Schnittmosaik, mit stets eng schließenden Fugen verwendet. In moderner Zeit hat man von all diesen alten Techniken wieder Gebrauch gemacht, und es sind besonders die nordischen Flachländer, in denen Hausteine zur bequemen Bearbeitung (außer Granit) nicht vorkommen und der Backsteinbau eine Wiederbelebung zu großartigen Schöpfungen gefunden hat. Vorzugsweise sind es Kirchen (Otzen), Rathäuser, Schulen und Bahnhöfe, die den Backsteinbau in teilweise genialer Weise zu Ehren gebracht haben (Richardson).

Künstlerisch betrachtet, bietet der Backstein mit seinem weichen und leicht formbaren Material besondere Eigenheiten. So sind es namentlich die kleinen Stücke und das überaus zierliche Ornament, das in seiner Flachheit zur Flächendekoration sich hervorragend eignet. Die Gesimsbildung ist darum schüchtern, wenig ausladend, aber höchst variationsfähig. Durch die Hinzunahme der »Formsteine« (s. Formziegel) wird eine Gliederung der Mauerfläche in Lisenen und Bögen, in Musterung, Schichtung, Schrägstellung, Durchbrechung und Vorkragung geradezu gefordert und durch Anwendung der farbigen Glasur (s. Glasuren) der Reichtum der Motive ins Unendliche vermehrt (s. Fig. 1).

Der Flächendekoration in ihrer teppichartigen Wirkung, die aus dem Oriente stammt, finden wir dann die Gliederung in Pfeiler und Bogen, in silhouettierende Giebel mit Abtreppungen gegenübergestellt. Diese Gliederung beherrscht das ganze Abendland, besonders den Norden. Als drittes Element neben Fläche und Farbe sehen wir sodann die plastische Ausbildung des Backsteins Hand in Hand gehen. Da die Wiederholung eines Ornaments im weichen Ton mit Hilfe eines Models gar keine Mühe macht, sehen wir namentlich im 16. Jahrhundert die denkbar reichsten Backsteinfassaden mit überaus einfachen Mitteln entliehen, als sogenannte Terrakottenbauten. Vgl. das Rathaus zu Tangermünde, in Gräf, Blätter für Architektur und Kunsthandwerk.

Schon bei den ältesten uns geschichtlich bekannten Völkern stand der Backsteinbau in hoher Blüte; es ist sicher, daß die Bauart sich aus Asien auf das Abendland vererbt hat. Wie neuere Ausgrabungen klar erwiesen haben, sind in Aegypten, Assyrien und Babylonien, namentlich aber in Persien, farbige Ziegel zu Palästen und Tempeln in großartiger Weise verwendet worden. In den Euphrat- und Tigrisländern dürfen wir sogar eine Hauptpflegestätte dieser ganzen Bauart suchen, von der sich dieselbe über Kleinasien nach Griechenland und Italien verbreitet hat. In dem klassischen Werke von Dieulafoy [1] begegnen uns die Paläste zu[435] Pasargadae, Persepolis, Susa u.a.m. Von diesen Palästen besitzen wir außer Mauerresten an Ort und Stelle auch Originalstücke, z.B. vom Palast des Darius zu Susa (Fig. 2), 500 v. Chr., einen Löwenfries sowie sechs Bogenschützen (im Louvre zu Paris), die aus glasierten Ziegeln zusammengesetzt sind [2]. Von hier aus verbreitete sich die Anwendung gebrannter und bemalter Tonstücke nach Griechenland und Etrurien, woselbst es namentlich vergoldete Dachziegel, bemalte Akroterien und Rinnen gab, die auf unsre Tage gekommen sind. In ganz ausgebreitetem Maße fand sodann der Backsteinrohbau bei den Römern Verwendung, da er ein überaus schnelles Bauen gestattete. So sind z.B. die Substruktionen der Kuppeln des Pantheons, der Thermen und[436] Basiliken in Rom durchaus mit geistreichen Ziegelkonstruktionen hergestellt. Und obgleich die Römer den Backsteinbau wohl selten als solchen sichtbar ließen, finden wir doch auch gebrannte und bemalte Terrakotten vom feinsten Stil. (Vgl. [3]). Nicht selten wurden Wände und Säulen in Backstein mit Stuckverblendung aufgeführt, wie es Pompeji deutlich zeigt. Durch Festungsbauten der Römer wurde der Backsteinbau auch im Norden und Weiten Europas heimisch und beherrschte das ganze Mittelalter hindurch die profane und kirchliche Kunst. Eine zweite Blüte des Backsteinbaus im Orient datiert vom Jahre 1000 n. Chr. bis zum 19. Jahrhundert. Der Backstein wird in der mohammedanischen Architektur fast ausschließliches Baumaterial. Besonders ist es wieder Vorderasien und Persien, das, wohl noch auf uralten Traditionen fußend, wahre Perlen des Backsteinbaus ums Jahr 1000 entstehen läßt. So z.B. die Grabtürme zu Kum und Damgan in reinem Ziegelrohbau, ferner die wunderbare blaue Moschee zu Tebriz (1437–1468, s. Fig. 3), welche die Inkrustation mit Fliesen und glasierten Ziegeln im schönsten Stile zeigt. Gleichzeitig sind es auch maurisch-spanische Einflüsse, die das Abendland von Weiten her beeinflussen; ferner die Kreuzzüge.

Unter jenen orientalischen Baugedanken entwickelt sich im 14. Jahrhundert in Italien, besonders in der Lombardei, ein ganz eigenartiger Backsteinbau, der in Schlössern und Befestigungen einen trotzigen Ausdruck findet und erst im 16. Jahrhundert sich gänzlich verliert (vgl. [4], [5]).

Hervorragende Bauten finden wir in Pisa, Ravenna, Siena, Bologna, Mantua, Venedig aus der Frühperiode, sodann in Rom, Mailand u.a.O. Backsteinbauten, mehr graziösen Stils (Bramante).

Einer hervorragend hohen Blüte ging der Backsteinbau im Norden Europas entgegen. Durch den Deutsch-Herrn-Orden aus dem Orient unmittelbar eingeführt, sehen wir in den baltischen Ländern großartige Bauten sich erheben. So die Marienburg in Ostpreußen, die Stadtbefestigungen zu Stendal, Tangermünde u.s.w., die Klöster und Kirchen zu Brandenburg, Chorin, Jerichow in der Mark. Hier ist es insbesondere die Gotik, die im Backsteinbau ganz eigenartige Formen erzeugt und in Verbindung mit Putzflächen und glasierten, streifenartig auftretenden Ziegelflächen einen spezifisch nordischen Charakter hervorbringt. (Vgl. [6], [7], [8]).

Aus diesem mittelalterlichen herben Stil erwächst sodann in Deutschland die letzte Blüte des Backsteinbaus, die gegen außerdeutsche und frühere Perioden tatsächlich einen Gipfel bedeutet. Wir sehen in Lübeck, Wismar, Güstrow, Rostock das Bürgerhaus, wie auch Kirchen und Schlösser in vollendeter Weise in Backstein und Terrakotta durchgeführt, durch Zuhilfenahme des plastischen, teilweise vergoldeten Ornaments reichste Pracht bei zartester Formgebung entfaltend. Gleichzeitig ist in Holland, Schweden und Belgien eine Kombination von Haustein- mit Backsteinflächen bevorzugt, die durch fast zwei Jahrhunderte jenen Ländern zu einem überaus charakteristischen Backsteinstil verhilft (Fig. 4 u. Fig. 5, S. 437). (Fleischhalle zu Harlem, Schloß Frederiksborg u.s.w.)

In technischer Beziehung verweisen wir auf [9] (mit Literaturnachweisen), [10] und [11].


Literatur: [1] Dieulafoy, M., Art antique de la Perse, Paris 1884–85; Sarre, Denkmäler persischer Baukunst, Berlin 1901. – [2] Ewald, E., Farbige Dekorationen aus alter und neuer Zeit, Berlin 1889–96. – [3] Campana, G.P., Antiche opere in plastica, 120 Tav. in 1 vol. fol., Roma 1851. – [4] Runge, L., Beiträge zur Kenntnis der Backsteinarchitektur Italiens, und Neue Folge, in 1 Band, mit zus. 72 Taf. Fol., Berlin 1847–53. – [5] Osten, F., Die Bauwerke in der Lombardei vom 7. bis 14. Jahrhundert, mit 48 Taf. gr. Fol., Darmstadt 1846–54. – [6] Haupt, Backsteinbauten der Renaissance in Norddeutschland, mit 25 Taf. Fol., Frankfurt a.M. 1899. – [7] Adler, Mittelalterliche Backsteinbauwerke des preuß. Staates, Berlin 1859–69. – [8] Essenwein, Norddeutschlands Backsteinbau im Mittelalter, Fol., mit 36 Taf., Karlsruhe 1855–56. – [9] Borimann, R., Die Keramik in der Baukunst, Stuttgart 1897. – [10] Dümmler, K., Handbuch der Ziegelfabrikation, Halle a. S. 1900. – [11] Keramische Monatshefte, Monatsschrift für Freunde und Förderer der Keramik, Halle a. S. seit 1901.

G. Halmhuber.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
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Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
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Fig. 5.
Fig. 5.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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