Stärkemehl

Stärkemehl

Stärkemehl (Stärke, Amylum), ein weißes Pulver, das aus einzelnen mikroskopisch kleinen Körnchen besteht und in den Samen, Knollen, Wurzeln, überhaupt in den Speichergeweben der weitaus meisten grünen Pflanzen als sogenannte Reservestärke zur Ablagerung gelangt. Die einzelnen Stärkekörner sind je nach der Pflanzenart in Form und Größe verschieden. Stärke entsteht in den chlorophyllführenden Zellen der Pflanzen als erstes sichtbares Assimilationsprodukt aus Kohlensäure und Wasser unter der Einwirkung des Lichtes, wahrscheinlich zunächst unter Bildung einfacher Körper wie Glykose, Maltose u.s.w. Nach Baeyer wird die Kohlensäure zunächst zu Formaldehyd reduziert und dieser dann weiter zu den Zuckerarten kondensiert. An denjenigen Stellen in den Pflanzen, an welchen das Stärkemehl gebildet wird, verbleibt es niemals länger, sondern es wird in wasserlösliche Substanzen (Zucker) übergeführt. Auf diese Weise vermag es die Zellwände zu durchdringen und wird so entweder zum Aufbau der Pflanzen verwendet oder in bestimmten Pflanzenteilen zu sogenannter Reservestärke zurückgebildet und abgelagert.

Die Größe der einzelnen Stärkekörner schwankt innerhalb weiter Grenzen zwischen 1 bis 150 μ (μ = Mikromillimeter = 0,001 mm). Im Aussehen ist die Stärke dem Mehle sehr ähnlich, das ja auch in der Hauptsache aus ihr besteht; sie ist jedoch kein Mahlprodukt wie jenes, sondern vielmehr ein Schlemmprodukt (s. Stärkefabrikation). Die Bestimmung der einzelnen Stärkearten stützt sich einzig und allein auf die Gestalt der Stärkekörner, die nach Größe, Form und Schichtung verschieden, d.h. für die betreffenden Stammpflanzen fast immer sehr charakteristisch sind. Die Größe der Stärkekörner ist zwar immer ungleich, doch übersteigt sie das für jede Art bestimmte Maß nicht. Großkörnig nennt man eine Stärke, deren Körner meist über 30 μ, kleinkörnig eine Stärke, deren Körner meist unter 10 μ messen.

Die Form der Stärkekörner ist für jede Art bestimmt, jedoch ist die Aehnlichkeit bei manchen Arten sehr groß. Die für eine bestimmte Stärkeart charakteristische Form nennt man die typische. Man unterscheidet zwischen einfachen und zusammengesetzten Stärkekörnern; letztere zerfallen oft sehr leicht wieder in einzelne Körner (z.B. bei der Reisstärke). Die einfachen Stärkekörner zeigen in der Regel rundliche Formen (kugelig, muschel-, scheibenförmig). Die zusammengesetzten Stärkekörner besitzen oft beim Zerfall in ihre einzelnen Körner ein kristallähnliches Aussehen. Der organische Mittelpunkt der Stärkekörner, der sogenannte Kern, ist nicht immer erkennbar, bald liegt er in der Mitte, bald im stumpfen, bald im spitzeren Ende des Stärkekornes. Um den Kern, den wasserreichsten Teil des Stärkekorns, der übrigens nicht bei allen Stärkekörnern unter dem Mikroskop sichtbar ist, sind die einzelnen Schichten des Stärkekorns bald konzentrisch, bald exzentrisch gelagert. Die Gestalt der Stärkekörner wird durch Quellung bis zur Unkenntlichkeit verändert.

[244] Die chemische Zusammensetzung aller Stärkekörner ist dieselbe und wird durch die Formel C6H10O5 ausgedrückt, das heißt auf je 6 Kohlenstoffatome (C) kommen 10 Wasserstoffatome (H) und 5 Sauerstoffatome (O). Durch diese Formel wird jedoch nicht die Molekulargröße angegeben, sondern lediglich das Verhältnis, in welchem die einzelnen Elemente vorhanden sind. Die Stärkekörner bestehen nicht aus einer einheitlichen chemischen Substanz, sondern aus einem Gemenge komplizierter chemischer Körper (Stärkegranulose, Stärkecellulose, Amylose, Amylodextrin). Bezüglich des Molekulargewichts der Stärke sei erwähnt, daß dasselbe noch nicht genau bestimmt ist. Zweifellos jedoch ist es ein sehr hohes, jedenfalls über 32000. Das spezifische Gewicht der Stärke ist nach Payen 1,505. Durch Trocknen bei 100–120° läßt sich die Stärke vollständig entwässern, sie ist jedoch in diesem Zustand sehr hygroskopisch. Gegen das polarisierte Licht verhalten sich die Stärkekörner wie doppeltbrechende Kristalle. Bei Körnern mit exzentrischer Schichtung zeigt sich zwischen den gekreuzten Nicols eines Polarisationsmikroskopes ein dunkles Kreuz mit spitzwinkliger, bei Körnern mit konzentrischer Schichtung ein solches mit rechtwinkliger Kreuzung. In kaltem Wasser ist Stärke unlöslich, bei Behandeln mit heißem Wasser bildet sie eine zähe, klebrige Masse, den sogenannten Kleister. Die Verkleisterungstemperatur ist bei den verschiedenen Stärkearten verschieden. Im Kleister befindet sich die Stärke in einem weitgehenden Quellungszustand. Die Eigenschaft der Stärke, bei Temperaturen über 120° von Wasser gelöst zu werden, verwendet man zur Bereitung der sogenannten löslichen Stärke und beim Hochdruckverfahren in der Spiritusfabrikation (s.d.). Mit wässeriger Jodlösung färbt sich die Stärke blau. Diese Reaktion wird sowohl einerseits zum Nachweis von Stärke als auch andrerseits zum Nachweis von Jod verwendet. Durch Behandeln mit konzentrierter Salpetersäure entsteht aus Stärke das sogenannte Salpetersäurestärkemehl (Pyroxam, Nitrostärkemehl), ein weißes, geruchloses, in Wasser, Alkohol, Aether, Benzol u.s.w. unlösliches Pulver, das beim Aufschlagen detoniert. Durch die Einwirkung verdünnter Säuren auf Stärke entsteht zunächst Amylodextrin und zuletzt die vergärbare Dextrose (Glukose, Stärkezucker). Besonders geeignete Säuren zur Herstellung von Dextrose aus Stärke sind Schwefelsäure sowie Salzsäure (vgl. Stärkezuckerfabrikation). In derselben Weise wie verdünnte Säuren wirken auch gewisse Fermente oder Enzyme auf die Stärke ein unter Bildung von Dextrin und Zucker. Insbesondere kommt hier die im Grünmalz reichlich enthaltene Diastase in Betracht, welche die Stärke zunächst in Dextrin und zuletzt in Maltose überführt (s.a. Malz, Bd. 6, S. 288). Durch Erhitzen der Stärke auf ca. 160–200° entsteht das sogenannte Röstdextrin (Dextringummi; s. Dextrin, Bd. 2, S. 727). Bezüglich der Stärkebestimmungsmethoden sei erwähnt, daß die auf dem Prinzip der Abscheidung und direkten Wägung der Stärke beruhenden Verfahren zeitraubend und ungenau sind. Für technische Zwecke wird bei der Kartoffelstärkefabrikation zur Feststellung des Stärkegehaltes die Bestimmung des spezifischen Gewichtes der Kartoffeln herangezogen. (Näheres s. Stärkefabrikation.) Bei den übrigen stärkeführenden Materialien muß die Stärke erst in Dextrose übergeführt werden, welch letztere dann entweder mit Fehlingscher Lösung oder durch Polarisation bestimmt wird. Auch kann man den aus der Stärke gebildeten Zucker vergären lassen, den dabei gebildeten Alkohol bestimmen und aus diesem auf die vorhanden gewesene Stärke zurückrechnen.

Die Körner der Kartoffelstärke erreichen eine Größe von 70–120 μ; die kleinsten sind kugelig, die größten im Umriß bald eirund, bald muschelförmig, bald drei- oder mehreckig, in der Regel mit einem sich etwas verjüngenden Ende, in welchem der Kern liegt, ihre Schichtung ist exzentrisch und meist deutlich (Fig. 1). Technische Anwendung findet sie bei der Appretur von Geweben, Wäsche und Papier, ferner in der Dextrinfabrikation (s.d.), Spiritusfabrikation (s.d.) und in der Stärkezuckerfabrikation (s.d.).

Bei der Weizenstärke sind die Großkörner von linsenförmiger Gestalt und undeutlicher Schichtung typisch; der Kern liegt zentral (Fig. 2).

Gerstenstärke, aus den Früchten der Gerste (Hordeum) gewonnen, ist der Weizen- und Roggenstärke sehr ähnlich, ihre Körner sind jedoch kleiner, gewöhnlich 20–30 μ groß. Kern und Schichtung sind bei den Großkörnern oft recht deutlich (Fig. 3).

Bei der Roggenstärke, aus den Früchten von Roggen oder Korn (Secale cereale) gewonnen, sind die großen Stärkekörner mit strahliger Kernspalte (Fig. 4), charakteristisch.

Die einzelnen Stärkekörner der Haferstärke, aus den Früchten des Hafers (Avena sativa), sind meist polygonal. Ihre Größe schwankt zwischen 10 und 15 μ. Häufig sind sie zu rundlichen Aggregaten vereinigt (Fig. 5).

Maisstärke wird in der Regel aus fünf, insbesondere in Amerika kultivierten Varietäten der Maispflanze (Zea Mays) gewonnen. Die Stärke findet sich in den der Spindel des Maiskolbens anhaftenden dichtgedrängten Körnern. Die in diesen enthaltenen einzelnen Stärkekörner (Fig. 6) sind meist gleichgroß (10–18 μ), nicht geschichtet, oft mit dreistrahliger Kernspalte, bald kugelig, bald polyedrisch.

Reisstärke stellt ein besonders seines Pulver vor; sie ist daher für manche Zwecke besser geeignet als Kartoffel- oder Weizenstärke. Ihre Stammpflanze (Oryza sativa) wird besonders in China kultiviert, ferner in Japan und Indien, überhaupt in wasserreichen Gebieten der Tropen und Subtropen, auch in Südeuropa. Die Stärkekörner (Fig. 7) messen 2–10 μ, sind meist polygonal, kristallähnlich und oft zu 100 und mehr zu eiförmigen Komplexen vereinigt.

Kastanienstärke, aus dem Samen der Roßkastanie (Aesculus Hippocastanum) ist ein seines weißes Pulver. Ihre Körner sind meist einfach, seltener zusammengesetzt. Die Größe derselben übersteigt seiten 25 μ, ihre Gestalt ist verschiedenartig, meist birnförmig, Kern und Schichtung sind an frischer Stärke nicht sichtbar (s. Fig. 8). Die aus der Edelkastanie oder Marone (Castanea vesca) flammende Stärke ist sein weiß. Die einzelnen Körner sind bis zu [246] 30 μ groß, vielgestaltig, ihre Schichtung ist undeutlich; typisch sind die gerundeten, drei- und vierseitigen, keulenförmigen, höckerigen Körner.

Leguminosenstärke, die Stärke aus den Samen von Wicke (Vicia), Bohne (Phaseolus), Erbse (Pisum) u.a., dient häufig unzulässigerweise als Streckungsmittel für wertvollere Drogen und Gewürze in gepulvertem Zustande. Die einzelnen Arten zeigen untereinander große Uebereinstimmung. Die Körner sind im allgemeinen länglich-eiförmig, elliptisch, seltener nahezu kugelig, im Durchschnitt 40 μ lang. Scharf charakterisiert sind sie durch die sehr deutliche Schichtung und die große längliche Kernhöhle, von der Sprunglinien ausgehen.

Maranta-(Arrowroot-)stärke kommt in den Wurzeln mehrerer Pfeilwurzelarten, speziell Maranta arundinacea vor. Die Größe der immer einfachen Stärkekörner schwankt zwischen 30 und 50 μ u. ihre Form ist meist gekrümmt, ei- oder birnförmig, die einzelnen Schichten liegen um einen exzentrischen Kern und letzterer vorwiegend in der schmäleren Hälfte.


Literatur: [1] Wiesner, J., Die Rohstoffe des Pflanzenreichs, 2. Aufl., Leipzig 1903. – [2] Hanausek, T.F., Lehrbuch der technischen Mikroskopie, Stuttgart 1901. – [3] Möller, Mikroskopie der Nahrungs- und Genußmittel, Berlin 1905.

Mezger.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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