Riementrieb

Riementrieb

Riementrieb ist als Mittel zur Kraftübertragung ausgezeichnet durch Billigkeit der Anlage und der Unterhaltung, Anpassungsfähigkeit, Geräuschlosigkeit, Nachgiebigkeit bei Ueberlastung und Ausrückbarkeit.

Sein Anwendungsgebiet ist begrenzt: einerseits durch den Zahnradbetrieb für die Fälle, wo das Uebersetzungsverhältnis genau einzuhalten ist, wo große Kräfte bei mäßiger Geschwindigkeit zu übersetzen sind, oder wo der Achsenabstand der Wellen gering ist; anderseits durch den Seilbetrieb für großen Achsenabstand von über 10–15 m, ferner wo große Kräfte Riemen von über 1/2 m Breite erfordern würden, und wo eine Verteilung der Kraft auf mehrere Wellen erfolgt. Die größten Riementriebe bis zu 2500 kg Uebertragungskraft mit 1200–1800 mm Riemenbreite sind in Nordamerika mehrfach ausgeführt worden. Das Gebiet des Riementriebes umfaßt auch die Verbindung beliebig gegeneinander gerichteter Wellen und verschiedene Drehrichtung und findet noch eine eigne Ausdehnung auf Ausrückungen, Wendegetriebe und Veränderung der Uebersetzung mit Stufenscheiben oder Kegeln.

Der Riemen liegt auf der glatten Bahn der beiden Scheiben und wirkt durch Reibung. Man nennt gewöhnlich die von der Kraftmaschine in Bewegung gesetzte Scheibe die treibende, die andre die getriebene Scheibe; deutlicher wäre Kraft- und Lastscheibe. Ebenso könnte es weniger zu Mißverständnissen führen, wenn man das ziehende, führende oder aktive Trum als das straffe, dagegen das gezogene, geführte oder passive als das lose Trum bezeichnete.

Aus den Scheibendurchmessern D1 und D2 und den minutlichen Umdrehungszahlen n1 und n2 erhält man das Uebersetzungsverhältnis D1 : D2 = n2 : n1. Man geht damit nicht gern über 1 : 8 ins Langsame oder 1 : 10 ins Schnelle, besonders bei geringem Achsenabstand. Infolge der Aenderung der Spannung des auf den Scheiben liegenden Riemenstückes ändert sich auch seine Dehnung. Daher muß eine geringe Gleitung eintreten. Daraus folgt, daß das Uebersetzungsverhältnis nicht ganz bestimmt ist; n2 : n1 ist um 1–2%, bei lockeren Trieben auch bis 5% kleiner als D1 : D2. Meist genügt das gewöhnliche Rechnungsverfahren, für D den größten Durchmesser der gewölbten, balligen Scheibe als maßgebend einzusetzen; genauer trifft man nach Kammerer das Verhältnis n2 · n1 = (D1 + a) : (D2 + a) mit der Riemenstärke a. Weiter folgt aus der Gleitung, daß die Bahn glatt sein soll und Klebemittel wie Kolophonium, auch Lederbandagen auf den Scheiben zu vermeiden sind.

Die Geschwindigkeit des Riemens v = π D n : 60 für D m Durchmesser der einen oder andern Scheibe mit ihrer Umlaufszahl n wird für Hauptantriebe zu 20–30 m/sec gewählt, während man allerdings für den Antrieb der einzelnen Maschinen gewöhnlich nicht über 10 m/sec hinauskommt. Ueber 30 m/sec geht man nur seiten hinaus, weil hiermit zugleich die Grenze für die Betriebssicherheit der Riemscheiben erreicht ist. Man rechnet unter gewöhnlichen Verhältnissen 6 kg auf 1 cm Riemenbreite an Umfangskraft, wobei N = 0,08 v oder D n/240 PS. von 1 cm Breite übertragen werden (s. Riemenberechnung).

Im offenen Triebe leitet die Wölbung den Riemen auf die Mitte, wenn kleine Fehler im Parallelismus der Wellen liegen und wenn dabei der Riemen nicht gleitet. Der gekreuzte oder geschränkte Trieb, für gegenläufige Drehrichtung beider Wellen, verhält sich dem offenen hierin ähnlich, wenngleich sich beide Riemenstränge an der Kreuzungsstelle gegenseitig etwas verdrängen.

Winkeltriebe (Fig. 4) für beliebig verschränkt liegende Wellen lassen sich mit Hilfe von Riemenleitern (s.d.) oder Leitrollen in verschiedenster Weise ausführen.

Der halbgeschränkte oder Halbkreuztrieb (Fig. 1) beansprucht den Riemen ungünstiger als der Kreuztrieb, weil er den Riemen an den Ablaufstellen hochkantig zur Seite biegt und die eine Kante dabei einen größeren Weg als die andre zurückzulegen hat. Man kann dem Nachteil, welcher in schneller Ausnutzung des Riemens liegt, dadurch begegnen, daß man eine Leitrolle hinter der Ablaufstelle der kleinen Scheibe kurz vor der großen Scheibe anbringt, oder dadurch, daß der Riemen unsymmetrischen Querschnitt erhält, der die Ablenkung erleichtert, wie der Halbkreuzriemen von Gehrekens (Fig. 1). Der Riemen läuft auf eine Scheibe nur dann richtig auf, wenn er von einem Punkte herkommt, der schon in der Ebene der Scheibe liegt. Diese Regel gilt besonders auch für den Halbkreuztrieb; nur drängen hier die Riemen nach außen; daher sind die Scheibenmitten um (0,1–0,2) b auf der Kraftscheibe, um[436] (0,5–0,6) b auf der Lastscheibe in der durch Fig. 3 gegenüber Fig. 2 angedeuteten Richtung zu versetzen. Die Scheiben sind gerade, nicht ballig zu drehen und um ein Viertel bis ein Drittel breiter zu halten als für offene Triebe. Sobald ein halbgeschränkter Riemen auf der einen Scheibe gleitet, folgt er aber einem andern Gesetz; er umschlingt sie dann so, daß er möglichst den kürzesten Weg annimmt. Darum erfordern z.B. die kleinen Scheiben der senkrechten Wellen von Zentrifugen oder Fräsmaschinen, die von liegenden Wellen mit großen Scheiben angetrieben werden, sehr große Breite. Wenn beim Anlassen der Riemen an der Scheibe der senkrechten Welle gleitet, steigt er dabei nahezu bis in die Höhenlage der liegenden Welle auf; wenn er aber nicht gleitet, streckt sich das straffe Trum beim Anziehen so stark, daß das lose Trum sinkt und der Riemen im Gegenteil tiefer aufläuft. Ein eigenartiges Keilriemengetriebe für veränderliche Uebersetzung an Motorrädern, welches als Virorgetriebe von Vierordt & Cie. in Kehl a. Rh. gebaut wird, regelt durch eine Spannrolle am losen Trum den Auflaufradius des straffen Trums zwischen den Kegelscheiben an der Motorwelle (Fig. 5) und damit die Uebersetzung auf das Laufrad mit einfacher Keilrille. Je weiter die Spannrolle das lose Trum von außen durchdrückt und dadurch kürzt, um so näher an der Welle muß der Riemen auflaufen. Er verdrängt dabei die äußere Scheibe, die sich mit einem viergängigen, steilen Gewinde in der Nabe der festen Scheibe verschraubt und dabei etwas vorauseilt. Beim Nachlassen der Spannrolle lockert sich der Riemen, gleitet an der Festscheibe und dreht die äußere Scheibe zurück, bis sie ihn weiter außen wieder festhält. In jeder Lage hält sich der axiale Anpressungsdruck des Riemens mit dem im Gewinde übergehenden Teil der Umfangskraft an der Steigung, die für das Gewinde erprobt worden ist, gerade im Gleichgewicht.

Das Lenix-Spannrollengetriebe (Fig. 6), gebaut unter anderm von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbauaktiengesellschaft in Dessau, bewirkt durch eine nahe an der kleinen Scheibe unter Gewichtswirkung auf den Riemen drückende Spannrolle eine längere Umspannung und damit eine Erhöhung der Durchzugkraft unter Verminderung des Achsdruckes, außerdem eine dauernde Regelung der Spannung in dem endlos geschlossenen Riemen. Das Getriebe eignet sich für starke Uebersetzungen, besonders bei kleinem Achsenabstand.


Literatur: Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1907, S. 637 (Lenix).

Lindner.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 5.
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Fig. 6.
Fig. 6.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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