Reinigung, chemische

Reinigung, chemische

Reinigung, chemische, die Entfernung von Unreinigkeiten, besonders aus Kleidern u.s.w., durch Waschen mit chemischen Substanzen. Durch dieses Verfahren werden z.B. die verstopften und verfilzten Poren der getragenen Kleider wieder geöffnet und so auch eine desinfizierende Wirkung erzielt. In der Hauptsache findet hierbei das bei der Gewinnung des explosionssicheren Petroleums abfallende Benzin Verwendung.

Durch die Herstellung einer brauchbaren, in Benzin leicht und vollkommen löslichen Seife machte die chemische Reinigung einen bedeutenden Fortschritt. Das betreffende Produkt wird als Marienhöher Saponin von der Firma Gronewald & Stommel in Elberfeld nach einem durch mehrere Patente geschützten Verfahren hergestellt. Das Fabrikat ist ein festes, saures Alkalioleinat von schwach alkalischer Reaktion, unlöslich in Wasser, aber leicht löslich in allen mit Wasser nicht klar mischbaren, flüchtigen Flüssigkeiten. Einen weiteren Vorteil bietet die Verwendung dieser Benzinseife dadurch, daß sie die elektrische Erregbarkeit des Benzins und damit auch die Gefahren der durch Selbstentzündung hervorgerufenen Explosionen beseitigt. Für diese Zwecke kann übrigens auch das Richterol (s.d.) Verwendung finden.

Der Zusatz der Benzinseife bewirkt einerseits eine Erhöhung des Lösungsvermögens, da ja das Benzin bei gewöhnlicher Temperatur Verwendung findet, und vermehrt gleichzeitig die Aufnahmefähigkeit des Benzins für das aus den Wäschestücken flammende Wasser. In Anbetracht der durch die Entwicklung der Automobilindustrie kurze Zeit drohenden Gefahr einer ungewöhnlichen Preissteigerung des Benzins ließ der Verband deutscher Färbereien und chemischer Waschanstalten Reinigungsversuche mit einem Gemenge von Benzin und Benzol anstellen, die sehr befriedigend ausfielen. Benzin allein trübt sich durch einen geringen Wassergehalt und wird dadurch für Reinigungszwecke untauglich, unter Umständen, wie z.B. bei Glacéhandschuhen, direkt gefährlich. Beim chemischen Waschgut kann durch einen Wassergehalt des Extraktionsmittels leicht ein Auslaufen der Farben eintreten.

Die Behandlung der Stoffe, die je nach Art, Farbe und Schmutzzustand sortiert werden, geschieht in der Weise, daß besonders schmutzige Sachen zunächst mit einer verdünnten Saponinlösung abgebürstet und dann in der Maschine mit dem im Betrieb befindlichen, am wenigsten reinen Benzin gewaschen werden, indem man sie in den Waschmaschinen durch abwechselnd nach vorn und rückwärts rotierende Trommeln schüttelt. Heikle Stoffe werden in derselben Weise, aber entsprechend vorsichtiger, und gleich zu Anfang mit einem reineren Benzin behandelt. Es erfolgt darauf je nach Bedarf ein wiederholtes Auswaschen mit reinem Benzin in weiteren Maschinen, bis das Benzin klar und sauber abläuft. Alsdann werden die so gereinigten Stoffe zentrifugiert und das schmutzige Benzin in Destillierblasen durch direktes Einleiten von Wasserdampf abdestilliert, im Wasserscheideapparat von dem anhaftenden Wasser befreit und in den Lagergefäßen aufgefangen. Die Lagerung des Benzins geschieht am bellen nach dem System von Martini-Heineke (vgl. Bd. 3, S. 763, Feuergefährliche Flüssigkeiten).

[402] Die Nachreinigung der aus der Benzinwäsche kommenden Stoffe geschieht im sogenannten Detachiersaal. Naturgemäß verbleiben ja auf den zu reinigenden Kleidern noch eine Reihe von Flecken, die von Stoffen herrühren, die in Benzin ganz oder teilweise unlöslich sind. Hier wird zunächst vorsichtig verflicht, sie mit destilliertem Wasser zu entfernen, doch gehen auch mit diesem nicht alle Flecken fort. Es ist daher praktisch, außer dem Benzin in kleineren Waschtrommeln noch denaturierten Spiritus oder Benzinoform (Tetrachlorkohlenstoff) nach einem unternommenen Vorversuch zu verwenden, wobei Teer-, Oelfarb- oder Lackflecken nach Angaben von Seyda [1] sich gut entfernen lassen. Auch Gemische von Chloroform und Benzinoform empfehlen sich für diese Zwecke. Rote Firnisfarbe löst man nach [1] am besten auf in einem Gemisch von 2 Teilen rektifiziertem Fuselöl, 1 Teil Benzinoform und 1 Teil Essigäther. Bei einem z.B. mit Zuckerlösung begossenen blauseidenen Stoffe werden die Zuckerflecken am besten mit einer dem blauen Farbstoff in ihrem Prozentgehalt genau angepaßten Essigsäure entfernt. Sehr alte Rostflecken entfernt man am besten mittels der galvanischen Methode durch Kochen der Stoffstücke in einem schwefelsauern Bad im Kupferkessel, in den noch ein mit Leinwand umwickeltes Zinkstück gegeben wird. Das Auftragen einer 10 prozentigen, mit Zuckersäure gesättigten Essigsäure mittels eines Eisenstabs auf Rostflecken und vorsichtiges Verreiben wird ebenfalls von ihm empfohlen. Tintenflecken werden gewöhnlich mit Oxalsäure behandelt und dann mit Kaliumpermanganat gebleicht. Bei nicht farbig gestreiften Stoffen empfiehlt sich die Verwendung eines Gemisches von 4 Teilen Weingeist und 1 Teil der obengenannten zuckersäurehaltigen Essigsäurelösung; ebenso zur Entfernung von Grasflecken. Blutflecken werden am besten mit lauwarmem Wasser unter Zusatz von etwas Ammoniak entfernt. Bei farbigen Stoffen empfiehlt sich die Anwendung von Eisessig, weil dadurch das Auslaufen der Farbe verhindert wird.

Wenn die Extraktionsmethoden versagen, versucht man die Flecken durch eine Bleichmethode zu entfernen. Als eine der brauchbarsten Methoden ist die mit übermangansauerm Kali zu empfehlen. Man betupft die betreffende Stelle mit einer Lösung davon und bringt aus der Bleichflüssigkeit das reduzierte Manganoxyd wieder in Lösung. Als Reduktionsmittel für das Permanganat fand früher allgemein die schweflige Säure Verwendung. Neuerdings verwendet man Wasserstoffsuperoxyd oder Oxygenol oder Hyraldit, letzteres von Cassella & Cie. in Frankfurt a.M. Seyda [1] wendete mit Erfolg Wasserstoffsuperoxyd unter Zusatz von Essigsäure an. Durch die Permanganatmethode gelingt es, sehr viele Flecken zu entfernen. Bei gefärbten Stoffen ist aber Vorsicht geboten, weil man unter Umständen den Farbstoff mit wegbleicht und die betreffende Stelle dann weiß erscheint. In solchen Fällen empfiehlt Seyda [1] das nachherige Anfärben mit einer angepaßten Lösung eines sogenannten Novafarbstoffes. Häufig empfiehlt sich auch die Anwendung eines Reduktionsmittels ohne vorherige Anwendung von Kaliumpermanganat, speziell die Anwendung des bereits erwähnten Hyraldits in der Weise, daß ein welschnußgroßes Stück davon in 100 ccm kochenden Wassers, welchem 15 Tropfen 10 prozentige Essigsäure zugesetzt sind, gelöst wird. Der Teil des Stoffes, auf dem der Fleck sitzt, wird zipfelartig gefaltet und der Fleck ausgewaschen. Bei farbigen Stoffen muß natürlich eine Vorprobe bezüglich der Einwirkung auf den Kleiderfarbstoff vorgenommen werden. Das Permanganatverfahren und das obenbeschriebene Reduktionsverfahren bilden unter anderm auch die einzigen Mittel, mit denen Weinflecken entfernt werden können (s. Fleckausmachen). Bezüglich Reinigung von Denkmälern s. [2] und Altertümerkonservierung, Bd. 1, S. 156.


Literatur: [1] Seyda, A., Chemikerztg. 1907, Nr. 79, S. 986, und Nr. 80, S. 1001. – [2] Schmidt, Zeitschr. f. öffentl. Chemie, 13. Jahrg., S. 322.

Mezger.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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