Rechenmaschinen [1]

Rechenmaschinen [1]

Rechenmaschinen, im weiteren Sinne, alle Vorrichtungen zur mechanischen Ausführung von Zahlenrechnungen.

A. Eigentliche Rechenmaschinen. Hierher gehören alle Vorrichtungen, bei denen durch zwangläufige Bewegungen Ziffern oder Zeiger so gestellt werden, daß sie die Ergebnisse vorgeschriebener Rechnungen darstellen.

Die erste Rechenmaschine hat Blaise Pascal 1642 erfunden [1]–[3], [5]. Sie diente nur zum Addieren und Subtrahieren. Die Räder für die Einer, Zehner u.s.w. wurden mit einem Stift herumgedreht; ähnlich ist es noch bei dem handlichen Apparat »Union« von J. Ugrich in Charlottenburg (Preis 9 ℳ.) zur unmittelbaren Addition und Subtraktion zweiziffriger Zahlen mit nur einer drehbaren Scheibe für die Zahlen von 1–100 [3]. Ein schnelleres Arbeiten erlauben die Additionsmaschinen mit Tasten, von welchen erwähnt seien die Additionsmaschine »Summa« von Max Mayer in München mit neun Tasten für die Zahlen 1–9 (Preis 75 ℳ.) [2], [3], der »Comptometer« von Felt & Tarrant in Chicago (Preis achtstellig 520 ℳ.) mit je neun Tasten für die Einer, Zehner, Hunderter u.s.w. [1], [3], ferner unter den zugleich mit Vorrichtung zum Drucken der Summanden und der Summe ausgerüsteten Additionsmaschinen die von W.S. Burroughs (»Registering Accountant«, in vielen deutschen Postämtern im Gebrauch) [1] – [3], und die von W. Heinitz, ausgeführt von der Kontrollkassen- und Rechenmaschinenfabrik »Monopol« in Dresden (Preis neunstellig 1000 ℳ., mit elektrischem Antrieb für Gleichstrom 1300 ℳ.) [2], [3].

Die erste, auf alle vier Spezies eingerichtete Rechenmaschine hat G.W. Leibniz (unabhängig von Pascal, vor September 1671) erfunden [1]–[3], [5]. Von zwei ausgeführten Exemplaren dieser Maschine ist das eine von A. Burkhardt wieder instand gesetzt worden [6], das andre verschollen. Die erste praktisch brauchbare Rechenmaschine hat der württembergische Pfarrer Ph. M. Hahn 1774 zustande gebracht [7]; größere Verbreitung ist jedoch erst dem 1820 patentierten »Arithmometer« des Elsässers Ch. X. Thomas beschieden gewesen [1]–[3], [8], welche Rechenmaschine, im einzelnen verbessert, in Deutschland seit 1878 von A. Burkhardt in Glashütte (Sachsen) hergestellt wird (Preis bei acht und neun Stellen für Multiplikand und Multiplikator, 16 Stellen für das Produkt 475 ℳ.) [2], [3], [5], [8]. Derselben Bauart gehört die Rechenmaschine »Saxonia« an, die, mit zwei Zählwerken versehen, den Namen »Unitas« führt; beide Maschinen werden von Ludwig Spitz & Co. in Berlin geliefert. Alle diese Rechenmaschinen, zu denen zahlreiche hier nicht erwähnte hinzukommen, sind untereinander und mit der Leibnizschen verwandt, namentlich in der Hinsicht, daß sie im sogenannten Schaltwerk als wesentlichen Bestandteil die von Leibniz erfundene »Stufenwalze« oder »Staffel walze« mit neun Zähnen ungleicher Länge enthalten.

Eine andre Gruppe von Rechenmaschinen hat statt der Stufenwalzen Räder mit neun ein- und ausrückbaren Zähnen (Sprossenräder), wie solche Leibniz ebenfalls schon vorgeschlagen hat [9]. Hierzu gehören von neueren Rechenmaschinen der Arithmometer von W. Odhner in St. Petersburg (1878 erstmals in Deutschland patentiert) [2], [3], in Deutschland unter dem Namen »Brunsviga« von Grimme, Natalis & Co. in Braunschweig hergestellt und seit 1892 im Handel (Preis neun-, acht-, dreizehnstellig ℳ. 300) [2], [3], [5]. Die Konstruktion dieser Maschine bedeutete zu ihrer Zeit wegen ihrer geringeren Größe und der zweckmäßigen Anordnung der Teile einen Fortschritt, sie ist aber nicht zwangläufig und hat einen schweren Gang. Eine Abart bildet die »Berolina« von Ernst Schuster in Berlin, die auch, unter dem Namen »Duplikator«, mit doppeltem Zählwerk geliefert wird (wie die obenerwähnte »Unitas«). Verwandt mit Odhners Arithmometer, aber vollkommener, ist Küttners Rechenmaschine, die von der Kontrollkassen- und Rechenmaschinenfabrik »Monopol« in Dresden in zwei Formen (»Simplex« und »Duplex«) hergestellt wird [2]. In bezug auf geringe Größe, Handlichkeit und leichten Gang übertrifft alle bisherigen Rechenmaschinen die von Ch. Hamann in Friedenau erfundene »Gauß«, in einer neueren Form »Mercedes« genannt (Preis mit sechs Stellen im Multiplikanden ℳ. 200) [3], [10], [11]; statt der Stufenwalzen oder Sprossenräder hat sie eine Stufenscheibe. Während bei den vorher genannten Rechenmaschinen die Multiplikation durch wiederholte Addition (die Division durch wiederholte Subtraktion) bewirkt wird, sind in neuerer Zeit auch leistungsfähigere eigentliche Multiplikationsmaschinen gebaut worden, die erste 1888 von Léon Bollée in Le Mans (nicht mehr im Handel) [1]–[3], eine andre (Patent Otto [370] Steiger), deren jetziger Handelsname »Millionär« ist, von Hans W. Egli in Zürich [2], [3] (Preis acht-, acht-, sechzehnstellig 1050 ℳ.), zu denen noch die neuere Rechenmaschine von E. Selling (D.R.P. Nr. 149564) hinzugekommen ist [12]. Einen Uebergang zu den Multiplikationsmaschinen bildete schon die ältere Rechenmaschine von Selling (1886) [1]–[3]. – Erwähnt seien ferner die sogenannten Differenzenmaschinen, die selbsttätig Zahlen- (z.B. Logarithmen-) tafeln berechnen und zugleich drucken oder stereotypieren können. Der Gedanke geht auf Joh. Helferich Müller (1786) zurück [1]–[3]. Die von Charles Babbage 1812 erfundene Differenzenmaschine ist unvollendet geblieben [1]–[3]; wirklich zustande gekommen sind die in zwei Exemplaren vorhandene Differenzenmaschine der Schweden Georg und Eduard Scheutz [1]–[3] und die von M. Wiberg [1]–[3]. – Es möge hier noch der Mechanismen zur (angenäherten) Berechnung rationaler ganzer Funktionen und Auflösung numerischer Gleichungen gedacht werden, unter denen die von Torres in ihren Leitungen am weitesten gehen [1]–[3].

B. Rechenapparate. Die Multiplikation von Zahlen beliebiger Größe mit einstelligen Zahlen wird auf eine Addition zurückgeführt durch die Neperschen Rechenstäbchen vom Jahre 1617 [1]–[3], die neuerdings wieder in verschiedenen Ausstattungen, z.B. als »Erleichterungstafel« von J. Blater [13], in den Handel gebracht worden sind; bei der »réglettes multiplicatrices« genannten vervollkommneten Form derselben von Genaille und Lucas [1]–[3], [14] kommt die Addition in Wegfall. Für mehrstellige Multiplikatoren bestimmte neuere Apparate, die sich von den eigentlichen Rechenmaschinen dadurch unterscheiden, daß sie nur die Teilprodukte liefern, die der Rechner dann noch zu addieren hat, sind z.B. das »Tableau multiplicateur-diviseur« von Léon Bollée [15], S. 985, und der ähnliche Multiplikationsapparat von Kurt Greuner in Chemnitz i. S. (Preis fünfstellig ℳ. 50) [4], Nachtrag S. 5, sowie der mit Additionsapparat verbundene »Arithmograph« von Léon Bollée (Preis sechsstellig ℳ. 80) [15], S. 977. – Wichtiger als die vorhergehenden sind die logarithmischen Rechenapparate, die auf der 1620 (oder 1623) von dem Engländer E. Gunter erfundenen logarithmischen Skala oder Teilung, einer graphischen Darstellung der Logarithmen, beruhen und alle Rechnungen, die sich auf Multiplikation und Division zurückführen lassen, mit großer Schnelligkeit auszuführen gestatten. Beim gewöhnlichen logarithmischen Rechenstab oder Rechenschieber (englisch sliding rule, französisch règle à calcul) mit geradlinigen Teilungen und der üblichen Länge von 25 cm ist die Genauigkeit im Mittel etwa 0,2%. Gut ausgeführte Rechenschieber, mit Teilungen auf weißem Zellhorn, liefern z.B. Dennert & Pape in Altona und A. Nestler in Lahr i. B. (Preis bei der üblichen Größe und Einrichtung ℳ. 6–7). Es gibt zahlreiche Anleitungen zum Gebrauch des logarithmischen Rechenschiebers; als besonders empfehlenswert sei [16] genannt.

Schon früh hat man die Genauigkeit des Rechenschiebers zu erhöhen gesucht, entweder indem man ihn möglichst lang machte, wodurch er aber unhandlich wurde, oder indem man die logarithmische Teilung auf Kreise oder Spiralen auftrug, oder indem man sehr lange Skalen in Stücke zerlegte und die Stücke nebeneinander anordnete. Von neueren derartigen Konstruktionen seien genannt das Rechenrad von A. Beyerlen in Stuttgart (Preis ℳ. 20) [2], [3], [5]; Fullers Spiral slide rule (Skala in Form einer Schraubenlinie, Preis ℳ. 60) [2], [3], [5], [17], Everett und Hannyngtons Universal proportion tables (rostförmig, aus Karton oder Holz, Preis der mittleren Größe ℳ. 20 bezw. ℳ. 60) [2]–[5], [17] und die damit verwandten Rechentafeln von Scherer (Teilungen auf Blech und Glimmer, Genauigkeit im Mittel 0,02%, Preis ℳ. 12) [4], [5] und von R. Pröll in Dresden (auf Karton und Zellhorn, Preis ℳ. 3) [18]; Thachers Cylindrical slide rule (Genauigkeit fast wie bei einer fünfstelligen Logarithmentafel, Preis ℳ. 150) [2]–[5]. Rechenschieber für besondere Zwecke, z.B. für Tachymetrie, für die Berechnung der Abmessungen von Balken, Trägern, Wellen, Stützmauern u.s.w., die Leistungen von Dampfmaschinen, Pumpen, Turbinen u.s.w., sind namentlich in England, neuerdings auch in Deutschland viele konstruiert worden [2], [3]. Ueber den neuesten Turbinenrechenschieber von Holl s. Wassermotoren; Logometer nennt Meyers Konversationslexikon einen Maßstab zur Lösung trigonometrischer Aufgaben.


Literatur: Das ganze Gebiet umfassende Schriften sind [1]–[3]; viele Beschreibungen und Abbildungen findet man auch in [4]. – [1] d'Ocagne, M., Le calcul simplifié par les procédés mécaniques et graphiques, 2e éd., Paris 1905. – [2] Mehmke, R., Numerisches Rechnen, Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften mit Einschluß ihrer Anwendungen, Bd. 1, 2. Teil, Leipzig 1900/04, S. 952–978, 1053–1073. – [3] Mehmke, R., und d'Ocagne, M., Calculs numériques, Encyclopédie des sciences mathématiques, t. I, 4e cahier, S. 226. – [4] Dyck, W., Katalog mathematischer und mathematisch-physikalischer Modelle, Apparate und Instrumente, München 1892; Nachtrag dazu, München 1893. – [5] Jordan, W., Handbuch der Vermessungskunde, Bd. 2, 7. Aufl., Stuttgart 1908, S. 159–175. – [6] Burkhardt, A., Die Leibnizsche Rechenmaschine, Zeitschr. f. Vermessungswesen 1897, Bd. 26, S. 392. – [7] Hahn, Ph. M., Beschreibung mechanischer Kunstwerke, erstes und zweites Stück, Stuttgart 1774. – [8] Reuleaux, F., Die Thomassche Rechenmaschine, Freiberg 1862 (Sonderabdruck aus Civilingenieur, Bd. 8), 2. Aufl.,. unter dem Titel »Die sogenannte Thomassche Rechenmaschine«, Leipzig 1892; die geschichtlichen Angaben in letzterer Schrift sind vielfach unrichtig und irreführend. – [9] Jordan, W., Zeitschr. f. Vermessungswesen 1897, Bd. 26, S. 308. – [10] Semmler, W., ebend. 1906, Bd. 33, S. 10, 33. – [11] Schulz, J.W. G., Zeitschr. f. Instrumentenkunde 1906, Bd. 26, S. 50. – [12] Selling, E., Neue Rechenmaschine, Zeitschr. f. Mathematik u. Physik 1905, Bd. 52, S. 86. – [13] Blater, J., Erleichterungstafel, Wien 1889. – [14] Genaille, H., und Lucas, E., Réglettes multiplicatrices, Paris 1885. – [15] Bulletin de la société d'encouragement pour l'industrie nationale 1895, 4e série, t. 10. – [16] Hammer, E., Der logarithmische Rechenschieber und sein Gebrauch, 4. Aufl., Stuttgart 1908. – [17] Favaro, A., und Terrier, P., Leçons de statique graphique, 2e partie, Paris 1885, S. 70. – [18] Zeitschr. f. Mathematik u. Physik 1901, Bd. 46, S. 218.

Mehmke.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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