Papiernormalien

Papiernormalien

Papiernormalien sind diejenigen Bestimmungen, durch welche die Eigenschaften solcher Papiersorten festgesetzt werden, die beim Niederschreiben wichtiger, namentlich staatlicher, gesetzlicher Verfügungen und Verordnungen sowie überhaupt im Gebrauche der Behörden in Verwendung kommen, um deren Zeitdauer tunlichst zu erhöhen.

Solche Normalien sind von mehreren deutschen Bundesstaaten, so von Preußen 1891, Bayern 1892, Baden 1897, Hessen und Württemberg 1907 festgesetzt worden. Durch die von Preußen erlassenen Bestimmungen wird das von den Staatsbehörden zu verwendende Papier auf Grundlage von Stoff- und Festigkeitsklassen in Verwendungsklassen eingeteilt.

Stoffklassen werden vier unterschieden und zwar: 1. Papiere nur aus Hadern; 2. Papiere aus Hadern mit höchstens 25% Zellstoff, ohne verholzte Fasern; 3. Papiere beliebiger Zusammensetzung ohne verholzte Fasern; 4. Papiere beliebiger Zusammensetzung. Der Aschengehalt all dieser Klassen ist von den einzelnen Bundesstaaten verschieden festgesetzt.

Festigkeitsklassen werden sechs unterschieden mit 6000, 5000, 4000, 3000, 2000, 1000 m mittlerer Reißlänge. Die mittlere Dehnung ist dabei mit 4, 3,5, 3, 2,5, 2, 1,5% der ursprünglichen Länge, die Zahl der Doppelfalzungen nach Schopper mit 190, 190, 80, 40, 20,3, festgesetzt; diese Maße sind bei 65% relativer Luftfeuchtigkeit zu ermitteln, die Berechnung der Reißlänge auf Grund des Gewichtes eines bei 100° C. getrockneten Streifens, zu vollführen.

Verwendungsklassen sind acht mit Untereinteilungen festgesetzt: 1. Papier für dauernd aufzubewahrende, besonders wichtige Urkunden und für Kabinettsorders: Stoffklasse 1 Festigkeitsklasse 1, Gewicht für 1000 Bogen 15 kg und 12 kg. 2. Papier zu Urkunden, Standesamtsregistern, [4] Geschäftsbüchern u.s.w., zwei Sorten: Stoffklasse 1, Festigkeitsklasse 2 und 3, Gewicht 14 und 13 kg. 3. Aktenpapier für länger als 10 Jahre aufzubewahrende Schriftstücke. (3a Kanzleipapier, Quartbriefpapier, Oktavbriefpapier, Schreibmaschinendurchschlagpapier; 3b Konzeptpapier): Stoffklasse 2, Festigkeitsklasse 3, bei Sorte 3b Festigkeitsklasse 4, Gewicht 13, 10,4, 5,2, 7 und 13 kg. 4. Aktenpapier für Schriftstücke von geringerer Bedeutung und kürzerer Aufbewahrungsfrist. (4 a Kanzleipapier, Quart- und Oktavbriefpapier; 4b Konzeptpapier): Stoffklasse 3, Fertigkeit bei 4a 3500 m Reißlänge, Dehnung 2,75%, 40 Doppelfalzungen; bei 4b Festigkeitsklasse 4, Gewicht 12, 9,6, 4,8, 1,2 kg. 5. Briefumschläge, Packpapier, zwei Sorten, Stoffklasse unbestimmt, Festigkeitsklasse 3 und 5, Gewicht in Gramm für 1 qm festgesetzt. 6. Schreibpapier zu untergeordneten Zwecken des täglichen Verbrauchs: Stoffklasse unbestimmt, Festigkeitsklasse in einzelnen Fällen 5 oder 6, Gewicht unbestimmt. 7. Aktendeckel, Sorte 7a: Stoffklasse 1, Festigkeitsklasse 2500 m Reißlänge, 3,5% Dehnung, Gewicht pro 1000 Bogen 31,2 kg; Sorte 7b: Stoffklasse 3, Fertigkeit 2500 m Reißlänge, 2,5% Dehnung, Gewicht pro 1000 Bogen 42,3 kg. 8. Druckpapier, drei Sorten, 8 a, 8 b, 8 c: Stoffklasse 1, 3, unbestimmt; Festigkeitsklasse 4, 4, in einzelnen Fällen 5 oder 6.

Die Bogengröße ist mit 33 × 42 festgesetzt, und nur, wo dies nicht angängig ist, sind weitere 12 Bogengrößen bestimmt und bis zur neunten Größe auch das Gewicht für 1000 Bogen und für den Quadratmeter festgesetzt. Für sehr undurchsichtige Schreibpapiere kann eine Gewichtserhöhung bis zu 25% vorgeschrieben werden.

Die Papierklassen 1–4 dürfen in Reißlänge, Dehnung und Falzzahlen bis zu 10% nach unten abweichen, die Gewichte bei Schreib- und Druckpapier 2,5%, bei Aktendeckeln und Packpapieren um 4%.

Die Schreibpapiere der Verwendungsklassen 1–4 müssen mit einem auf dem Siebe hergestellten Wasserzeichen versehen sein, das die Firma des Fabrikanten in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise sowie neben dem Worte »Normal« das Zeichen der Verwendungsklasse erkennen läßt, und es dürfen nur solche Papiere dieser Klassen verwendet werden, deren Wasserzeichen beim Kgl. Materialprüfungsamt in Groß-Lichterfelde bezw. Darmstadt und Stuttgart gemeldet und eingetragen sind, welche Eintragung im Reichs- und Staatsanzeiger bekanntgemacht wird. – Vor der Erteilung von Lieferungsaufträgen ist von jeder Papiersorte eine Probe zur Prüfung auf Aussehen, Glätte, Griff einzusenden. Die Prüfung auf Stoffzusammensetzung, Fertigkeit, Leimung, d.h. also auf die Uebereinstimmung des Papiers mit den Normalien erfolgt nach Lieferung, vor der Ingebrauchnahme, und zu diesem Zwecke müssen Proben an das genannte Prüfungsamt eingesendet werden, die aus je zehn Bogen Papier, zehn Briefumschlägen oder Aktendeckeln bestehen, welche aus verschiedenen Stellen der Lieferung und aus Paketen, die noch nicht geöffnet waren, bei größeren Lieferungen aus mindestens fünf Paketen entnommen, zwischen steife Deckel zu verpacken sind und nur so weit geknifft werden dürfen, daß die ungeknifften Flächen mindestens 26,5 × 21 cm groß bleiben. – Die Prüfungsgebühr beträgt für jede Sorte 20 ℳ., die jedoch nur dann zurückbehalten wird, wenn das Papier den Normalien nicht entspricht. Das Prüfungsamt hat neben den Einzelergebnissen in den Prüfungszeugnissen zu bezeugen, ob das Papier die Bedingungen erfüllt oder nicht erfüllt, in welch letzterem Falle ersichtlich zu machen ist, inwieweit den Anforderungen nicht genügt ist. Solche Papiere sind zurückzuweisen. – Fabriken, an deren Produkten im Laufe eines Jahres mehrfach grobe Verstöße gegen die Bestimmungen, d.h. gegen die Stoff- und Festigkeitsklasse festgestellt wurden, sind zu verwarnen und, wenn dies erfolglos bleibt, aus dem amtlichen Wasserzeichenverzeichnis zu streichen und von den Lieferungen für staatliche Behörden auszuschließen und dies im Reichs- und Staatsanzeiger zu verlautbaren. Nach zwei Jahren kann die Fabrik unter Probenvorlage um Wiedereintragung bittlich werden, worüber nach Durchführung der Prüfung der Minister für Handel und Gewerbe entscheidet. – Die Behörden dürfen in ihren Lieferungsanforderungen andre Bestimmungen nicht vorschreiben. Die Verordnung ist vom Kgl. Staatsministerium erlassen und vom 28. Januar 1904 datiert. Zu diesen Bestimmungen ist noch eine Dienstanweisung zur Ausführung derselben, gleichen Datums, erlassen, die sich auf den Bezug, die Verwendung und Bestellung des Papiers von Seite der einzelnen Behörden und einzelner Beamter bezieht.

Die Prüfungsgebühren des Kgl. Materialprüfungsamtes zu Groß-Lichterfelde betragen für eine Festigkeits- und Dehnungsprüfung (je fünf Versuche nach zwei Richtungen) 10 ℳ.; eine Falzprüfung 2 ℳ.; Aschengehaltsprüfung 3 ℳ.; mit Bestimmung der qualitativen Zusammensetzung der Asche 10 ℳ., mit Bestimmung der quantitativen Zusammensetzung 50 ℳ. eine Dicken- und Gewichtsprüfung 2 ℳ.; Untersuchung auf Holzschliff 1 ℳ.; mit Bestimmung der Art der verholzten Fasern 2 ℳ. mikroskopische Feststellung der Faserarten 5 ℳ.; mit Schätzung der Mengenverhältnisse 10 ℳ.; chemische Zusammensetzung 5–50 ℳ.; quantitativ 10–100 ℳ.; vollständige Untersuchung 20 ℳ. Außer diesen Vorschriften sind noch erlassen: Bestimmungen des Reichseisenbahnamtes vom 13. Oktober 1892 für Frachtbriefpapiere, nach welchen zu diesem Zweck Normalpapier 4 a zu verwenden ist, das Papier muß weiße Farbe besitzen, das Gewicht für je 1000 Bogen 76 ×. 60 cm hat 39 kg zu betragen. Gestattete Abweichung 2,5% nach oben und unten. Für Quittungskartenkarton der Invaliditäts- und Altersversicherung ist durch mehrere Reichskanzlerverordnungen bestimmt, daß dieser Karton aus Zellstoff, Leinen und Baumwolle hergestellt sein muß, vom erstgenannten Stoff nicht mehr als 50% enthalten darf, der Leinen- den Baumwollgehalt um mindestens 5% übersteigen, der Karton mit Eisenoxyd und Bleichromat gelb gefärbt und ein Quadratmetergewicht von 272–287 g aufweisen muß. Die mittlere Reißlänge hat 4500 m, die mittlere Dehnung 4% zu betragen. Die Quittungskarten für die Selbstversicherung müssen grau gefärbt sein. Die Beitragskarten der Invaliditäts- und Altersversicherung müssen aus Lumpenpapier hergestellt sein, eine Reißlänge von mindestens 3000 m, eine Dehnung von wenigstens 1,9% und einen Aschengehalt von höchstens 12% aufweisen. Dieselben sind behufs Feststellung der Echtheit mit einem unsichtbaren Aufdruck[5] zu versehen. – Postkarten- und Postanweisungskarton muß nach Bestimmung der Reichsdruckerei vom Jahre 1903 von verholzten Fasern frei sein, eine mittlere Reißlänge von mindestens 3000 m, mittlere Dehnung mindestens 2,5%, einen Aschengehalt von höchstens 10%, gute Leimfestigkeit und Kopierfähigkeit sowie lichtechte Färbung aufweisen. Bei Postpaketadressenkarton in die mittlere Reißlänge mit 2500 m, die Dehnung mit 2%, der Aschengehalt mit höchstens 15% festgesetzt und gute Leimfestigkeit sowie eine Färbung verlangt, die sich bei Einwirkung verdünnter Mineralsäuren nicht wesentlich ändert. Die vom Reichspostamt im Jahre 1906 erlassenen Vorschriften für Papier zu Fernsprechkabeln verlangen Trockenheit, gleichmäßige Dicke, Langfaserigkeit, Freiheit von Metallteilchen oder sonstigen Stoffen, die auf Leiter und Bleimantel zersetzend wirken könnten. Die mittlere Reißlänge ist mit 4000 m, die mittlere Dehnung mit 2% festgesetzt; s.a. Papierprüfung.


Literatur: v. Hoyer, Ueber die Entstehung und Bedeutung der Papiernormalien sowie deren Einfluß auf die Fabrikation, 1888; Hofmann, Normalpapier, 1892; Müller-Haußner, Die Herstellung und Prüfung des Papiers, Berlin 1905; Herzberg, W., Papierprüfung, 1907.

Kraft.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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