Kraftübertragung [4]

Kraftübertragung [4]

Kraftübertragung , pneumatische, wird dadurch bewirkt, daß man die Luft in einer Rohrleitung durch eine Luftpumpe, die an ihrem einen Ende angeschlossen ist, verdichtet oder verdünnt und die Druckdifferenz zwischen dieser und der äußeren Luft zum Betriebe einer am andern Ende angeschlossenen Luftmaschine benutzt. Luftpumpe und Luftmaschine sind aber nicht immer ausgebildet und können bis auf einen Kolben oder eine Flüssigkeitssäule, die sich in der Leitungsröhre verschieben, reduziert sein. Bei den Saugpumpen verschwindet auch noch, sobald die Flüssigkeitssäule bis zum Kolben angesaugt ist, die Luftleitung.

Pneumatische Kraftübertragung wird angewendet: zur Kraftverteilung in Städten oder Fabriken, zum Betriebe von Gesteinsbohrmaschinen, Wasserhaltungs- und Fördermaschinen, pneumatischen Aufzügen, Rammen und Hämmern, pneumatischen Eisenbahnen und Rohrposten, zur Flüssigkeitsverdrängung bei Pumpen, Taucherglocken, pneumatischen Gründungen u.s.w. Zur Uebertragung bedeutenderer Kräfte bedient man sich der durch Luftkompressoren (s.d.) verdichteten Luft. Der Wirkungsgrad solcher Kompressoren ist je nach Konstruktion und Ausführung sehr verschieden. Die beim St. Gotthard-Tunnel zur Anwendung gekommenen Colladon-Kompressoren leisteten etwa 50% der theoretischen Arbeit, die geliefert werden müßte, wenn das angesaugte Luftquantum ohne Wärmezunahme (isothermisch) verdichtet würde. Die älteren Paxmannschen Kompressoren der Pariser Druckluftanlage ergaben 70% und die durch Riedler verbesserten 83% Nutzarbeit.

Wenn die Luft sogenannten nassen Kompressoren entströmt, führt sie so viel Feuchtigkeit mit, daß sie einen Trockenapparat passieren muß, ehe sie in den Luftbehälter und von da in die Leitungsröhre gelangt. Ist die Leitung sehr lang, so schaltet man auch in sie noch Entwässerungsapparate ein. Diese Trocken- und Entwässerungsapparate gleichen den bei Dampfleitungen gebräuchlichen. Erleidet die Luft bei ihrem Durchgange große Geschwindigkeitsänderungen, so hat dies einen beträchtlichen Druckverlust zur Folge. Nach Versuchen von Riedler und Gutermuth [3] betrug dieser bei einem der großen Trockenapparate der Pariser Druckluftanlage 0,15 Atmosphären, wenn die auf 6 Atmosphären gespannte Luft mit etwas mehr als 7 m Geschwindigkeit durch die Leitung strömte, während die kleineren siphonartigen Entwässerungsapparate einzeln keinen merklichen Druckverlust verursachten. Die Luftbehälter, die einfach zylindrischen Dampfkesseln gleichen, dienen bei ausgedehnten Leitungen ebenfalls mehr zur Entwässerung als zur Druckregulierung, da größere Druckschwankungen wegen der Größe des in der Leitung enthaltenen Luftvolumens ohnedies nicht eintreten. Sie sind deshalb mit Wasserstandszeiger und Wasserablaßhahn sowie mit einem Sicherheitsventil versehen. Im übrigen ergaben die Versuche an der Pariser Leitung von 300 mm Durchmesser [3], daß der Druckverlust durch Undichtheit, namentlich bei den neueren Strecken, so unbedeutend war, daß er kaum in Betracht kommt. Der Luftwiderstand der Leitung hatte bei einer Strecke von 3340 m Länge, worin keine großen Trockenapparate vorkamen, einen Druckverlust von 0,05 Atmosphären pro Kilometer Länge zur Folge und bei der ganzen Leitung von 16502 m Länge mit vier großen Trockenapparaten einen solchen von 0,07 Atmosphären. Aus den Versuchen von Stockalper am St. Gotthard-Tunnel, von Devillez an der Druckluftleitung der Kohlengrube Levant du Flenu in Belgien, von Riedler und Gutermuth an der Pariser sowie aus eignen Versuchen an der Offenbacher Druckluftanlage hat Lorenz [6] die empirische Formel abgeleitet: Δ p/pm = 0,52/D1,30933 · T0/T · L · w2, worin Δ p = p1p2 den Druckverlust, pm die mittlere Spannung der Rohrleitung = (p1 + p2)/2, L die Länge der Leitung in Kilometern, D ihren Durchmesser in Millimetern, w die mittlere Geschwindigkeit der Luft in der Leitung in Metern pro Sekunde, To die absolute Temperatur beim Gefrierpunkte = 273° und T die absolute Temperatur der [660] Luft = 273° + bedeutet. Hat man danach den relativen Druckverlust Δ p/pm = n berechnet, so ist p2 = (2 – n)/(2 + n)p1. Da die Geschwindigkeit w dem Quadrate des Röhrendurchmessers D umgekehrt proportional ist, so ist nach obiger Formel der relative Druckverlust etwa der 51/3 Potenz von D umgekehrt proportional. Deshalb sollte der Röhrendurchmesser möglichst groß genommen werden, soweit es mit den dadurch wachsenden Kosten der Leitung und der Enge der Tunnelräume vereinbar ist. Die Geschwindigkeit w sollte 6 m nicht übersteigen. Erscheint dies unzulässig, so sollte man die Luft stark komprimieren, um im Verhältnis zu dem angesaugten Luftvolumen geringen Leitungswiderstand zu erhalten, da die zur Kompression nach der Isotherme erforderliche Arbeit dem natürlichen Logarithmus des Kompressionsgrades proportional ist, also beispielsweise bei Verdopplung des letzteren nur 1,3 mal so groß wird.

Mit Druckluft betriebene Bergwerks- und Gesteinsbohrmaschinen (Bd. 2, S. 208) arbeiten meist ohne Expansion, so daß dabei im allgemeinen die Kompressionsarbeit verloren geht und nur die zum Hinausschieben der verdichteten Luft aus dem Kompressor nutzbar gemacht wird. Reichliche Luftzuführung zur Ventilation des Tunnels oder der Grube ist so wichtig, daß es hier auf Ersparung von Druckluft nicht ankommt. – Wird Expansion im Luftmotor angewendet, so sinkt dabei die Temperatur so sehr, daß alsbald Eisbildung stattfindet, wenn die verdichtete Luft mit der Temperatur der Atmosphäre eintritt und während der Expansion keine Wärme zugeführt wird. Radinger beobachtete in solchem Falle an einem Motor der Pariser Druckluftleitung bei 41/2 Atmosphären und 17° C. der eintretenden Luft eine Temperatur der ausströmenden Luft von – 60° C. In 10 Minuten fror das Ausströmungsrohr zu. Zum Erwärmen während der Expansion empfiehlt sich am meisten das Einspritzen von Wasser durch einen Zerstäuber, wenn es ohne besondere Kosten genügend warm zu haben ist. Ingenieur Cornet, dem auf der Grube Levant du Flenu von einem Grubenbrände her Wasser von 20,5° zur Verfügung stand, benutzte dies als Einspritzwasser für eine pneumatische Fördermaschine und erreichte durch Einspritzung von 1,7 l pro 1 cbm angesaugter Luft 95% Nutzeffekt der Maschine. Die Temperatur des Einspritzwassers sank hierbei auf 14,5° und die der Druckluft von 21,5° auf 5°. Ein weit einfacheres und vorteilhafteres Mittel, das Ueberschreiten des Gefrierpunktes bei der Expansion zu verhüten, ist die von Viktor Popp bei der Pariser Druckluftanlage angewendete Erwärmung der Druckluft vor ihrem Eintritt in die Maschine. Sie erfolgt in einem eisernen Ofen, zwischen dessen doppelten Wandungen die Druckluft in senkrechten, durch eingegossene Rippen gebildeten Kanälen auf und nieder streicht und mit einem stündlichen Kohlenverbrauche von nur 0,09–0,1 kg pro 1 PS. der Luftmaschine auf eine etwa um 150° höhere Temperatur gebracht wird. Durch diese Wärmezufuhr wird das Arbeitsvermögen der Druckluft etwa auf das Anderthalbfache gesteigert. Sie strömt mit 5 Atmosphären Spannung und etwa 170° C. in die Maschine, expandiert und tritt mit einer Temperatur von etwa +8° aus. Es wird auf diese Weise nicht nur die Eisbildung verhütet, sondern es können auch infolge der Energiesteigerung durch Wärmezufuhr bei guter Konstruktion der Luftmaschine von dieser etwa 15% mehr Arbeit abgegeben werden, als die Verdichtung der verbrauchten Luftmenge erfordert. Die geringeren Gesamtwirkungsgrade von oft nur 10–20% und im allgemeinen von 15–30%, die früher bei pneumatischen Kraftübertragungen zum Betriebe von Bergwerks- und Gesteinsbohrmaschinen beobachtet wurden, hatten ihren Grund nicht nur darin, daß die Luftmotoren ohne Expansion arbeiteten, sondern auch in mangelhaften Konstruktionen der Kompressoren, zu enger Luftleitung und hauptsächlich darin, daß die Druckluft nicht vorgewärmt wurde.

Als Luftmotoren sind vorhandene Dampfmaschinen verwendbar; doch ergeben eigens zu diesem Zwecke und gut konstruierte Maschinen einen beträchtlich höheren Wirkungsgrad. Die früheren einpferdigen, rotierenden Pariser Motoren waren sehr mangelhaft, arbeiteten ohne Vorwärmung und verbrauchten etwa 70 cbm Luft pro Pferdestärkestunde. Der Wirkungsgrad der gesamten Anlage war dabei W = 15%. Neuere rotierende Luftmotoren ohne Vorwärmung verbrauchen 30 cbm, bei einer Vorwärmung von 50° aber nur 24 cbm, F = 43%. Kleinere Kurbeldampfmaschinen, als Luftmotoren benutzt, verbrauchen 17–21 cbm Luft pro Pferdestärkestunde, W = 50–62%. Eine 80 pferdige ehemalige Dampfmaschine, mit Druckluft betrieben, verbrauchte bei 160° Vorwärmung 13 cbm Luft pro Pferdestärkestunde, W = 80%. Mit eigens zu diesem Zwecke und gut konstruierten Luftmaschinen kann ein Luftverbrauch von etwa 9 cbm pro Pferdestärkestunde erreicht werden, W = 115%, wie bereits erwähnt.

In Werkstätten findet man eigentliche Druckluftmotoren nur noch selten, weil sie teils durch Elektromotoren verdrängt, teils dadurch entbehrlich werden, daß man die Druckluft durch Verzweigung der Leitung bis zu den Arbeitsstellen hinführt und sie dort entweder direkt oder vermittelst der in neuerer Zeit mehr und mehr in Aufnahme gekommenen Druckluftwerkzeuge (s.d.) Arbeit verrichten läßt. In solchen Fällen wird ein Kompressor zur Erzeugung von Druckluft von 7–7,5 Atmosphären Ueberdruck, meist mit der Kraftanlage des Werkes verbunden, in möglichst zentraler Lage gegen die Verbrauchsstellen aufgestellt. Der Druckluftbehälter, der gleichzeitig zur Entfernung der Feuchtigkeit aus der dem Kompressor entströmenden Druckluft dient, erhält mindestens das Volumen der in 1 Minute angesaugten Luft, und die Rohrleitung, deren lichte Weite nach jeder Abzweigung vermindert, jedoch nicht kleiner als 19 mm genommen wird, ist so zu bemessen, daß höchstens 0,2 Atmosphären Spannungsabfall eintritt. Dieser Luftleitung gibt man Gefälle nach einem tiefsten Punkte hin und bringt in diesem noch einen Wasserabscheider an, da eine sorgfältige Entfernung der Feuchtigkeit zur Vermeidung des Zufrierens der Leitung erforderlich ist. Die Verbindung der Rohrleitung mit den Druckluftwerkzeugen wird durch Gummischläuche mit doppelter Hanfeinlage und starker Segeltuchumlage hergestellt. Wenn diese Schläuche lang sind, werden sie von Oesen getragen, die von der Decke des Arbeitsraumes herabhängen, oder über Rollen gelegt, die sich auf wagerechten Drahtseilen oder Eisenschienen verschieben lassen.

[661] Zu der direkten Verwendungsart der Preßluft gehört das Wegblasen zu entfernender Stoffe. So dient sie zum Reinigen der Werkbänke, zum Entfernen der Gußeisenspäne beim Bohren und Fräsen, zum Reinigen der Gesenke in Schmieden, zum Reinigen der Modelle vom Formsand in Gießereien. Auch dient sie zum Anblasen des Feuers von Feldschmieden. Ferner kann durch Einblasen von Preßluft das Oelbad, in welchem stählerne Gegenstände gehärtet werden sollen, umgerührt werden, und in chemischen Fabriken wird auf gleiche Weise in vielen Fällen ein mechanisches Rührwerk erspart.

Ueber die zweite Verwendungsart der Preßluft an den Arbeitsstellen s. Druckluftwerkzeuge.


Literatur: [1] Pernolet, L'air comprimé et ses applications, Paris 1876. – [2] Riedler, Gesteinsbohrmaschinen und Luftkompressionsmaschinen, XV. Heft des österr. Berichts über die Weltausstellung in Philadelphia 1876, Wien 1877. – [3] Ders., Die Kraftübertragung durch Druckluft in Paris, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1889–91. – [4] Dolezalek, Lufttransmission im Gotthard-Tunnel, Zeitschr. d. Arch.- u. Ing.-Ver. Hannover 1880. – [5] Gutermuth, Die Druckluftanlage in Offenbach, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1892. – [6] Lorenz, H., Die Spannungsverluste in langen Druckluftleitungen, ebend., S. 621 und 835. – [7] Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Bd. 4, Kap. 2. – [8] Schmitz, Die Anwendung von Preßluft in der Eisenindustrie, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1900. – [9] Oetling, Die Anwendung der Preßluft, ebend. 1901. – [10] Müller, Die Verwendung von Druckluft in den Werkstätten Amerikas, ebend. 1904. – [11] Pilatus, Die Preßluftanlage der Kaiserl. Werft Kiel, ebend. 1904. – [12] Heinel, C., Die Preßlufterzeugung und -verwendung, Weimar 1904.

Th. Beck.


http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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