Koordinaten [3]

Koordinaten [3]

Koordinaten am Himmel. Man nennt so die Systeme größter Kreise, welche dazu dienen, die Orte der Gestirne anzugeben; in ähnlicher Weise, wie man das für einen Ort der Erde nach geographischer Länge und Breite tut.

Im allgemeinen pflegt man von drei solchen Koordinatensystemen zu sprechen, welche sich je nach der Wahl der Fundamentalebene voneinander unterscheiden. Das sind die Systeme des Horizontes, des Aequators und der Ekliptik.

Erstes System. Wählt man, als sich zunächst für den Beobachter darbietend, die Ebene des Horizonts (s.d.) als Fundamentalebene, so werden die Koordinaten sich darstellen als größte Kreise, die zu dieser Ebene senkrecht stehen, die sogenannten Höhenkreise (Vertikalkreise, Vertikale) und als zum Horizont parallele kleine Kreise, welche die Höhenkreise unter gleichen Winkeln schneiden. Sämtliche Höhenkreise schneiden sich in einer zum Horizont senkrechten Linie, welche die Normale am Orte des Beobachters darstellt. Dieselbe trifft das Firmament oberhalb des Beobachters im Zenit (Scheitelpunkt), unterhalb des Beobachters im Nadirpunkt. Der ausgezeichnetste unter den Höhenkreisen ist derjenige, welcher auch zugleich durch den Himmelspol geht, das ist der Meridian des Beobachtungsortes. Den zum Meridian senkrecht stehenden Höhenkreis nennt man den ersten Vertikal. Die zum Horizont parallelen Kreise gleicher Höhe werden auch Almucantarate genannt. In diesem Koordinatensystem heißen die Bestimmungsstücke für den Ort eines Gestirns Azimut (a) und Höhe (h) oder Zenitdistanz (z). Das Azimut ist der Winkel, welchen der Höhenkreis, der durch das Gestirn geht, mit dem Meridian einschließt; man zählt dasselbe von dem Durchschnittspunkt des Meridians mit dem Horizont im Süden (dem Südpunkte) aus über Westen durch Norden nach Osten, oder wohl auch vom andern Durchschnittspunkt des Meridians mit dem Horizonte im Norden (dem Nordpunkte) aus über Osten durch Süden nach Westen. Die Höhe (h) eines Gestirns ist der Winkel, welchen die Richtung nach dem Stern mit ihrer senkrechten Projektion auf den Horizont einschließt; die Zenitdistanz (z) dagegen ist der Winkel zwischen der Richtung nach dem Stern und der Normalen am Beobachtungsort; Höhe und Zenitdistanz ergänzen sich zu 90°. Sowohl Höhe als Azimut eines Gestirns ändern sich fortwährend und durchlaufen im allgemeinen in 24 Stunden alle für den betreffenden Stern und Beobachtungsort überhaupt möglichen Werte. Die größte Höhe erreicht das Gestirn in seiner oberen Kulmination, d.h. wenn es durch den Meridian geht und sein Azimut gleich 0 wird, die geringste Höhe in der unteren Kulmination bei einem Azimut von 180°. Die untere Kulmination eines Gestirns wird, abgesehen von der Einwirkung der Refraktion (s.d.) oder eventuell der Parallaxe (s.d.), nur dann für den Beobachter sichtbar sein, wenn der Abstand des Gestirns vom Pol nicht größer als die geographische Breite ist (Zirkumpolarsterne). Das Azimut, welches Gestirne im Osten und im Westen bei ihrem Auf- und Untergange erreichen, nennt man ihre Morgen- und Abendweite. Für Zirkumpolarsterne gibt es zwei Höhenkreise, welche den Kreis ihrer täglichen Bewegung im Osten und Westen tangieren. Die Azimute dieser Höhenkreise nennt man Digressionen der betreffenden Gestirne.

Zweites System. Wählt man als Grundebene die Ebene des Aequators, so werden sich die Koordinaten darstellen als größte Kreise, die senkrecht auf dem Aequator stehen, und wiederum als zum Aequator parallele kleine Kreise. Die ersteren schneiden sich alle in der Linie, welche[625] der Umdrehungsachse der Erde entspricht und zugleich als Weltachse die beiden Himmelspole miteinander verbindet. Diese größten Kreise nennt man Stundenkreise oder Deklinationskreise, weil auf ihnen der Winkel gezählt wird, den die Richtung nach dem Gestirn mit ihrer senkrechten Projektion auf die Aequatorialebene, die Deklination (δ) eines Gestirns, einschließt. Unter den Stundenkreisen gibt es keinen, der durch eine besondere Lage ausgezeichnet wäre; man muß daher durch Konvention einen aussuchen, den man als den nullten Stundenkreis annehmen will und von dem aus die Winkel gezählt werden sollen, welche die andern durch ein bestimmtes Gestirn gehenden Stundenkreise mit ihm einschließen. Als solchen Stundenkreis hat man denjenigen ausgewählt, welcher durch den Frühlingsanfangspunkt geht, d.h. durch den Punkt, in welchem die Sonne im Frühling von der südlichen Seite des Aequators nach der nördlichen übertritt, also denselben schneidet. Der Winkel, den nun der durch ein bestimmtes Gestirn gehende Stundenkreis mit dem nullten Stundenkreis einschließt und den man auf dem Aequator zu zählen haben wird, heißt die Geradeaufsteigung oder Rektaszension (Ascensio recta) des Gestirns. Die beiden Koordinaten eines Gestirns im Koordinatensystem des Aequators sind also: Deklination (δ) und Rektaszension (α). Die Ergänzung der Deklination zu 90° heißt der Polabstand (p) des Gestirns, man gebraucht diese Bezeichnung häufig bei polnahen Sternen; also p = 90° – δ. Nach den Koordinaten dieses Systems pflegt man gegenwärtig die Orte der Gestirne in Verzeichnissen zusammenzustellen (Sternkataloge) oder auch in Karten einzutragen (Sternatlas, Sternkarten). Manchmal spricht man auch noch von einem zweiten Koordinatensystem auf Grund des Aequators, nämlich in dem Sinne, daß man als Ausgangsstundenkreis den Meridian wählt. Der Meridianebene entsprechen aber im Laufe eines Tages der Reihe nach alle Stundenkreise, man erhält also an Stelle der beständigen Koordinate der Rektaszension eine Veränderliche, die von der Stellung des nullten Stundenkreises zur Meridianebene abhängt. Es tritt dann in diesem System an Stelle der Rektaszension der Stundenwinkel (t), das ist derjenige Winkel, welchen der durch den Stern gehende Stundenkreis zu verschiedenen Zeiten mit der Meridianebene einschließt, sein Maß ist der Bogen auf dem Aequator zwischen Stundenkreis und Meridianebene. Der Stundenwinkel der Sonne ist gleichbedeutend mit der wahren Zeit. Den Stundenwinkel des Frühlingsanfangspunktes nennt man die Sternzeit, denn es wird eine nach Sternzeit regulierte Uhr immer so viel zeigen müssen, als ein Stern, der im gegebenen Moment den Meridian passiert (kulminiert), Rektaszension besitzt. Die Rektaszension der mittleren Sonne (s. Zeit, Zeitzählung) bildet das Maß für die mittlere Ortszeit, es ist daher die Rektaszension der mittleren Sonne gleich der mittleren Ortszeit. Den Stundenwinkel des Frühlingsanfangspunktes im Momente der Kulmination der mittleren Sonne nennt man die Sternzeit im mittleren Mittag. Dieselbe findet sich in den Jahrbüchern von Tag zu Tag angegeben, und man bedarf ihrer bei der Verwandlung von Sternzeit in mittlere Zeit und umgekehrt. Den Unterschied zwischen der mittleren Zeit und der wahren Zeit nennt man die Zeitgleichung. Da die Lage des Frühlingsanfangspunktes mit Bezug auf die Orte der Gestirne keine konstante ist, denn sie unterliegt der Einwirkung der Präzession und Nutation, so werden auch die Rektaszensionen und Deklinationen der Gestirne Veränderungen unterworfen sein, die sich in längeren oder kürzeren Perioden wiederholen (s. Präzession und Nutation).

Drittes System. Die Grundebene dieses Systems ist die Ekliptik oder die Ebene der Erdbahn. Die auf ihr senkrecht stehenden größten Kreise durchschneiden sich alle in der die Ekliptikalpole verbindenden Achse der Ekliptik; man nennt diese Kreise die Breitenkreise. Parallelebenen zur Ekliptik dienen zur Bestimmung der zweiten Koordinate, der Breite (β). Als den nullten Breitenkreis bezeichnet man auch den durch den Frühlingsanfangspunkt gehenden, und man nennt den Winkel zwischen diesem und dem durch einen bestimmten Stern gehenden Breitenkreis die Länge des Gestirnes (λ). Die Breite eines Gestirnes bezeichnet wiederum auch den Winkel zwischen der Richtung nach dem Gestirn und seiner senkrechten Projektion auf die Ebene der Ekliptik. Früher pflegte man auch häufig die Orte der Gestirne nach Länge und Breite in Verzeichnissen anzugeben (z.B. im Almagest von Ptolemäus). Gegenwärtig finden Länge und Breite nur noch in der theoretischen Astronomie, bei Bahnbestimmungen u.s.w. Verwendung, da durch ihre Einführung die Berechnung der Elemente der Bahnen der Planeten und Kometen erleichtert wird; denn diese Elemente werden fast stets mit Bezug auf ihre Lage zur Erdbahn angegeben.

[626] Für die Rechnungen, die in der sphärischen Astronomie vorkommen, spielt das Dreieck: Pol–ZenitStern (das sogenannte astronomische Dreieck) eine große Rolle. In den vorstehenden Figuren sind die bei der Erläuterung der beiden ersten Koordinatensysteme vorkommenden Stücke zur Darstellung gebracht. Fig. 1 stellt die Projektion der in Betracht kommenden Teile der größten Kreise und Parallelkreise auf die Meridianebene dar, Fig. 2 die Projektion derselben auf die Ebene des Horizontes im Beobachtungsort. Die Buchstaben in den Figuren sind mit Rücksicht auf das vorstehend Angeführte eingetragen; es bedeutet Z das Zenit, Hn und Hs Nord- und Südpunkt des Horizontes, P den Pol, S den Ort des Gestirnes, der Bogen des Meridians (einen Beobachtungspunkt auf der nördlichen Halbkugel der Erde mit der Polhöhe φ vorausgesetzt) zwischen Hn und P ist dann auch gleich φ, der Bogen zwischen Hs und dem Himmelsäquator, die sogenannte Aequatorhöhe, (gleich der Zenitdistanz des Pols) = 90° – φ gleich der Seite Z P im astronomischen Dreieck. Die zwei andern Seiten dieses Dreiecks sind P S = 90° – δ und Z S = z = 90° – h; der Winkel gegenüber z ist der Stundenwinkel t, der gegenüber von (90° – δ) ist (180° – a). Der dritte Winkel des Dreiecks, der in S, ist der sogenannte parallaktische Winkel, der bei der Verwandlung der Koordinaten und besonders bei der Berechnung des Einflusses von Refraktion und Parallaxe auf Rektaszension und Deklination häufig Verwendung findet. Die sphärische Astronomie lehrt mit Hilfe der Formeln und Lehrsätze der sphärischen Trigonometrie bei Kenntnis dreier Stücke in dem astronomischen Dreieck die übrigen bestimmen. Es läßt sich demnach bei bekanntem Stundenwinkel eines Gestirnes aus dessen Deklination und der gemessenen Zenitdistanz die geographische Breite des Beobachtungsortes bestimmen und im andern Sinne aus bekannter geographischer Breite und Ort des Gestirnes nach α, δ und der gemessenen Zenitdistanz die Zeit. Weiteres darüber findet sich in den Artikeln über Geographische Ortsbestimmung, Zeit, Polhöhenbestimmung, Schiffsort.


Literatur: Die gesamten hierhergehörigen Fragen finden sich ausführlich behandelt in den Lehrbüchern der sphärischen Astronomie von Brünnow, Chauvenet, Herr und Tinter, Caspari, Sawitsch u.a. Unter den Sternverzeichnissen seien angeführt diejenigen von Argelander (Stern bis zu 9,5 Größe), der große und genaue Katalog der Astronom. Gesellschaft und die neuesten auf Grund photographischer Aufnahmen erhaltenen Kataloge. Für die südliche Halbkugel der Generalkatalog von Gould (Cordoba in Argentinien) und die Kataloge der Kapsternwarte. Alle Sterne bis zu 6,5 Größe sind enthalten in dem Sternverzeichnis von L. Ambronn, Berlin 1907. Sternkarten gibt es eine große Anzahl, hier sollen nur diejenigen von Argelander, Heis, Behrmann und Schurig genannt werden; außerdem sind auch die auf photographischem Weg gefundenen Sternpositionen schon zum Teil kartiert.

Ambronn.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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