Kompaß [3]

Kompaß [3]

Kompaß . Die Fortschritte in der Entwicklung des Schiffskompasses in dem letzten Jahrzehnt ergaben sich in der Hauptsache aus den Bestrebungen, für die Kriegsschiffe einen zuverlässigen Steuerkompaß, namentlich für den Steuerstand im Kommandoturm, zu schaffen.

Da gerade hier in der nächsten Umgebung des Kompasses bedeutende Stahl- und Eisenmassen vorhanden sind, so ging man dazu über, den Magnetkompaß selbst an einer günstigeren Stelle im Schiff aufzustellen und die Lage der Kompaßrose durch optische und später durch elektrische Kompaßübertragung an der Steuerstelle sichtbar zu machen. Es bildete sich auf diese Weise ein Magnet-Mutterkompaß heraus, dessen Richtungsanzeiger dann auf einzelne Tochterkompasse übertragen wurde. Aber auch diese Konstruktionen konnten nur als ein Notbehelf gelten, da im Gefecht die schiffsmagnetischen Kräfte derartig sich ändern können, daß auch der vollkommenste unmagnetische Ausbau des Schiffskörpers in der Umgebung des Kompasses und die sorgfältigste Kompensation des Mutterkompasses ein einwandfreies Arbeiten desselben nicht sicherstellen konnte. Und so gelangte man schließlich auf eine Kompaßkonstruktion, bei welcher der Richtungsanzeiger von magnetischen Kräften unabhängig ist. Man kam auf den schnell rotierenden Kreisel (s.d.) als Richtungsanzeiger, nachdem die Elektrotechnik beliebig lange laufende Kreisel von hoher Umlaufzahl ermöglicht hatte. Der von Anschütz-Kämpfe 1901 ausgeführte Azimuth-Kreiselkompaß, dessen Kreisel um seinen Schwerpunkt allseitig drehbar angeordnet ist, konnte andauernd 24 Stunden hintereinander laufen und behielt dabei eine eingestellte Richtung – Azimuth – bei. Ein solcher Azimuth-Kreiselkompaß, welcher später auch in andrer Konstruktion von Hartmann & Braun in Frankfurt a.M. nach den Angaben von Ach ausgeführt wurde, ist aber für den Landgebrauch wenig geeignet, da er sich nicht wie der Magnetkompaß automatisch in eine bestimmte Richtung einstellt [1], [5], [6]. Diese automatische Einstellung, und zwar in die astronomische Nordrichtung, erreichte nun Anschütz dadurch, daß er für den bisher unbeeinflußten Kreisel die Schwerkraft zur Korrektion heranzog[442] und damit den sogenannten Meridiankreiselkompaß schuf. Denn die vereinigte Wirkung der Erdrotation und der Schwere zwingt die Kreiselachse in die Nordrichtung, und zwar nach folgenden Ueberlegungen [5], [6], [7]. In Fig. 1 ist ein rotierender Kreisel dargestellt, dessen Achse in einem Ring gelagert ist, welcher mittels eines Bügels an einem Faden aufgehängt und demnach der Schwere unterworfen ist Wirkt nun auf einen derartig aufgehängten rotierenden Kreisel eine Kraft a oder ein entsprechendes Kräftepaar, so erfolgt eine Präzession der Kreiselachse in der Horizontalebene nach der Pfeilrichtung. Die Kraft a bildet nun bei dem Meridiankreiselkompaß die Schwerkraft, wie aus Fig. 2 zu ersehen ist. In dieser stellt der große Kreis um den N-Pol den Erdäquator dar, während das Kreiselrad zunächst mit ostwestgerichteter Achse am Aequator aufgehängt gedacht ist, und z, war in Stellung A. Während der Erddrehung sucht nun der Kreisel seine Achse infolge des Beharrungsvermögens während des Stellenwechsels von A nach A1 parallel zu erhalten, d.h. in A1 die gezeichnete Lage einzunehmen. Die Schwerkraft übt nun aber auf den Kreisel ein Kräftepaar nach den Pfeilstrichen aus, und veranlaßt dieses ein Ausweichen des Kreisels derart, daß seine Achse sich in den Meridian einstellt, und zwar rückt das schwarze Ende der Kreiselachse nach Norden. In welche Richtung auch die anfängliche Achsenlage des Kreisels eingestellt sein mag, das Kräftepaar der Schwere wird immer eine Präzession der Kreiselachse in den Meridian veranlassen, und so schwingt die Kreiselachse, ähnlich wie die Magnetnadel um den magnetischen Meridian, nunmehr um den astronomischen hin und her, wobei schwache Hebungen und Senkungen der Achse verbunden sind. Angenommen, die Kreiselachse wäre an einem Punkt des Erdäquators von Anfang an horizontal im Meridian aufgehängt, so muß sie in dieser Lage verbleiben, da bei der Erddrehung die Achse sich selbst parallel bleibt, wie es das Beharrungsvermögen des Kreisels fordert, und zugleich auch horizontal, entsprechend der Wirkung der Schwere. Da nun aber bei wechselnder Breite die Horizontalen im Meridian, wie es die Schwere verlangt, nicht mehr parallel bleiben (Fig. 3), so muß die Kreiselachse beim Wechsel der Breiten eine gewisse rückläufige Drehung ausführen, von B I nach B II (Fig. 3). Da die Richtkraft, welche die Kreiselachse in den Meridian treibt, abhängig ist von der Winkelgeschwindigkeit der örtlichen Lotlinie, so ist dieselbe am Aequator am größten und am Pol ganz verschwunden; da sie ferner abhängig ist von der Massenenergie, so kann sie durch Erhöhung der Umlaufzahl gesteigert werden, doch muß man eine außerordentlich lange Schwingungsdauer in Kauf nehmen. Während die Schwingungsgerade bei der Magnetkompaßrose 28 Sekunden beträgt, ist sie beim Kreiselkompaß auf 80 Minuten vergrößert. Es ist daher eine Dämpfung der Schwingungen notwendig, damit die Kreiselachse nach wenigem Hinundhergehen im Meridian zur Ruhe kommt. Hierbei tritt ein geringer Kreiselfehler ein, der sogenannte Breitenfehler, welcher von der geographischen Breite abhängt und für eine bestimmte Breite durch eine minimale Belastung der Kreiselachse ausgeglichen werden kann. Ein andrer berechenbarer Kreiselfehler entsteht auf fahrendem Schiff infolge der Zusammensetzung aus Erdbewegung und Schiffsbewegung, es ist der Fahrtfehler, welcher nur gering ist. Wesentlich ungünstiger wirken die sogenannten ballistischen Fehler, welche durch Pendeln des Kreisels entstehen, wenn die Geschwindigkeit des Schiffes plötzlich geändert wird. Bei rascher Folge von Fahrtänderungen können sich die Fehler summieren, welche erst nach Aufnahme einer konstanten Geschwindigkeit allmählich verschwinden.

Der auf vorgehende Grundlagen aufgebaute Meridiankreiselkompaß von Anschütz ist in Fig. 4 im Schnitt wiedergegeben. Das Kreiselrad A ist in dem Gehäuse B gelagert, welches nach oben röhrenförmig verlängert ist und mit dem ringförmigen Schwimmer S sowie der Kompaßrose R in Verbindung steht. Der Schwimmer S ist in einem Quecksilberbad Q angeordnet, welches den unteren Teil des Kompaßkessels K, welcher wie der Magnetkompaß kardanisch aufgehängt ist, ausfüllt. Der Kreisel mit Schwimmer und Rose bildet daher ein schwimmendes System, welches sich Sowohl um seine Senkrechte Achse drehen als auch beliebig neigen kann; dabei liegt der Systemsschwerpunkt etwas unter dem Anstriebsschwerpunkt, so daß ein stabiles Gleichgewicht vorhanden ist. Der Kreisel selbst ist als Kurzschlußanker eines Drehstrommotors mit 20000 Umdrehungen pro Minute und 1/5 PS. Leistung ausgebildet. Die Dämpfungseinrichtung von Anschütz wird durch Fig. 5 erläutert. Sie besteht darin, daß der durch die Rotation des Kreisels im Gehäuse p entstehende Luftstrom unten durch die Oeffnung c[443] ausströmt, welche durch eine am Pendel d hängende Klappe teilweise geschlossen ist. Wird beim Neigen der Kreiselachse die freie Oeffnung a oder b mehr geöffnet bezw. geschlossen, so erzeugt der Rückstoß des ungleich verteilten Luftstroms ein Drehmoment, welches den Schwingungsausschlag des Kreisels abdämpft [2], [3], [7].

Die Erfahrungen mit diesem Meridian-Kreiselkompaß von Anschütz auf in Dienst befindlichen Schiffen zeigten im Laufe der Zeit, daß Schlingerbewegungen des Schiffes sowie rhythmische Schiffsschwingungen den Kreisel leicht aus seiner Richtung bringen können, so daß man darauf Bedacht nehmen mußte, den Kreiselkompaß als Mutterkreisel an einem möglichst ruhigen und schwingungsfreien Platz aufzustellen und für die Tochterkompasse eine Fernübertragung vorzusehen. Für letztere hat die Firma Anschütz ein besonderes System eingeführt, welches wegen der etwa zehnmal so großen Richtkraft des Kreisels gegenüber der Magnetrose des Fluidkompasses einfacher durchzuführen ist. 1911 hat dann Anschütz durch Einführung des Dreikreiselkompasses auch die durch Schiffsschwingungen veranlaßten Störungen und Fehler der Richtungsweisung beseitigt und damit den Kreiselkompaß nunmehr frontreif gemacht. Der Dreikreiselkompaß trägt an einem kugelförmigen Schwimmer im Quecksilberbad drei gleichgroße Kreisel an drei um 120° versetzten Armen derart, daß ihre Gehäuse um eine vertikale Achse in Kugellagern drehbar sind. Die Achsen der drei Kreisel liegen in einer Horizontalebene, und zwar weist die eine nach dem astronomischen Norden, während die Achsen der beiden andern Kreisel um einen geringen Winkel nach Osten bezw. Westen abweichen und mit ihren Gehäusen derart zwangsläufig verbunden sind, daß sie bei einer Präzession der Kreisel infolge Kantungen des Schwimmers im entgegengesetzten Sinne sich drehen, so daß ihre Fehlweisungen sich ständig einander aufheben. Es bleibt als resultierende Richtkraft daher diejenige des ersten Kreisels, dessen Achse nach Nord weist, übrig, während die Zusatzkreisel allen Kantungen des Systems entgegenwirken und dadurch eine sichere Ausbalancierung schaffen [6].

In den Vereinigten Staaten hat der Kreiselkompaß von Sperry gleichfalls günstige Resultate erzielt (Fig. 6). Sperry verwendet nur einen Kreisel von 8600 Umdrehungen in der Minute, welcher in einem luftleeren Gehäuse b läuft. Das Gehäuse ist in einem Ring d um zwei horizontale Achsen c drehbar gelagert und sind diese Achsen um 90° gegenüber der Kreiselachse a verdreht. Der Ring ist an einem Metallfaden e aufgehängt und von einem äußeren Ring g, von dem Erfinder »phantom« genannt, umgeben, welcher oben einen röhrenförmigen Aufsatz h trägt, der durch ein Kugellager von den kreuzförmigen Armen i des Kompaßgehäuses getragen wird. Am oberen Ende des röhrenförmigen Aufsatzes ist zugleich der Metallfaden einstellbar befestigt. Der Phantomring trägt innerhalb des Kompaßgehäuses, welches an dem Kardanring k aufgehängt ist, die Kompaßrose. Dieselbe ist daher nicht direkt mit dem Kreiselgehäuse verbunden. Bei Verdrehung des Kreiselgehäuses b und des inneren, am Metallfaden hängenden Ringes d gegenüber dem Phantomring g erhält durch einen Rollenkontakt der Motor m Strom und dreht die Kompaßrose und den Ring g mittels des Triebwerks n so lange, bis wieder Symmetrie eingetreten ist, d.h. bis der Phantomring wieder in die Ebene des Ringes d gelangt ist. Zu gleicher Zeit treibt das Zahnrad der Kompaßrose einen Uebertragungsmotor, welcher den Strom für die Bewegung der Anzeigerosen der Tochterkompasse liefert. Zur Dämpfung der Schwingungen des Kreiselgehäuses b dienen Spiralfedern. Da ferner das Kreiselrad um seine horizontale Achse im Gleichgewicht erhalten wird, so ist der Kreisel gegen auftretende Schiffsbewegungen und Schiffsschwingungen wenig empfindlich, so daß die ballastischen Fehler fortfallen. Zur Korrektur des sogenannten Breitenfehlers und des Fahrtfehlers sind zwei Apparate, welche geheimgehalten werden, vorhanden. Durch Einstellen der Zifferblätter auf eine bestimmte Geschwindigkeit bezw. einen Breitengrad wird erreicht, daß die Kompaßrose sofort Astronomisch-Nord anzeigt. Auch soll es möglich sein, jederzeit den Meridian durch eine weitere Vorrichtung kenntlich zu machen [9], [10]. Vgl. a. die Art. Navigierung und Instrumente für Luftfahrzeuge.


[444] Literatur: [1] O. Martienßen, Die Verwendbarkeit des Rotationskompasses als Ersatz des magnetischen Kompasses, Physik. Zeitschr. 1906, S. 535. – [2] Anschütz-Kämpfe, Der Kreisel als Richtungsweiser auf der Erde, Jahrbuch d. Schiffbautechn. Ges., Berlin 1909. – [3] Lauffer, Das Gyroskop, Mitteil. aus d. Gebiet d. Seewesens, Pola 1909. – [4] Anschütz, Der Kreiselkompaß, Kiel 1910. – [5] Maurer, Der Kreisel als Kompaßersatz auf eisernen Schiffen, Berlin 1911. – [6] Nauticus, Der Kreiselkompaß als neueste Entwicklungsstufe des Kompaßwesens, Berlin 1913. – [7] The Gyro Compass, Engineering 1911, I, S. 816. – [8] A. Fuchs u. R. Katzmayr, Eine neue Theorie des Kreisels und seine Anwendung in der Technik, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1910, S. 1576. – [9] Eimer A. Sperry, The Gyroscope for marine purposes, Engineering 1911, I, S. 427. – [10] The Sperry gyroscope compass, Engineering 1912, I, S. 722. – [11] A. Schuck, Der Kompaß (geschichtlich), Hamburg 1911. – [12] Le Sort, La conduite des compas, théorie et pratique de la compensation des compas, Toulon 1910. – [13] H. Meldau, Der Kompaß.

T. Schwarz.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 5., Fig. 6.
Fig. 5., Fig. 6.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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