Kettenbahnen [1]

Kettenbahnen [1]

Kettenbahnen. Ein geschlossener Kettenring (eine Kette ohne Ende) wird durch einen Motor bewegt; hierbei werden die auf geraden oder gekrümmten, auf wagerechten oder geneigten Schienengleisen laufenden Fahrzeuge, die mit dieser Kette irgendwie verbunden sind, mitgenommen.

Die Kettenbahnen finden vornehmlich im Bergbau Verwendung und sind in der Regel zweigleisig, so daß auf einem Gleis die beladenen Wagen hin-, auf dem andern die leeren zurücklaufen. Ausnahmsweise sind Kettenbahnen für andre Zwecke auch für Personenbeförderung in Anwendung. Die Kette kann über oder unter dem Fahrzeug sich befinden, man nennt sie dann schwebende oder Oberkette und unterlaufende oder Unterkette; erstere Anordnung ist im Bergbau die gebräuchlichere (Fig. 1). Hierin bezeichnen M den Motor, T die Antriebrolle, K die Kette, R die Rückleitungs- oder Spannrolle, r die Tragrollen, S die Förderbahn, A die beladenen und B die leeren Wagen. Die Oberkette ruht entweder unmittelbar auf den Wagen, die in diesem Falle lediglich durch die Reibung mitgenommen werden, oder sie wird mit Mitnehmern der Wagen verbunden. Bei den Anordnungen mit Unterkette enthält dieselbe zumeist selbst die Mitnehmer, die auf die Wagen wirken. Die Kette wird einerseits um die Triebrolle, anderseits um die Rückleitungsrolle geschlungen und durch eine besondere Vorrichtung, die entweder mit der Rückleitungsrolle verbunden oder in der Nähe der Triebrolle in die Leitung geschaltet ist, in der erforderlichen Spannung erhalten. Die verwendeten Motoren sind: Dampf, der bei unterirdischen Anlagen oberirdisch erzeugt und durch entsprechend geschützte Röhren den Maschinen zugeführt wird; Preßluft, die nach den unterirdisch aufgestellten Bewegungsmaschinen geleitet wird; Wasser unter Druck, namentlich wenn im Bergbau Wasser mit genügendem Gefälle vorhanden ist, das ohnehin gehoben werden muß und zur Bewegung von Wassersäulenmaschinen oder Turbinen verwendet werden kann; Elektrizität, wobei zumeist die Primärmaschinen ober-, die Sekundärmaschinen unterirdisch aufgestellt werden; die dünne und leichtbewegliche Leitung ist ein besonderer Vorteil der elektrischen Kraftübertragung. Am meisten sind Dampf und Elektrizität in Verwendung. Der Kraftbedarf der Kettenbahnen ist von der Länge, den Steigungs- und Krümmungsverhältnissen der Bahn sowie von den Belastungen abhängig und beträgt etwa 10–30 PS.

Die Kraftübertragung von der Maschine auf die Antriebsrolle erfolgt durch Riemen (wenn keine Feuchtigkeit), durch Zahnräder (Phosphorbronze und Gußeisen oder Rohhaut) oder Schneckenräder (Stahlschnecke, und Phosphorbronzerad), wobei das Uebersetzungsverhältnis der gewünschten Geschwindigkeitsverminderung entsprechend gewählt wird. Die Antriebsrolle, um welche die Kette behufs Verhinderung des Gleitens je nach Größe der Belastung 11/2–31/2 mal geschlungen wird, erhält meist 1,5–2 m Durchmesser und wird aus Gußeisen G mit einem abgedrehten und abgeschrägten Holzkranz H ausgeführt (Fig. 2). Außerdem sind noch andre Bauarten, allerdings mit geringem Erfolg, im Gebrauch, die meist darauf hinauslaufen, das Gleiten der Kette schon bei einer halbmaligen Umschlingung derselben durch einen gezahnten oder mit Dornen versehenen Umfang zu verhindern.

Die Ketten werden aus schweißbarem Eisen der Belastung und Länge entsprechend meist aus Gliedern von 15–25 mm Stärke und mit 4–10 kg/m[454] hergestellt; die Kettengeschwindigkeit bewegt sich meist von 0,5–2,5 m/sec. Die Dauer der Ketten hängt namentlich von der Beladung und den Krümmungsverhältnissen der Bahn ab und beträgt etwa 9–15 Jahre. Bei Verwendung einer Oberkette liegt dieselbe entweder unmittelbar auf dem Wagen oder dessen Ladung, der durch die Reibung mitgenommen wird, oder sie liegt in einem zumeist gabelförmigen Mitnehmer M (Fig. 3), der abnehmbar, auch wohl mit drehbarer Gabel behufs leichteren Ein- und Auslegens der Kette angeordnet wird; letztere Anordnung ist allerdings umständlicher, namentlich in gekrümmten Gleisen, aber besser und sicherer als erstere, bei der die Kette ein zur Erzeugung der Reibung entsprechend großes Gewicht erhalten muß und die Gefahr vorliegt, daß durch sie die Ladung des Wagens beschädigt oder zerstreut wird. Trotzdem findet man erstere Anordnung wegen einfacherer Bedienung häufiger als letztere.

Da die Oberkette auf den Wagen oder in dessen Mitnehmern liegt, so sind ihre Unterstützungen durch Tragrollen mit 0,5–0,6 m Durchmesser und Holzfütterung nur an den Enden der Bahn, in den schärferen Kurven und dort angeordnet, wo Wagen in oder aus der Bahn gebracht werden; diese Anordnung ist einfach, bedingt aber auch, daß Wagen stets und in annähernd gleichen Abständen unter der Kette sich befinden und bei einem Mangel an beladenen Wagen leere darunter geschoben werden müssen. Aus diesem Grunde hat man auch versucht, die Oberkette durchweg auf Tragrollen zu legen und verschiedene Anordnungen erdacht, die den ungehinderten Durchgang des in solchem Falle erforderlichen Mitnehmers gestatten, allein gefunden, daß bei umständlicherer und kostspieligerer Anlage der Kettenverschleiß erheblich größer wird als bei der auf den Wagen liegenden Oberkette. Die Bögen der Bahn werden bei großen Krümmungshalbmessern mit aufliegender Oberkette durchfahren; bei kleinen Krümmungshalbmessern jedoch werden, wie Fig. 4 zeigt, schiefe Ebenen S (Gefäll 1 : 50–1 : 100) in die Bahn gelegt, damit die Wagen nach Hochhebung der Kette durch Tragrollen A in der Kurve ablaufen, in der sie durch Leitrollen a geführt wird, um am Ende von der dort wieder tiefliegenden Kette erfaßt und weitergezogen zu werden, was sich allerdings nicht immer regelmäßig vollzieht, daher verkehrstörende Wagenanhäufungen stattfinden, wenn nicht für besondere Bedienung der Kurvenstrecken gesorgt ist. Die hierdurch entgehenden nicht geringen Kosten sucht man durch Anordnungen zu vermeiden, bei welchen der Wagen beim Durchfahren der Kurve nicht mehr von der Kette getrennt wird, daher Leitrollen mit senkrechter Achse erforderlich werden, die den Mitnehmern nicht hinderlich sind; diese Anordnungen ergeben jedoch einen großen Kettenverschleiß.

Die Spannvorrichtung der Kette, wodurch sie stets in der erforderlichen Spannung erhalten wird, ist entweder an der Rückleitungsrolle oder in der Nähe der Antriebsrolle angebracht. Es bestehen hierfür verschiedene Anordnungen, und zwar wird die Achse einer Rolle, um welche die Kette geschlungen ist, durch eine Schraubenspindel so weit verschoben, bis die gewünschte Spannung erreicht ist, oder es bewirkt ein an der Rolle angehängtes Gewicht oder ein auf einem Gleis laufender Spannwagen mit Gewicht die selbsttätige Spannung der Kette, die namentlich in der Nähe der Umtriebsrolle angebracht, ein Gleiten der Kette auf derselben verhindert (vgl. hierüber Seilbahnen). Die Längen der ausgeführten Kettenbahnen bewegen sich meist zwischen 500 und 2500 m; bei kleineren Längen werden die Anlagen unvorteilhaft. Die Steigungsverhältnisse gehen bis 1 : 5; die kleinsten Krümmungshalbmesser betragen 5 – 10 m. Die Gleise haben meist 0,5–0,8 m Spurweite, die Schienen bis zu höchstens 20 kg/m Gewicht. Der Betrieb der Bahnen mit Oberkette wird in der Regel in der Weise gehandhabt, daß die zu befördernden Wagen in möglichst gleichen Zwischenräumen unter die Kette geschoben werden, wobei der Wagenabstand 15–25 m beträgt; ein kleiner Wagenabstand ermöglicht große Förderleistungen, bedingt aber auch große Kräfte und starke Ketten. Zur Signalisierung für die Einhaltung des Wagenabstandes dienen Lampen oder Glocken; letztere werden im Wagenabstande angeordnet und durch Anstoßen der Wagen oder durch einen Schienenkontaktapparat zum Ertönen gebracht. Wenn die Oberkette durch Tragrollen nicht unterstützt ist, müssen zur Aufrechthaltung des Betriebes so viele Wagen vorhanden sein, daß die Abstände nicht zu groß werden und die Kette nicht schleift. Vorteile der für den Bergbau zumeist gebrauchten Kettenbahnen[455] mit Oberkette sind einfacher Betrieb, leichte Anpassung an die Transportbedürfnisse, Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Verwendung bei starken Steigungen. Nachteile sind die verhältnismäßig hohen Anlagekosten sowie der Umstand, daß bei vielen und scharfen Kurven der Betrieb schwerfällig, teuer und unvorteilhaft wird, so daß in solchen Fällen von reinen Kettenbahnen abgesehen wird. In jüngster Zeit ist die Kette durch das Drahtseil ersetzt worden. Der Ersatz der Kette durch das Seil erfolgt vielfach in der Weise, daß man in das Seil etwa alle 20–50 m kurze Kettenstückchen von 1/5–1/3 m Länge einschaltet, die in die gabelförmigen Mitnehmer eingelegt werden (Fig. 5). Das Seil wächst konisch zu der Stärke an, die für die Hülfe der Kette erforderlich ist (Fig. 6). Hierbei sind die Vorteile der Kette und des Seiles vereinigt, daher diese Förderungsart namentlich für sehr stark steigende und gekrümmte Bahnen geeignet erscheint. Aehnliche Anordnungen nach Patent Glinz führt G. Heckel in St. Johann-Saarbrücken aus.

Bahnen mit Unterkette sind in geringer Zahl, für kurze Längen und für oberirdischen Betrieb ausgeführt; hierbei sind durchweg Trag- und Leitrollen in den Kurven erforderlich, die zwischen die Schienenstränge der Bahn verlegt werden. Die Mitnehmer sind entweder am Wagen befestigt und fassen die Kette oder sie sind mit letzterer verbunden und greifen in die Zugringe oder Achsen des Wagens. Auch sind Bahnen ausgeführt, wobei die Kette nicht bewegt wird, sondern festliegt und das in diese eingreifende Motorrad die Fortbewegung des Zuges bewerkstelligt. Die Firma A. Koppel in Berlin hat interessante Anlagen in Rußland, namentlich für den Langholztransport an der Wolga, ausgeführt. Auch für den Personenverkehr sind in Amerika Bahnen mit Unterkette in Verwendung. So wird in Südamerika Punta Ciudad am Fuße der Kordilleren mit dem 1600 m höher liegenden Hochplateau von Santa Genoveve mittels einer 5 km langen Kettenbahn verbunden. Hierbei liegt zwischen den Schienen eine Gallsche Kette, die in Abständen von 10 m durch Stühle unterstützt wird. Die Verbindung und Loslösung des Motorwagens mit und von der Kette erfolgt mittels eines Kettenrades. Sowohl für die Bergfahrt wie auch für die Talfahrt steht das vom Motor angetriebene Kettenrad in Verbindung mit der festgelagerten, nicht beweglichen Kette.


Literatur: Brüll, Mémoire sur la chaîne flottante des mines de fer de Dicido, Paris 1884; Hauer, v., Die Fördermaschinen der Bergwerke, Leipzig 1885; Braun, Die Kettenförderung auf horizontaler und geneigter Schienenbahn, Freiberg 1886; Stein, Die verschiedenen Methoden der mechanischen Streckenförderungen, Gelsenkirchen 1896; Koppel, A., Ueber Kettenaufzüge, Berlin 1896.

Dolezalek.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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